Marcel, 05. 06. 2010

Wir starten nach einer ruhigen Nacht und gemütlichem Frühstück an Deck gegen 1100 von Kissamos. Kurz bevor wir ablegen wollen, möchte ein Beamter der Küstenwache doch noch gerne unser Pleasure Craft Document stempeln. Nach Kos ist das erst der zweite Stempel in dieser übergroßen Stempelkarte.  Über den Felsmassiven die an der Halbinsel Gramvousa steil ins Meer fallen hängen kleinere Regenwolken wie graue Watte. Nach kurzem motoren gegen einen mäßigen Wind aus N (versprochen hat man uns W bis SW) können wir am Kap Gramvousa dann auf unseren Kurs nach Kythira abfallen und setzen Groß, Fock und Klüver. Endlich pflügen wir unter voller Besegelung mit 6 bis 7 Knoten Fahrt auf Kurs 320° der Insel Kythira entgegen, wo der Sage nach die Göttin Aphrodite aus dem Meeresschaum entstiegen ist. Es tut gut, das Wummern der Maschine nicht mehr zu hören, das uns die letzten zwei Tage (und die erste Nacht) begleitet hat. Unter Deck schläft man wie in Abrahams Schoß, hört draußen das Wasser an der Bordwand gluckern. Die Bullaugen im Salon sind bei Rauschefahrt von den Wellen überspült.

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Gegen Mittag lassen wir Kythiras kleine Schwesterinsel Antikythira an Backbord liegen. Zum Mittagessen bereitet der Smutje einen griechischen Salat mit Paximadia, dem harten griechischen Zwieback und einem lokalen Weichkäse, der an den italienischen  Ricotta erinnert. Dazu ein Gläschen kretischen Weißwein. Was will man mehr? Der Wind hat auf 3bf abgenommen. Wir gleiten aber immer noch mit 5 Knoten durch die ägäische See. Keine Fischer, keine Frachter, keine anderen Segler sind zu sehen.

Marcel, 04. 06. 2010

Vorbei an Stavros, dem Drehort von Alexis Sorbas fahren wir unter Motor weiter wir in Richtung Chania um dort Diesel zu bunkern und einen Ersatzschäkel (den mittlerweile zweiten) für das Großfall zu kaufen.

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Am Nachmittag legen wir von Chania wieder ab. Wir haben 193 Liter Diesel gebunkert und den Schäkel des Großfalls ersetzt. Der Ort wird im Winter eine angenehme Atmosphäre haben. Viele alte Häuser reihen sich um den Hafen und schmiegen sich eng aneinander. Die Fassaden sind in Ocker- und Rottönen getüncht. Dazwischen stecken einige moderne Bauten, die sich jedoch unauffällig zwischen die Fassaden mischen. Jetzt zur Hauptsaison war jedoch an einen ruhigen Stadtbummel nicht zu denken, und zumindest in der Altstadt rings um den Hafen wurde nur Tünnef und Nippes feilgeboten.

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Der Hafenmeister war äußerst zuvorkommend. Als er unsere Enttäuschung auf die Information bemerkte, dass es Diesel erst wieder am nächsten Morgen und dann nur bis 1100 werden kann – eine Anordnung der Hafenpolizei –, organisierte er doch noch, dass der Tankwagen zu uns an die Pier kam. Auch den Schäkel des Großfalls konnten wir fünf Minuten vor Ladenschluss noch erwerben.

Endlich können wir ein paar Meilen segeln. Doch auch dieses Vergnügen scheitert am frühen Abend am Gegenwind. Um noch halbwegs im hellen einen Liegeplatz anzusteuern, entscheiden wir uns, Balos wegen der Westwindlage auszusparen, und Kissamos anzusteuern. Doch auch dort kommen wir bei Dunkelheit in dem kleinen Hafen an und gehen am schiffs- und menschenleeren Betonpier längsseits. Der Hafen wirkt für die zwei großen Ausflugsboote nach Balos und ein paar Fischer etwas zu überdimensioniert. Riesige Betonmolen mit hell erleuchteten Parkplätzen empfangen uns hier. Eine Taverne mit übellaunigem Wirt und eine verschlossene Zollstation deuten auf mehr Aktivität hin. Doch auch am nächsten Tag haben wir den Eindruck als dass der Hafen schon bessere Zeiten gesehen hat .

Marcel, 04. 06. 2010

Wir starten am frühen Nachmittag von Agios Nikolaos bei (zu) leichtem Wind aus Nordwest. Dicke Wolken hängen über den Bergmassiven und Hochebenen im Hinterland von AN. Manche der Berghänge verschwinden im Nebel. Die dunklen Schatten der Wolken lassen manche Dörfer düster erscheinen. Doch je weiter wir aus der weit geöffneten Mirabello-Bucht in die Süd-Ägäische, die Kretische See fahren, desto sonniger wird es. Am Johannis-Kap setzen wir Segel, kommen aber bei 8kn Wind nicht wirklich gut voran, so dass wir uns entscheiden unter Motor weiter zu fahren.

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Es gibt also im Verlauf des Nachmittags nichts weiter zu tun, als alle 15 Minuten einmal den Blick ringsum schweifen zu lassen. Ansonsten genießen wir den Blick auf die Küste, die an Backbord an uns vorbeizieht, lesen oder halten ein Nickerchen. Bis zur nächsten Landmarke, einem kleinen, Iraklion vorgelagerten Inselchen sind es noch gute 5 Stunden. Gleich wird es Zeit für ein Glas Wein oder ein Fahrtbier, welches man sich bei diesem Wetter durchaus gönnen kann. Der Wetterbericht verspricht zwar zum Abend eine weitere Windstärke für uns, aber wir bleiben skeptisch. Und so motoren wir auch noch Stunden später der untergehenden Sonne entgegen.

Gestern Abend hatten wir auf der Fahrt vom Flughafen nach AN noch die Sonne im Rücken. Der Transfer wurde unerwartet komfortabel. In einer mit weichem hellbraunen Leder, ich vermute edelstes Kalbsleder, ausgestatteten S-Klasse Limousine wurden wir vom Flughafen zur Marina chauffiert. Wir standen an der Bushaltestelle und warteten auf den schon mehrere Minuten überfälligen Überlandbus nach AN als ein schickes Taxis neben uns hielt und uns fragte, ob wir nach AN wollten. Für 20€ würde er uns alle drei mitnehmen! 20€? Wir waren erstaunt. Und auch nach mehrmaligem Nachfragen ob der Preis pro Person gelte oder für alle drei, versicherte der Fahrer, uns für den Betrag, den sonst die Busfahrt gekostet hätte, nach AN zu bringen. (Das ‘Geheimnis’: Der Taxifahrer hatte zuvor Fahrgäste zum Flughafen gebracht und würde sonst leer nach AN zurückfahren.)

Am frühen Abend erreichen wir die kleine, Iraklion vorgelagerte Insel Dia, ein karges, felsiges Eiland. Auch hier finden sich ein oder zwei Tavernen für Tagesausflügler und, wie auf jedem, noch so kleinen, griechischem Inselchen, eine Kapelle. Die Seekarte verspricht guten Ankergrund auf 10m Wassertiefe. Die felsige Küste fällt jedoch steil ins Meer ab. Wir loten zwischen 20 und 45m Wassertiefe in den Buchten. Eigentlich war hier das Abendessen geplant. Nun heißt es, unterwegs zu kochen. Das “Gulasch”, welches von Joanna gewünscht wurde, misslingt mir gründlich. (Ja, das ist leider überhaupt nicht untertrieben; JB.)

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Das Motoren durch die Nacht wird anstrengend und monoton. Wachwechsel im 2-3 Stunden-Takt. Wache, Bereitschaft, Freiwache. Um 0700 erreichen wir endlich nach exakt 80 Seemeilen die Seeräuberbucht. Die Crew ist noch matschig von der im Halbschlaf verbrachten Nacht. Wir ankern ungeschützt vor einer rauen Bergkulisse auf 16m Wassertiefe. Wind ablandig 1bf, später auflandig drehend, jedoch weiterhin schwach. Joanna lässt es sich nicht nehmen, mit dem Dingi anzulanden und die Schlucht, die direkt über der schmalen Einfahrt beginnt, zu erklimmen. Dietmar und ich bleiben an Bord. Über unseres Handfunkgerät bleiben wir mit Joanna in Kontakt. Die Handys haben hier keinen Empfang.

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Verschlafene Matrosen beim Sonnenaufgang.


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J. unterwegs zu der Seeräuberbucht (im Bananaboot).

Zur Wanderung siehe: „Wanderung-Akrotiri“

Marcel, 30. 05. 2010

Am Donnerstag werden wird von Agios Nikolaos und somit auch von Kreta Abschied nehmen. Wir segeln entlang der touristisch bis ins letzte Dorf erschlossenen Nordküste nach Westen. Dann werden wir auch die Insel Kreta verlassen, auf der man etwa die Hälfte der illegalen Waffen in Griechenland vermutet; man nimmt an, aus traditioneller Vorstellung von einer wehrhaften und stolzen Sippe. Immerhin stand die Insel von 1645 bis 1913 unter osmanischer Herrschaft und Kretas Geschichte ist an blutigen Auseinandersetzungen, die bis in den zweiten Weltkrieg reichen, nicht arm. In Anbetracht der voll besetzten Party-Boote, die die Ruhe in den Buchten empfindlich beeinträchtigen, können wir unwillkürliche Reflexe zu den Waffen zu greifen, nur schwer unterdrücken und verstehen die archaische Neigung der Kreter zu undiplomatischen Konfliktlösungen. Die Party-Boote kommen noch einmal davon, denn wir haben keine Waffen an Bord.

Unser erstes Ziel auf der Reise in das Ionische Meer ist die kleine Halbinsel Akroti. Der „Hafen“ des Klosters Katoliko soll einen hervorragenden Schnorchelspot abgeben. Aufgrund der laut Seekarte großen Wassertiefen >15m müssen wir dieses Vorhaben jedoch vom aktuellen Wetter und er vorherrschenden Windlage in der nächsten Woche abhängig machen. Die dort ins Meer mündende Schlucht führt zu dem bereits erwähnten Kloster und zu Einsiedlerhöhlen. Siehe hierzu unsere Routenplanung und die von Joanna gewünschte Wanderung zu dem Kloster.

Auf dem Wege nach Akroti gibt es noch einige Stadthäfen, die wir anlaufen könnten. Malia kommt dabei, auf Grund der Nähe zu Agios Nikolaos eher nicht in Frage. Aber wer weiß, wir hatten auch schon mal 8 Windstärken aus West. Dann wären wir vermutlich genauso schnell in Santorin, wie in Malia. Etwa drei Kilometer vom Küstenort entfernt befindet sich eine bedeutende minoische Ausgrabungsstätte. Stadt und Ausgrabungsgelände werden wir wohl an Backbord liegen lassen.

Iraklion liegt auf dem Landweg etwa 35 Kilometer weiter westlich. Und sollte Aeolus einmal auf unserer Seite stehen, werden wir wohl auch Iraklion im Kielwasser hinter uns lassen. Knossos, ganz in der Nähe der Stadt, der bedeutendsten minoischen Ausgrabung Kretas, wird eine Anmutung wie Disneyland nachgesagt. Wir hatten bei Wein und Abendessen in Köln hierzu schon umfangreiche Fachberatung durch einen befreundeten Archäologen aus Berlin.

Auf dem weiteren Weg nach Akroti finden wir noch einige kleine Ankerbuchten, von denen die meisten nach Norden offen sind. Auf der Ostseite schließt die Halbinsel Akroti mit dem „Festland“ Kretas einen Naturhafen ein, der jedoch zum Großteil als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen ist. So wäre es für uns ein Umweg in diese Bucht einzulaufen. In der ausladenden Bucht östlich der Halbinsel befindet sich Chania. Auch hier wollen wir aber nur einlaufen, wenn das Wetter uns keine andere Wahl lässt und eine Nacht vor Anker unmöglich ist.

Unsere Hoffnung liegt also in ruhigem Ankerwetter um der Halbinsel Akroti einen Besuch abzustatten. Vor Stavros, dem Ort, der durch die Alexis Zorbas Verfilmung zu Weltruhm gelangte, gibt es mehrere gute Ankermöglichkeiten bei unterschiedlicher Wetterlage. Stavros befindet sich nur wenige Meilen weiter westlich des kleinen „Hafens“ des Klosters Katoliko.

Der letzte Tag vor Kretas Küsten ist dann der Lagune von Balos, bzw. Gramvousa gewidmet. Die Lagune ist eine der großen Naturattraktionen Kretas. Hierzu mehr siehe Routenplanung. Am Samstag wollen wir dann Kreta endgültig den Rücken, bzw. das Heck zukehren. Die Inseln Kithyra und Antikythira, die auf Halber Strecke zum Peloponnes liegen, werden schon zu den Ionischen Inseln gezählt.

Joanna & Marcel, 16. 05. 2010

Auf dem Rückweg nach Agios Nikolaos ankern wir in der Kolokithas Bucht im Osten von Spinalonga, der Halbinsel. Nach dem Mittagessen rudert Joanna an Land und erkundet die Halbinsel während ich das neue Funkgerät installiere. Wir sind jetzt über unsere MMSI erreichbar. Neben uns spuckt ein Ausflugsboot nach dem anderen dutzende Ausflügler an Land. Später legt noch ein lärmendes Party-Boot dort an. Für uns ein klares Zeichen zum Aufbruch.

Diese Ausflugsboote sind eine Pest! Die Leute werden zur Meute, auch wenn sie einzeln vielleicht nett und interessiert sind.

Die Halbinsel Spinalonga – übrigens hat man die Insel Spinalonga von der Halbinsel künstlich getrennt, habe ich irgendwo gelesen – ist überraschender Weise sehr interessant, dabei sieht sie schon jetzt einfach nur ‚verbrannt‘ aus. Außer Macchia nichts zu sehen an Vegetation. Ich machte eine kleine Wanderung entlang der Ostküste. Auf den Fotos sind die Ausblicke auf die Bucht und auf Chulugi zu sehen.

Hier bin ich gestrandet.

Camper… ?

Votivgaben in der Kapelle Agios – nein dieses Mal nicht Nikolaos – Foka.

Dann wollte ich unbedingt eine Wanderung finden, die in meinem Wanderbuch beschrieben war. Leider vergeblich, dafür aber bin ich auf die vielen zum Teil sehr verwittert und alt aussehenden Kapellen auf dem Gipfel und Hügeln aufmerksam geworden. Mein Weg führte mich auf einer staubigkalkigen Straße – wahrscheinlich für die Touristen neu angelegt, damit sie die schönen Buchten problemlos und schnell erreichen können – bis zu der versunkenen Stadt „Elunda“. Ich dachte, dort gebe es keine Menschenseele, falsch gedacht. Auch wenn die Fotos sie gänzlich ausblenden.

Und unweit dieser an sich netten Taverne gab es diese tote oder im Sterben begriffene Meeresschildkröte. Wahrscheinlich ertrunken im Treibnetz der Fischer oder … Übrigens meine erste Begegnung mit einem solchen Tier und diese auch gleich so traurige.

Und damit dieses Bild nicht das letzte ist:

Möglicherweise – würde ich sagen – eine frühchristliche Basilika, genauer: der Fußbodenmosaik mit spielenden Delphinen.

Und zum Schluß wieder Chulugi

Für mehr Fotos hier:

~> Halbinsel Spinalonga

Joanna & Marcel, 15. 05. 2010

Der Morgen in Mochlós beginnt mit bedecktem Himmel und ruhiger See. Wir diskutieren darüber, ob wir in Mochlos bleiben (auf Grund der, laut Reiseführer, „hervorragenden Tavernen, insbesondere Fischtavernen“), oder ob wir in der der Insel Spinalonga vorgelagerten Buchten fahren sollen. Wir beschließen in Mochlós ein spätes Mittagessen einzunehmen und dann nach Spinalonga aufzubrechen. Dann, im Laufe des Vormittags, fallen immer mehr heftige Böen von den Hängen und peitschen über die Bucht. Auf dem felsigen Grund beginnt der Anker zu slippen. Ich stecke 50m Kette, doch die Kette vibriert weiter. Unsere Alternativen: Den Anker an anderer Stelle einfahren oder nach Spinalonga aufbrechen. Wir entscheiden uns für die Weiterfahrt.

Der Anker ist oben.

Und an dieser Stelle vergißt Marcel zu erwähnen, daß das Manöver nicht ohne war, weil natürlich dann, wenn wir losfahren wollen, die Böen heftiger werden! Dann einen Anker zu lichten, ohne Schrammen für das Bug, finde ich nicht ganz ohne. Darüber hinaus zeigten unsere elektronischen Seekarten, daß die Durchfahrt zwischen der heutigen Insel und dem Dörfchen bis über 10 Meter ‚frei‘ ist. Ich war schon vorher skeptisch, denn das Wasser an diese Stelle sah sehr hell aus. Außerdem sollte dort die ehem. Verbindung zwischen Land und Insel gewesen sein – auch Fotos zeigen dort noch sichtbare Mauern…

Wir steuern auf die Meerenge zwischen der Mochlos vorgelagerten Insel und dem Örtchen zu, als uns eine winkende und wild gestikulierende Menge am Ufer auf die Untiefen aufmerksam macht. Das Echolot zeigt plötzlich nur noch zwei Meter – noch 50cm Wasser unterm Kiel. Die Maschine heult wild achteraus. Das ist noch einmal gutgegangen!

Dann stecken wir nur eine halbe Meile vor der Küste in einem Windloch. Die Segel schlagen. Der restliche Wind nutzt den vollen Umfang der Kompassrose. Also wieder den Motor starten.

Als wir aus dem Schatten der vorgelagerten Inselchen in die Mirabello-Bucht einfahren sehen wir bereits die weißen Schaumkronen der Wellen. Und hier erwischt es uns mit voller Wucht. Den großen Klüver (das Vorsegel ist 2 Quadratmeter größer als das Großsegel) bekommen wir mit Mühe eingerollt. Um vom ersten ins zweite Reff zu gehen bleibt keine Zeit, da uns bei über 30 Knoten Wind das Bimini in Stücke reißt. Die Reste bekommen wir noch notdürftig angebändselt als der Windmesser bis zu 38 Knoten Wind anzeigt. Das sind gute 8 Windstärken. Die Wellen bleiben moderat, da der Wind von Land weht und die Wellen noch jung sind. Trotz des ersten Reffs (das zweite wäre mir lieber gewesen), lässt sich das Schiff perfekt steuern und surft mit über 9 Knoten über Grund über die Wellen.

Bei diesen Böen steuert Marcel. Ich gebe es auf, nachdem es immer ungemütlicher und nasser wird, und sitze unter dem schützenden Dach. Außerdem krängt das Schiff ziemlich und das macht mich (immer noch) sehr nervös… Ich habe nicht dieses enorme Vertrauen oder auch einfach nicht das entsprechende Wissen und Können der Seglermaterie.

Natürlich gibt es davon keine Fotos…

In Anbetracht der Wetterlage erscheint es uns sicherer, die Lagune anzulaufen und die vorgelagerte Bucht auf der Rückfahrt nach Agios Nikolaos anzusteuern. In der Lagune liegen wir mit moderaten Fallwinden zwischen 3 und 4 bf über Nacht ruhig vor Anker.

Diese verdammten Wetter- und vor allem Windumschwünge! Hier ganz ruhig, paar Meter weiter bläst es mit 38 Kn einem um die Segeln, worauf man (=wir) gar nicht eingestellt war… Das hat schon so viele Besichtigen-, Tavernen- und Wanderpläne vereitelt!

Angekommen und siehe da, über der versunkenen Stadt Elunda ein zarter Sonnenuntergang.

Und herrliches Wetter am nächsten Tag.

Für weitere (wenige) Fotos hier:

~> Bucht von Spinalonga nach dem Unwetter

Joanna & Marcel, 14. 05. 2010


Bei dem Örtchen Mochlós ankern wir am Freitag Nachmittag und rudern mit dem Dingi zur kleinen, vorgelagerten Insel, auf der eine winzige Kapelle zwischen minoischen Mauerresten steht.

Dazu Wikipedia:

Die kleine, dem Ort vorgelagerte Insel gleichen Namens war wohl in der Zeit der Besiedelung mit dem Land verbunden, die Verbindung jedoch wurde infolge von Erdbeben (1700 v. Chr.) zerstört. Noch heute sind die unter Wasser gelegenen Verknüpfungen zu erkennen. Seit etwa 3000 v. Chr. befand sich hier eine minoische Siedlung. Archäologen vermuten, dass hier der wichtigste Seehafen der Minoer lag. In hausförmigen Gräbern fand man einzigartigen Goldschmuck, der im Museum in Iraklio zu besichtigen ist.

Die Ausgrabungen begannen 1908 unter Richard Seager. 1990 nahmen US-amerikanische Archäologen unter der Federführung der University of North Carolina at Greensboro die Arbeiten wieder auf. Sie dauern bis heute an. Auf Anfrage kann man die Insel mit dem Boot anfahren und betreten.

Letzteres bedeutet: jeder darf auf den Mauerresten herumlaufen. Sie sind außerdem der Witterung ausgesetzt und werden nicht weiter gepflegt, geschweige denn konserviert. So zerfallen die 5000 Jahre alten Reste vergangener Kulturen innerhalb von wenigen Jahrzehnten. Leider ist dieses Vorgehen an vielen archäologischen Stätten in Griechenland zu beobachten.

Natürlich heißt die Kapelle „Agios Nikolaos“. Ich habe dieses mal keine Kerze angezündet.

Man darf raten, wie die Kapelle heißt


Die erste Ausgrabung auf der heutigen Insel unternahm 1908 der Amerikaner Richard Seager, wie Wikipedia uns belehrt. Eine andere Quelle (s.u. bei den Weblinks) spricht von einem griechisch-amerikanischen Team unter der Leitung von Prof. Jeffrey Soles, dieser jedoch offenbar in den 1970ern wirkte. (Die Funde sind in den Museen von Sitía, Ag. Nicolaos und Íraklion zu sehen.) „However“, Seager fand jedenfalls am Westende der Insel einen Friedhof , wo er und sein Team ca. 20 befestigte Gräber, Pithos-Urnen und Grubengräber fanden. Zwei davon identifizierte Seager als „Elitengräber“, da sie reicher ausgestattet, größer ausgebildet und abseits der anderen lagen. Soles zeichnete detaillierte Pläne des Friedhofs und identifizierte alle Gräber.


Der Hauptort liegt auf der Südseite der Insel (dem heutigen Dorf gegenüber), die frühsten datierbaren Gebäude stammen aus der sog. „EM IB“ Zeit. Arthur Evans (der Ausgräber und ‚Erfinder‘ von Knossos-Palastanlage auf Kreta) und Nikolaos Platon (der Entdecker des Palastes von Kato Zakros) unterteilen die minoische Epochen entweder nach den großen Palästen (Platon: Vorpalast, Altpalast etc.) oder nach den Kunst- und Keramikfunden (Evans: Früh-[EM], Mittel- [MM] und Spätminoisch [LM], diese Phasen werden in feinere Abschnitte I, II, III unterteilt. EM= Frühminoisch I B wäre also so zw. 3100-2700 v.Chr. Danach (sehr verkürzt nacherzählt) wuchs die Siedlung stetig an, wahrscheinlich durch den Zustrom von Siedlern aus Zentralkreta. Attraktiv für Siedler waren offenbar die Häfen zu beden Seiten der Landenge und das fruchtbare Land in der Ebene von Mochlós. So fand man auch auf dem Gebiet des heutigen Mochlós Hausreste, die auf eine Ausdehnung der ehem. Stadt hinweisen. (Dazu weiter unten im „More-Tag“.) Wurde Mochlós schließlich durch den Ausbruch des Vulkans auf Santorini zerstört? Oder durch einen Tsunami wie einige spekulieren? Durch ein Erdbeben oder durch zusätzliche Überfälle fremder Völker? Warum eine so alte und mächtige Kultur (die sogar keine Schutzmauern um ihre Städte baute), wie die der Minoer, plötzlich vom historischen Boden der Insel verschwindet, ist immer noch nicht geklärt.


Tja, so sehen die Ruinen aus… Man ist entweder Archäologe, was bestimmt Spaß macht, oder man hat Phantasie, was auch schön ist, die aber bei mir bei Ausgrabungen offenbar versagt. Eins kann ich jedenfalls bisher versichern: die ausgegrabenen Orte – ob Kultstätten oder profane Anlagen – haben eine besondere Ausstrahlung. Sei es wegen der besonders reizvollen Gegend, sei es aufgrund der Tatsache, daß hier eine ‚versunkene‘, uns in gewisser Hinsicht fremde Kultur mit ausgeprägten Sinn für Ästhetik begegnet. Etwas zwischen Bekanntem und Fremden zugleich liegt in diesen Orten ‚versteckt‘.

Obwohl Mochlós als „Geheimtipp“ gilt, das heißt keiner mehr ist (oder bald nicht mehr sein wird), scheint der kleine Ort noch Charme zu haben. Wie Marcel schon geschrieben hat,  war Mochlós ehem. ein Ort mit Landzunge, der heutigen daher gleichnamigen Insel, und offenbar ein sehr bedeutender minoischer Hafen. Im 20. Jh. war es dann bloß ein unbedeutender kleiner Fischerdorf auf dem Festland und im 21. Jh. ein aufstrebender Touristenort. Man kann nur hoffen, daß es dann der sog. Individual- oder Alternativtourismus ist. Es hat jedenfalls eine sehr nette Promenade gesäumt mit Tavernen ohne die obligatorische Durchfahrtsstraße. Abends, vom Schiff aus betrachtet, machte es einen sehr netten Eindruck mit all den bunten Lichtern und der gedämpften friedlichen Stimmung…


Es heißt „Die Einwohner sind friedlich und lustig und verstehen Spaß.“ (aus einer Homepage des Ortes; s.u.)
Das konnten wir nicht überprüfen, denn – wir hatten wieder Pech mit Petrus oder Nikolaus – als wir am Sa. an Land gehen wollten, stürmten diese verdammten (Fall-) Böen mit Windstärken um die 7 bis 8 Bf auf uns nieder und der Anker slippte (heißt: es hielt nicht mehr ‚bombenfest‘). Schade! Am Abend vorher sah alles so nett aus.


Für Interessierte, die diesen Fleckchen aufsuchen wollen – ich kann es nur empfehlen (auch zum Wandern!) – hierlang:

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Marcel, 13. 05. 2010

Am Donnerstag wandern wir bei knapp 30 Grad im Schatten durch die Mirtos- und die Sarakinasschlucht. Subtropische Vegetation bestimmt das Bild der Mirtos-Schlucht. Das Flussbett führt in den enger werdenden Teilen der Schlucht noch reichlich Wasser. In der noch engeren und höheren Sarakinas-Schlucht dachten wir an manchen Passagen an Umkehr, da tiefes Wasser und glattgespülte Felsen das Vorankommen erheblich behinderten.

Ausklang des Tages am Lybischen Meer, das daliegt wie Blei. Gerne würden wir auf unserem nächsten Törn die Route südlich um Kreta durch diesen von afrikanischer Sonne erwärmten Teil des Mittelmeeres befahren. Leider erlaubt uns die knappe Segelzeit lediglich die Nordroute zu wählen, vorbei an zahlreichen Hochburgen des Massentourismus. Hier im Süden spielt der Tourismus noch eine kleinere Rolle. Der Ort Mirtos hat sich auf Individualtourismus vom Typ Oberlehrer und Alternativbewegung der 80er spezialisiert. Man spürt den Geist und die Nachfahren der Hippies, welche den abgelegenen und subtropischen Süden von Kreta in den 70er Jahren für sich entdeckten. Ansonsten ist die Küste geprägt von Gewächshäusern und Plastikplanen, die die zahlreichen Gemüsepflanzungen bedecken.

Joanna & Marcel, 01. 05. 2010

Kato Zakros liegt an der Südostküste Kretas und ist Ausgangspunkt unserer Wanderung ins Tal der Toten. Das kleine Dorf besteht aus einigen wenigen Häusern und ein paar Tavernen direkt am (noch) ruhigen Strand. Es ist nämlich noch früh in der Saison. Wir schlagen uns vom Strand aus ins Landesinnere, vorbei an einem Schilderwald, der auf Pensionen, Wanderwege und Sehenswürdigkeiten verweist. Nach wenigen Metern stoßen wir auf das Ausgrabungsgelände von Kato Zakros. Einer von vier (nach Knossos, Phaistos und Malía) großen minoischen Palästen Kretas wurde hier ausgegraben. Leider hat auf Grund des Maifeiertags die gesamte Anlage geschlossen, so dass wir lediglich einen Blick durch den Zaun auf die  kniehohen Mauerreste werfen können. Der Fund des Palastes war reiner Zufall: Ein Bauer aus dem etwas höher gelegenen Dorf Ano (Ober-) Zakros hatte beim Bestellen seiner Felder immer wieder exakt behauene Steinquader und Tonscherben ans Tageslicht befördert. 1961 begann man mit den Ausgrabungen. Es wurde zunächst vermutet, auf eine minoische Handelsstadt gestoßen zu sein, bevor man sich klar wurde, dass es sich um einen weiteren minoischen Palast handelte. Dieser war im Gegensatz zu den anderen Anlagen dieser Art auf Kreta nicht geplündert worden. Die zahlreichen Funde sind heute im archäologischen Museum in Iraklion und Sitía ausgestellt. Selbst kristallene Vasen wurden hier gefunden.

Einige hundert Meter weiter über die staubige Straße landeinwärts stoßen wir auf eine Kreuzung von Wanderwegen und zu unserer Rechten auf den Eingang ins Tal der Toten, in dem zu minoischen Zeiten die Verstorbenen in hoch über dem Tal gelegenen Höhlen beigesetzt wurden. Hat man die Leichname von oben abgeseilt oder ist man mit den Verstorbenen die steilen Wände zu den Höhlen hinauf geklettert? Das Tal ist gleichzeitig der letzte Teil des Europäischen Fernwanderweges E4 auf Kreta.

Eine ausführliche Beschreibung der Wanderung folgt durch den Ersten Offizier. Hier schon einige Fotos vorab:

Eigentlich hat der Skipper schon alles historisch wichtige in Kurzfassung beschrieben. Mir, dem ‚ersten Offizier‘ (de facto aber General), bleibt nicht viel hinzuzufügen.

So weit das Auge reicht: Thymian, Oregano, Salbei und andere Kräuter, Wälder aus Oleander und Platanen, vereinzelte Olivenbäume. Wir sammeln einige Kräuter für die Küche und die Beduftung des Schiffes oder um die uns unbekannten Arten zu Hause zu bestimmen.

Nach den beiden Schlangenfotos folgt eins, auf dem man die Grabhöhlen von der Seite sehen oder erahnen kann. Ich war etwas enttäuscht, daß man sie nicht erreichen bzw. besichtigen konnte. Zumindest nicht so ohne weiteres. Wir haben es jedenfalls seingelassen, zumal wir keine richtige Wanderkarte dabei hatten, auch fehlte die Kletterausrüstung… Andere haben (wie auch immer) die Höhlen erreicht, ihre Fotos zeigen nichts herausragendes als Höhlen, aber wahrscheinlich war der Weg das Ziel! (s. unter PDF am Ende.) Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch die Schlangen! Mir ist ein ‚mittellanges‘ Exemplar direkt vor den Füßen weggeschlängelt und verschwand im Gras. Ich habe natürlich nachgeforscht, was das für ein Exemplar hätte gewesen sein können, aber es ist schwerer als man denkt, diese für uns Mitteleuropäer selten anzutreffenden Tiere zu bestimmten. Ich denke, meine Begegnung war die Würfelnatter (Abb.1); mir kam sie etwas grünlicher vor aber das Muster könnte stimmen. Entscheidend bei meiner Bestimmung war, daß die Würfelnatter Wasser braucht – und wir waren schließlich in einer Wasserschlucht. Aber es könnte auch eine Vipernatter oder eine (sehr bissige übrigens) Zornnatter (Abb.2) gewesen sein, auch sie lebt in einem ähnlichen Milieu – sie sehen alle irgendwie ähnlich aus, und vor allem: sie ändern ihr Äußeres z.T. beträchtlich je nach dem, wo sie vorkommen!

Hier ein Foto von dem Getier:

Abb. 1  Abb.2

Wir müssen uns entscheiden. Es gibt eine alte Straße zwischen dem höher gelegenen Ano Zakros und Kato Zakros (unten in der Bucht). Wir nehmen den Weg nach rechts, der uns in eine Seitenschlucht führt und teilweise vom markierten Wanderweg abweicht. Die Landschaft wird wieder karger, das Seitental trockener und Schatten sucht man auf der Etappe, die uns zurück führen soll vergebens.

Diese Wanderungsvariante beschreibt das wirklich sehr empfehlenswerte Wanderbuch von Wolfgang Hautumm „Kretische Wanderungen“! Nur just bei dieser Wanderung gibt es keine Karte zur Orientierung, statt dessen sehr unzuverlässige Beschreibungen nach der Natur wie „an dem markanten Felsklotz mit dem einzelnen Baum am Felsen nach rechts oben, wo kaum ein Weg zu sehen ist. Dann an einem Zaun entlang bis dieser einen Knick macht…“ So oder so ähnlich jedenfalls war die Beschreibung des folgenden Wegabschnitts, der uns wieder zurück nach Kato Zakros bringen sollte. Natürlich haben wir uns paar Mal verlaufen bis wir schließlich (nach dem Verzehr einer lebenspendenden Orange und Keksen) einen neu markierten Weg nach K. Zakros gefunden haben. Diesem folgten wir dann brav, bei mir blieb eine leichte Unzufriedenheit, daß wir nicht die schöne (vermutlich) Variante von Hautumm gefunden haben…

Der Rückweg über die Hügel sieht einfacher aus, als er ist. Hier wachsen keine Kräuter mehr, lediglich windgehärtetes und dorniges Gestrüpp. Wer hier versucht, die so häufig unverantwortlich kurzen Gehzeiten der Wanderführer einzuhalten, bricht sich die Haxen, schlägt sich die Knöchel auf und rutscht den Hügel hinunter. Ganz abgesehen davon, dass man nicht von der wunderbaren Landschaft aufnehmen kann.


(Total) geschafft! Wir haben uns ein Abendessen verdient. Es gibt lokalen (etwas zu süßen aber bioangebauten) Wein, Retzina, Schnecken von den von uns erwanderten Hügeln und, da wir erneut zu einem Feiertag im Lande sind, eine extra für die Einheimischen zubereitete Ofenspeise aus Kartoffeln und Ferkel.

Ja, es ist schon der zweite ungeplante Aufenthalt auf Kreta, wo wir einen spezifisch begangenen Feiertag erleben! Dies war also unsere 1.Mai-Wanderung, die ich mit einem wirklich guten Retsina-Wein begossen habe. Laut Fermor soll Weißweingenuß (durchaus in rauen Mengen) nach einer anstrengenden Wanderung die müden Lebensgeister und Füße wieder auferwecken und den drohenden Muskelkater verscheuchen. (Um genau zu sein, muß man es folgendermaßen machen: Erst einen starken Kaffee, den griechischen natürlich, dann entspannen auf einer Terrasse und nun mit dem Weintrinken anfangen, dazu Brot, Oliven und Gespräche. Nachzulesen in: Fermor: Mani.)

Ich ziehe kalten trockenen Rot- oder Weißwein vor. Retsina dagegen schmeckt „wie reines Terpentin, durch die Socken eines Bischofs gefiltert.“ (Nachlesen in: Robert Liddell, Landschaft Apolls. Fahrten durch die ägäische Welt, Zürich-Stuttgart: Fretz & Wasmuth 1957. Ein weiterer Reisebericht aus den 50er Jahren.)

Die kleine Bucht von Kato Zakros wäre sicherlich auch ein schöner Ankerplatz gewesen. Ein sauberer Sandstrand mit schattenspendenden Bäumchen und einigen wenigen Tavernen. Wir machen uns auf den zweieinhalbstündigen Heimweg nach Agios Nikolaos über dunkle Serpentinenstraßen…

Für mehr Infos zum Tal der Toten aus geologischer, kulturhistorischer und botanischer Sicht bitte hierlang:

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