Marcel, 30. 04. 2010

Am Freitag Mittag erreichen wir Chulugi. Ein spontaner Kurztrip über Frankfurt beschert uns ein paar Tage auf dem Schiff. Wir wollen den Freitag und den Sonntag nutzen, ein wenig zu entspannen und einen Spaziergang durch Agios Nikolaos zu machen. Morgen ist eine Wanderung ins Tal der Toten und eine Besichtigung der Ausgrabungen von Kato Zakros geplant.

Die Marina von Agios Nikolaos ist bei weitem nicht so komfortabel wie die in Kos. Die Anlage hat einen etwas robusteren Charakter. Alte Schiffe stehen hier abgewrackt in der Ecke. An anderen rostigen Kähnen wird noch fleißig geflext, um im Sommer die Touristenmassen nach Spinalonga zu befördern. Die Sanitäranlagen haben eher Barackencharakter und das Büro der Marinamitarbeiter ist in einem mobilen Container nahe dem Parkplatz untergebracht. Angeblich, das erfahren wir am Steg, ist Agios Nikolaos aber ein ausgezeichneter Ort zum Überwintern.


Der kleine fast kreisrunde Süßwassersee im Dorfkern von AN hat eine Tiefe von ca. 60 Metern. Tief genug um ihn von den Einheimischen tourismusfördernd als „grundlos“ zu bezeichnen. Um den See herum haben sich die Restaurants vom Typ Tourifalle angesiedelt. Keine zwei Meter kann man gehen, ohne durch übereifrige Kellner in das natürlich „beste Restaurant am Platz“ gelockt zu werden. Best food – good prices! Am gegenüberliegenden Ufer des Sees stoßen wir auf eine kleine, in die Felswand integrierte Kapelle mit geflügelten (Markus-) Löwen auf den Pforten. Darüber ein stilisierter Anker mit zwei Fischen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine weitere Nikolauskapelle, dem Bischof von Myra geweiht (siehe hierzu:  Wanderung von Kekova nach Kale).

Vor dem Fährhafen von AN findet im Schatten eines ankernden Kreuzfahrtschiffes des TUI-Konzerns eine Regatta statt. Kleine Hilfsschaluppen befördern zwischen den Segelbooten die modernen Kreuzfahrer in kurzen Abständen von ihrer schwimmenden Vergnügungshölle zu Eroberungszügen an Land. Sollte ich eines Morgens durch Zauberhand in einer Koje auf einem dieser Ungetüme aufwachen und zu einem Landgang in AN gezwungen werden, wird es bei Herrn TUI persönlich eine Sturmflut von Beschwerdebriefen hageln: Das hab ich nicht gebucht!

Joanna, 26. 04. 2010

ca. 1300.000 v.Chr. (Paläolithikum) Vorgeschichte

Der genaue Zeitpunkt der ersten Besiedlung Kretas ist nicht bekannt. Neueste paläolithische Funde von Steinwerkzeugen werden auf ein Alter von mindestens 130.000 Jahren zurückgeführt, sind indes noch nicht zuverlässig datiert.
Die angeblich mesolithischen Funde aus der Samaria-Schlucht entstanden wohl hauptsächlich durch Begehung. Zu der endemischen Fauna Kretas gehörten Zwergflusspferde, Zwergelefanten, Zwerghirsche (Praemegaceros cretensis), außerdem sehr große Nagetiere und Insektenfresser wie Dachse, Marder und eine landlebende Otterart. Große Fleischfresser fehlten völlig.



In neolithischen Siedlungen wurden bisher keine Knochen dieser endemischen Inselfauna gefunden, sie starb vermutlich vor der Ankunft der ersten Siedler aufgrund der postglazialen Klimaveränderung aus, wie dies auch von anderen Mittelmeerinseln (Zypern, Sardinien, Mallorca) bekannt ist.

Erste eindeutige archäologische Zeugnisse stammen aus dem frühen Neolithikum (Jungsteinzeit) und werden auf ca. 6000 v. Chr. datiert. Hier sind besonders die akeramischen Schichten von Knossos bedeutsam. In dieser Periode betrieb man Ackerbau. Erst seit ca. 5500 v. Chr. wurde auch Keramik hergestellt.

3000-1100 v.Ch Minoische Epoche
3000 v.Chr. Erste europäische (minoische) Kultur in den Palästen von Knossos, Maliá, Féstos
Ca. 1450 v.Chr. Der Ausbruch von Vulkanen auf Santorin beendet das minoische Reich und die kretische Vorherrschaft (dies ist eine der populären Annahmen; eine andere geht von geschwächter politisch-wirtschaftlicher Struktur und Krieg aus).
1100-67 v.Chr. Griechische Epoche
Ab 1100 v.Chr. Einwanderung von Achäern und Dorern vom griechischen Festland; Reste der „echten“ Kreter (Eteokreter) ziehen sich in die Gebirge zurück.
480-67 v.Chr. Klassische (hellenistische) Zeit, in der Griechenland unter der Regierung von Perikles aufblüht, Kreta dagegen verkommt zu einer Insel der Seeräuber, die den Handel im Mittelmeer empfindlich stören. In dieser Zeit verdingen sich viele Kreter als Söldner – kretische Bogenschützen waren schon im Mittelalter bekannt und gefürchtet.
67 v.Chr.-385 n.Chr. Römische Epoche
67 v.Chr. Kreta fällt an die Römer, die mit Gortís (Gortyn) in der Messará-Ebene eine neue Hauptstadt errichten.
58 n.Chr. Kreta gerät in Berührung mit der christlichen Kultur: Der Apostel Paulus landet auf Kreta und lässt hier Titus (seinen besten „Mitarbeiter“) zurück [daß Paulus auf Kreta war, ist nicht gesichert, wird aber angenommen]. Titus wird der erste Bischof Kretas und damit zugleich erster Bischof in und von Europa; die Christianisierung der Insel beginnt.
395-824 Erste byzantinische Epoche
395 Kreta fällt an das christliche Ost-Rom (Byzanz) und wird christlich.
824-961 Arabische Epoche
824 Der arabische Heerführer Abu Hafs Omar landet, von Spanien kommend, in der Bucht von Matalá, erobert Kreta und errichtet in Iráklion, damals unbedeutender Hafenort, die Festung Rabd el Chandak (daher der alte Name „Chandia“ für Iráklion), die zum Zentrum des mediterranen Sklavenhandels und der Seeräuberei wird; die kretische Bevölkerung wird, sofern sie nicht fliehen kann, in die Sklaverei verkauft.
961-1204 Zweite byzantinische Epoche
961 Der byzantinische General und spätere byzantinische Kaiser Nikephoros Phokás vertreibt die Araber von der Insel.
1204-1669 Venezianische Epoche
1204 Im 4. Kreuzzug wird Byzanz geplündert und das Byzantinische Reich aufgeteilt: Kreta fällt an Venedig, das Kreta 1204 für den günstigen Preis von 10.000 Silbermark erwirbt. Die Insel wurde zur wichtigsten venezianischen Kolonie. Es  siedelten rund 4000 Venezianer auf die Insel über und nahmen Feudalgüter in Besitz. Doch die Kreter wehrten sich in etwa zehn Aufständen, die das ganze 13. Jahrhundert durchzogen – letztlich ohne Erfolg. Zugleich unternahmen Genua und Byzanz (bzw. Nikaia) mehrere Versuche, die Insel zurück zu erobern. Die Einwohnerzahl wuchs von rund 50.000 auf 200.000 an. Die Hauptstadt Candia wurde zu einem der wichtigsten Handelsrelais im östlichen Mittelmeer. 1363–1366 rebellierten die venezianischen Siedler selbst gegen die harte Handelspolitik der Mutterstadt – ebenso erfolglos wie zuvor ihre griechischen Mitbürger.



Die Insel wird wichtiger venezianischer Stützpunkt der Seemacht Venedig, die männliche Bevölkerung wird zum Galeerendienst gepresst. Überall auf der Insel werden Festungen gebaut, um sowohl die einheimische Bevölkerung, die ihren orthodoxen Glauben jedoch behalten durfte, als auch die feindlichen Nachbarn und die Seewege zu kontrollieren. Die hinzuziehenden Venezianer verbünden sich häufig mit den Kretern, es gibt Aufstände gegen die venezianischen Herren.

1453 Nach dem Fall Konstantinopels im Jahr 1453 flohen viele Festlandgriechen nach Kreta, die Insel war jetzt das größte griechische Siedlungsgebiet außerhalb des Osmanischen Reiches. Die kulturelle Tradition von Byzanz wurde, gemischt mit italienischen Einflüssen, noch 200 Jahre fortgeführt. Man spricht von der Byzantinischen Renaissance. Eine der bekanntesten Persönlichkeiten dieser Periode war der Maler Domínikos Theotokópoulos, der in Spanien als El Greco (der Grieche) berühmt wurde, jedoch auf Kreta als Ikonenmaler begonnen hatte.
1645-1898 Türkische Epoche
1645 Eine riesige Flotte türkischer Schiffe landet in der Sudabucht vor Chaniá und beginnt mit der Eroberung Kretas. Iraklion leistet 24 Jahre Widerstand und fällt als letzter und wichtigster venezianischer Stützpunkt an den Sultan. Die Bevölkerung war den Türken zunächst wohlgesonnen, da sie kurzsichtig die Vertreibung der Venezianer feierte und sich eine wie auch immer im Konkreten gedachte Freiheit erhoffte. Teils durch wirtschaftlichen Druck, teils durch nackte Gewalt wurden viele der Kreta zum Übertritt zum Islam gezwungen – die bis dahin düsterste Epoche Kretas beginnt. Zahllose Aufstände (darunter: Daskalojánnis 1770; Arkadi 1866) und die jeweils darauf folgende blutige Vergeltung markieren diese bis heute im Bewusstsein der Kreter lebendige Epoche.



Unter der Herrschaft der Osmanen konvertierten viele Kreter zum Islam. In den Städten bildeten Moslems bald 70 % der Bevölkerung und die Christen waren in der Minderheit. Auf dem Land waren hingegen nur ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung Moslems. Widerständler gegen die osmanische Herrschaft zogen sich in unwegsame Gebiete wie die Sfakia zurück. Dort begann der erste kretische Aufstand gegen die türkischen Besatzer unter Daskalogiannis im Jahre 1770, er wurde jedoch blutig niedergeschlagen.

1821 Der Aufstand von 1821 gegen die Türken markiert auf dem griechischen Festland den Beginn der Freiheit. Mehrere Aufstände auf Kreta werden jedoch niedergeschlagen, der Druck des auf die Bevölkerung wird noch härter.
1866 Aufstand im Bezirk Réthymno. Unter der Leitung des Abtes Gavriel Marinákis, Abt im Kloster Arkadi, sprengen sich, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen, mehr als tausend Frauen, Kinder und Männer in die Luft.
1898 ff. Die Neugriechische Epoche
1898 Aufgrund des Massakers an der kretischen Bevölkerung Aug. 1898 in Iráklion, bei dem auch der britische Konsul und 17 englische Soldaten umkommen, intervenieren endgültig die Großmächte militärisch und erobern die Insel endgültig. Prinz Georg, der Sohn des griechischen Königs, wird von den Alliierten als Hochkommissar der Insel eingesetzt.



Seit 1898 war Kreta de facto ein unabhängiger Staat unter der nominellen Oberhoheit des Sultans.

1910 Der Kreter Eleftheriou Venizélos (der spätere griechische Ministerpräsident) betreibt die Vereinigung Kretas mit Griechenland und hat Erfolg bei der Rückgewinnung vieler vom Osmanischen Reich annektierten Gebiete Griechenlands. 1913 wurde die Insel in Folge des Ersten Balkankriegs mit Griechenland vereinigt.
1923 Nach dem griechisch-türkischen Krieg (1919-1922; „Kleinasiatische Katastrophe“; Exodus des Ersten Weltkriegs ging dem voraus: Völkermord an Armeniern und Griechen von Türken verübt) und dem Vertrag von Lausanne wurde die muslimische Bevölkerung Kretas zwangstumgesiedelt. Auswahlkriterium bei dieser Vertreibung war primär die Religionszugehörigkeit, nicht die ethnische Zugehörigkeit, d.h. auch griechischstämmige muslimische Familien wurden ausgewiesen; dafür wandern Griechen aus Kleinasien, die dort wiederum vertrieben wurden, nach Kreta ein.
1941-1945 Das deutsche Kapitel
1941 Während des Zweiten Weltkrieges standen 1941 griechische, britische und neuseeländische Truppen auf Kreta. Sie sollten die Insel gegen die Deutschen und Italiener halten, um die britische Schiffahrt im Mittelmeer zu sichern. Das gelang nicht, ab dem 20. Mai 1941 war Kreta Schauplatz des ersten großangelegten Luftlandeangriffs im Zweiten Weltkrieg, mit dem Ergebnis, dass die Deutschen die Insel eroberten.



Der anschließende Partisanenkampf, dem sich große Bevölkerungsteile anschlossen, führte zu eskalierenden Kriegsverbrechen.

So wurden auf Befehl von Generaloberst Kurt Student am 2. Juni 1941 die meisten männlichen Bewohner des Ortes Kondomari erschossen und Stadt Kandanos zerstört. In der Gemeinde Viannos wurden am 14. September 1943 500 Bewohner, zumeist Frauen und Kinder erschossen.

Am 20. Mai 1944 umstellten Einheiten unter dem Befehl des deutschen Kommandanten der „Festung Kreta“ General Bruno Bräuer das jüdische Viertel (278 Mitglieder) der Stadt Chania. Flüchtende Einwohner wurden erschossen, alle anderen per Schiff nach Iráklion gebracht und zwei Wochen später nach Griechenland deportiert. Der ehemals griechische Frachter Tanais (Danae), der die überlebenden Mitglieder der jüdischen Gemeinde zusammen mit Hunderten griechischer Geiseln und einigen italienischen Kriegsgefangenen nach Athen bringen sollte, wurde am 9. Juni 1944 von dem britischen U-Boot Vivid torpediert und sank. Nur vier der jüdischen Einwohner Chanias sollen überlebt haben.

Bis zum Herbst 1944 blieb die gesamte Insel unter deutscher Besatzung. Die letzten Soldaten des deutschen Küstenjägerregiments wurden erst einen Monat nach Kriegsende von den Alliierten in Chania entwaffnet.

Während der Besetzung kamen etwa 8.000 Kreter bei Kämpfen oder bei Massakern zu Tode. Bruno Bräuer wurde nach Kriegsende an Griechenland überstellt und zum Tode verurteilt. Mit dem ebenfalls wegen Kriegsverbrechen auf Kreta verurteilten General Friedrich-Wilhelm Müller wurde er am 20. Mai 1947 um 5 Uhr hingerichtet. Als bemerkenswert gilt ferner auch die Entführung des deutschen Generals Heinrich Kreipe am 26. April 1944 von Kreta nach Ägypten durch den britischen Special Operations Executive – namentlich Patrick L. Fermor – in Zusammenarbeit mit kretischen Partisanen (diese Entführung wurde mit blutigem Terror der deutschen Besatzung beantwortet, dem tausende von kretischen Einwohnern zum Opfer fielen z.B. Anógia, Kándanos, Ano Viános u.a. Dörfer).

1945 Die deutschen Truppen ziehen ab; Kreta ist wieder frei.



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Joanna, 21. 04. 2010

Ich erspare mir und dem Leser all jene einfach zu findenden Daten zu Größe, Anwohnerzahl etc. von Kreta und sammle statt dessen etwas über die Herkunft unserer „Gartenzwerge“:

Idäische Daktylen aus Kreta = Dactylii Daei oder Idæi Dactyli: die ersten Bergbauer und unsere späteren Gartenzwerge

[gr. Relief, ca. 500 v.Ch.]

Die kretischen Daktylen (=Finger) sind es nämlich, die auch unsere Sagen um die Zwerge mit ihren schlappigen großen roten Mützen mitgestaltet haben.

Die Daktylen kamen aus Kreta, genauer aus dem Ida-Gebirge, daher ihr Beiname „Idäisch“,  und waren später sagenumwobene Bergleute. So zumindest die eine Variante ihrer vielfältigen Sage, der ich kurz nachgehe möchte.

Bei den Daktylen handelte es sich jenseits der Mythen wahrscheinlich um kleine, gut gebaute Menschen/Männer, die im Dienste der Könige und Fürste standen. In den Mythen werden sie u.a. zu dienstfähigen Dämonen oder Zauberwesen und kleinen Göttern, die wiederum im Dienste der Mutter-Göttin Rhea standen. Um sich ein wenig in dem Wust der griechischen Mythologie zurecht zu finden, ist es nicht unwichtig zu wissen, wie Rhea zu Kreta steht: Sie ist die Tochter der Ur-Mutter aller Götter, Gaia und des Himmels, Uranos. Rhea ist somit eine der Titaninnen. Geichzeitig ist sie die Ehefrau ihres eigenen Bruders Kronos, der seinen Vater Uranos entmannte, und die Mutter von Zeus ist. Sie gebahr Zeus auf Kreta und versteckte ihn vor seinem Vater, der seine eigenen Kinder verspeiste (damit sie ihn nicht entmachten), in einer der Ida-Berghöhlen (heute zu besichtigen). Das heißt, sie versteckte ihn in eben jenen Höhlen, in denen auch die Daktylen wohnen oder arbeiten sollten. Vielleicht sind sie es auch, die sich um den kleinen schreienden Zeus kümmerten, damit der Vater Kronos ihn nicht hörte (sie veranstalten Lärm), fand und verspeiste, was er auch nicht tat.

Zu Rhea gebe es einiges Interessante zu berichten, da sie häufig als Dreieinigkeit auftritt, und wahrscheinlich einige andere matriarchalische Göttheiten in sich vereint, darüber hinaus auch eine Rolle in der modernen Psychoanalyse spielt (neben der Entmannung natürlich).

Zurück zu den Daktylen in den Ida-Höhlen: Ihr Name gilt als Schlüssel für ihre Herkunft und ihre Aufgaben. Der Interpretationsmöglichkeiten gibt es viele, warum sie „Finger“ hießen. Strabo, unser antiker gr. Geschichtsschreiber und Geograph, berichtet schlicht, sie hießen so, weil sie die Berghänge bebauten (mit den Händen/Fingern arbeiteten). Sie sollen auch die „Urkreter“ sein.

Als Zauberwesen sind sie in der Mythologie eng mit der Erfindung der Erznutzung, der Erzschmelze und der Tätigkeit des Schmiedens verbunden, derer die Minoer – die erste und das „goldene Zeitalter“ einläutende Herrscherkaste (ein Matriarchat) – so sehr bedurften. Sie sind möglicherweise, wie andere Quellen vermuten, mit den Minoern nach Kreter eingewandert.

[vgl. unter: http://www.textlog.de/40724.html]

Tatsächlich gilt Kreta als das Land der frühsten Eisenerzgewinnung und Verarbeitung. Für den Bergbau – wie überall später auch – bedurfte man zuerst kräftige Männer, die aber von kleinem Wuchs waren, in Europa bis ins 19. Jh. hinein waren es bspw. auch Kinder, die sich in den engen Flözen (Abbauröhren und -adern) besser bewegen konnten und weniger Abraum produzierten. Man muß sich diese kleinwüchsigen Arbeiter als mit einer ledernen Schürze und mit einer mit Schafswolle ausgestopften Zipfelkapuze (als Kopfschutz vor Verletzungen) bekleidet und einem Öllämpchen und einer Kreuzhacke ausgestattet vorstellen. Für unkundige Beobachter müssen sie wie von Zauberhand unsichtbar gemacht in dem Berg verschwunden sein, in Wahrheit aber in den winzigen Löchern und Schächten von ca. neunzig Zentimeter Höhe und einem halben Meter Breite. In dieser Tätigkeit der ersten Bergleute ist der Ursprung unserer Märchen um die Zwerge und Gnomen zu sehen.

[Handschrift „Aurora consurgens“ (um1420),  ehem. Klosters Rheinau, heute Stadt-Bibliothek Zürich]

Die rote Zipfelmütze ist kulturgeschichtlich die sog. „phrygische Mütze“, die Bestandteil der Zunftkleidung „frühgeschichtlicher zwergenhafter Bergleute [der Idäischen Daktylen] in Griechenland und auf Kreta war“, so berichtet Die Zeit (vom 19.11.1982 Nr. 47, s.u.). Und weiter heißt es dort: “ Die Fingermännchen waren winzig genug, um im Altertum für Fürsten und Herrscher Bergbau betreiben zu können. Sie sollen von Griechenland über den Balkan nach Österreich und Deutschland gezogen sein. In alten Bergwerken in Thüringen und Westfalen fand man Hacken, deren Kupfer mit dem kretischen Kupfer identisch war. Bei Meschede wurden 90 Zentimeter hohe und 35 Zentimeter breite Stollen und Schächte entdeckt.“ Die „phrygische Mütze“ übernahmen die Kreter wahrscheinlich von den Phrygern, einem indoeuropäischen Volk, das im 8. Jh. v. Chr. in Anatolien ihr Reich gründete.

Die bronzezeitliche Kultur um 4500 v.Chr. bedurfte bereits Unmengen an Edel- und Halbedelmetallen (entspr. den archäologischen Funden, auch als Grabbeigaben) und Kreta war nicht übermäßig reich an diesen Rohstoffen. So wanderten die Kreta, das heißt die Daktylen (Fingermännchen, Däumlinge, Zwerge), nach Asien und ins nördlich-östliche Europa aus, um von da aus die Erze zu liefern.  Prof. Heinrich Quring (Geologe, Mineraloge, ehem. TU Berlin) konnte zahlreiche Bergwerke nach kretischen Muster auf gr. Festland, auf dem Balkan, in den Karpaten, in Sachsen und Thüringen und im Hochsauerland in der Zeit von 2000 bis 1900 v.Chr. nachweisen.

Daktylen sind also als die Vorfahren oder die ersten Kumpel zu sehen?

Mythologisch sind sie die Anverwandten des von dem Vater Zeus oder der Mutter Hera verschmähten Sohnes und Schmiedegotts Hephaistos (Hephästos). Seine ägyptische Entsprechung, der Gott Ptah (der Weltbildner, Erderschaffer und Bergwerksgott), wird auf einigen Darstellungen von kleinwüchsigen Bergleuten begleitet. Und da diese Männer Edelmetalle förderte und sicherich die entdeckten Metallmienen eifersüchtig hüteten auch Neider und ‚Fremdenhasser‘ produzierten, so sind die europäischen Sagen und Märchen voll von guten und bösen Zwergen, die sagenhaft reich sind oder Schätze horten und vergraben (in Bergen und Höhlen natürlich).

Übrigens…

Auch eine „phrygische Mütze“ zeigt Giovanni Bellini auf dem Gemälde „Der Doge Leonardo Loredan“, der den „Corno“ (Horn) trägt (um 1501, National Gallery, London). Tatsächlich waren die Dogen in ihrer Machtausübung so klein wie Zwerge… dafür aber prächtig ausstaffiert.

„Die phrygische Mütze, das revolutionäre Zeichen überwundener Kultureselei. Denn König Midas schuf diese Mütze, um die ihm vom Gotte Dionysos verpassten Eselsohren zu bedecken – eine pädagogisch wertvolle Maßnahme, weil der König auf diese Weise ständig daran erinnert wurde, wie arm im Geiste und schwach am Charakter der Wunsch von Menschen ist, es möge alles, womit sie zu tun haben, sich in Gold verwandeln, und jede Unternehmung zur Gewinnmaximierung führen, weil das Maß aller Dinge das finanzamtlich eingeforderte Gewinnstreben sei.“ Bazon Brock, Asketen des Luxus, Gründung eines Konvents der goldenen Eßstäbchen

Und auch der Versmaß „Daktylus“ kommt von diesen ersten sagenumwobenen Bergleuten aus Kreta: sie sollen in der Kunst der Erzgewinnung und Verarbeitung auch deren Rhythmus gefunden haben: „Der Daktylus (gr. δάκτυλος, dáktylos, „Finger“) bezeichnet in der Metrik einen Versfuß und auch ein Metrum aus hintereinander einer schweren (langen) und zwei leichten (kurzen) Silben (vier Moren)“, soweit Wikipedia dazu. Die Homer zugeschriebene Illias, das älteste schriftlich verfaßte Werk Europas, ist in diesem Versmaß verfaßt.

Literaturquellen

Vgl. unter anderem:

„Gold und Gartenzwerge“, in: Rainer Karbe/Ute Latermann-Pröpper: Kreta – Anders Reisen, 1986;

Heinrich Quring: „Geschichte des Goldes“, 1948;

Artikel in der Zeit vom 19.11.1985;

Thomas Brinkmann: „Der Gartenzwerg in seiner historischen Erscheinung“ [eine gute Zusammenfassung auch in Bezug auf die Kretischen Bergleute und die späteren Sagen];

Das sehr interessante Buch von Karl Hoeck (Prof. der Uni Göttingen), das es online zu lesen gibt unter (S.277 ff.):

Und hier:

Marcel, 04. 04. 2010

…ist die traditionelle griechische Ostersuppe und wird nach dem mitternächtlichen Ostergottesdienst gegessen. Es ist zu spät für ein Festessen, aber die rechte Zeit für eine Mitternachtssuppe. Jedermans Geschmack ist die Suppe aber sicher nicht. Interessanterweise schmeckt den meisten Touristen die Mageritsa ganz gut, solange man ihnen nicht sagt was drin ist! Sie besteht aus Innenereien vom Lamm – Darm, Lunge, Herz, Leber, die beim Schlachten und Ausnehmen des Osterlammes angefallen sind. Traditionell wird an Ostern ein Lamm geschlachtet. Das Fleisch wird gebraten (oft am Spieß), aus den Innereien wird die Magiritsa gekocht. Neben den Innereien kommt Fleischbrühe, Eier, Zwiebel, Petersilie und Zitronensaft in die Suppe. Oft wird auch Reis in die Magiritsa zugegeben.

Da mein erster Offizier auf Innereien steht, wird pünktlich zum Fastenbrechen (natürlich hatten wir gerade ein festliches Essen verputzt!), streng dem Glaubensbekenntnis des Gastronauten verpflichtet, um 0000 eine Portion der Suppe geordert. Der aus Bulgarien stammende Kellner rümpft die Nase und fragt ob wir wirklich sicher seien, dass wir die Suppe bestellen wollten. Joanna schmeckt sie ausgezeichnet. Da ich Innereien nur zur Aromatisierung von Gerichten einsetze (Bologneser oder andere Ragouts) oder als Pastete konsumiere, hält sich meine Begeisterung für die Suppe in Grenzen. Erinnert ein wenig an Schwarzsauer.

Marcel, 03. 04. 2010

Am Samstag vor unserer Abreise erreichen wir nach 189sm die Marina in Agios Nikolaos. Der Ort erscheint von See größer, als er eigentlich ist. Jedoch ist Agios Nikolaos einer der Haupttourismusorte von Kreta und entsprechend stellt sich die Ansicht der Stadt vom Wasser dar.

In der Marina werden wir freundlich in Empfang genommen. Man hilft uns beim schwierigen Anlegemanöver römisch katholisch. Rückwärts unter Maschine – das erfordert mit dem langen Kiel noch eine Menge Übung. Nach dem Anleger haben wir noch einiges an Arbeit vor uns. Das Deck will geschrubbt und entsalzt werden, die Fock wird abgeschlagen und gestaut, Springleinen werden gesetzt, unter Deck wird gesaugt, geputzt und poliert…

Am Abend – wir sind gegen 2200 mit der Arbeit fertig und geduscht – suchen wir uns ein Restaurant mit gemütlichem Innenhof in der Nähe des alten Hafens, direkt neben einer orthodoxen Kirche. Um 2300 beginnen die Glocken zu läuten – eine geschlagene Viertelstunde: Ankündigung der Osternacht. Nach und nach versammeln sich die Gemeindemitglieder in der Straße vor der Kirche und prozessieren kurz vor 2400 mit den Osterkerzen zum kleinen Süßwassersee in der Altstadt.

Bereits am Nachmittag des Ostersamstags ist der Scheiterhaufen zur „Judas-Verbrennung“ vorbereitet worden, begleitet von ununterbrochenem böllern, das bis weit nach Mitternacht geht. Der Scheiterhaufen in AN ist auf einer schwimmenden Bühne inmitten kleinen Sees errichtet worden. Um Mitternacht verkündet dann der Pope nach dem Auferstehungs-Gottesdienst die Auferstehung Christi: „Christos anesti„. Die Antwort der Gläubigen ist „alithós anesti„, er ist wirklich auferstanden. Danach setzt sich die Kerzenprozession in Gang, der Scheiterhaufen wird entzündet und der Judas (unter gesteigertem böllern und Feuerwerk) verbrannt.

Joanna, 02. 04. 2010

Spinalonga ist eine geschichtsträchtige wenn auch winzige Insel, die als Pfropfen vor einer langen lagungenartigen Bucht liegt.

Sie ist ca. 15 Km von Ag. Nicolaos und 5 Km von Elounda entfernt. Elounda war übrigens ein ehemals geschichtlich interessanter Ort bis sie im Wasser untergegangen ist. Jetzt ist sie zu dem Touristenort mit den teuersten Hotels aufgestiegen. Natürlich haben wir uns diese ‚Sehenswürdigkeit‘ erspart.

Auch die lange Halbinsel, die mit Festland durch einen Damm verbunden ist, trägt den gleichen Namen, was natürlich zu anfänglicher Verwirrung beiträgt.

Was die Insel Spinalonga bekannt bis berühmt machte, ist ihre jüngste Vergangenheit…

UNSERE TOUR

Als wir in der Bucht ankamen, wehte es bereits frisch bei blauem Himmel, was typisch war (für die Ägäis).

[Spinalonga: Fort und Lepradorf]

Als unseres Beiboot – das neue Bananaboot – und der Rucksack gepackt waren, begann das Wetter etwas ungemütlicher zu werden (typisch für unsere gemeinsamen Ausflüge), so daß ich Bedenken bekam, Chulugi alleine zu lassen. Wie immer bin ich da etwas ängstlicher, wenn das Schiff nur an einer Metallkette hängt…

Wir wollten uns aber unbedingt diese Insel anschauen und es schien eine touristenfreie Zeit zu werden, denn die permanent pendelnden kleinen Ausflugsboote wurden eine ganze Zeit schon nicht gesichtet.

Nach einer längeren Überfahrt mit dem hoppeligen weil zu leichten Bananaboot kamen wir an dem offiziellen Anleger der Insel an. So ganz ohne die Horden an Touristen, die sonst mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen, wirkte der Ort bereits hier am Wasser schon sehr historisch-romantisch.

[Ein Blick vom Anleger zu Chulugi rüber]

Die Café-Bude oder die Snackbar und auch das Info- (oder Billet-) Häuschen hatten zu… leider auch die Pforten zu dem Lepradorf. Nach meiner bewerten Methode – beim Wandern und Kunstbesichtigen ist ein Verbotszeichen ein bloß zu überwindender Richtwert – kletterten wir über die Zäune und auf das ‚verbotene‘ Areal der ehem. Station und der venezianischen Festung.

Es erübrigt sich zu sagen, daß jetzt das Wetter eindeutig in Richtung Sturm umschwenkte, es pfiff uns dermaßen um die Köpfe, daß ich mich am Fort angekommen an den Felsen kurzzeitig ducken und festhalten mußte, um weiterzukommen! Selbstverständlich ging ich davon aus, daß Chulugi sich vom Anker löst und bereits kurz vor den Felsen liegt.

Das verlassene Dorf selbst hat eine gute Stimmung. Ganz in der Sonne gebadet, friedlich und ruhig, lädt es zum Verweilen (was wir nicht konnten) ein. Natürlich spielt das Wissen um die jüngste Vergangenheit des Ortes eine gute Nahrung für die Phantasie, so daß ich mich kurzzeitig fragte, wie ansteckend Lepra eigentlich sei (siehe unten im Blog).

Das ist die Hauptstraße des Dorfes. Sie erinnerte mich an türkische Märkte. Vielleicht ist sie tatsächlich in der türkischen Zeit entstanden. Der Blick in die (verschlossenen) Fenster zeigte meist einen großen Raum mit offener Zwischenetage, vereinzelt waren Fotographien, Gerätschaften u.ä. zu sehen, so daß ich vermute, hierbei handelt es sich in der Touristensaison nach wie vor um Geschäfte ganz in der türkischen Manier, und vielleicht auch so etwas wie Infostellen mit musealen Charakter.

Die obligatorischen Kirchen bzw. Kapellen und ihre Miniaturabbilder als kleine Kapellchen, in das man Heiligenbilder, Blumen und Lichter einstellt (hier war nichts drin, wahrscheinlich haben Touristen sie ausgeräumt – als Souvenirs versteht sich), sind auch auf der Insel zu finden.

Natürlich sind die beiden Inselkirchen verschlossen gewesen, auch von wann sie stammen, weiß ich nicht mehr zu berichten. Diese hier hatte eine eingelassene, wahrscheinlich ältere Schriftplatte, die ich leider nicht entziffern konnte.

An dieser Seite der Insel angekommen, konnten wir den sich mittlerweile ordentlich aufgebauten Sturm ‚bewundern‘ und uns Sorgen machen über den Zustand von Chulugi.

Der Regenbogen machte die Situation nicht besser – wir blieben aber äußerlich gelassen. Gleich sollten wir an unsere Einstiegstelle über den hohen Zaun kommen…

Aber vorher gab es noch einen sehr schönen Ausblick auf die zum Greifen nahe Halbinsel des gleichen Namens „Spinalonga“. Ich mochte die kleinen Buchten sehr gerne, vermute aber, daß in der Saison einfach zu viele Ausflugsboote diese Meerenge belegen und Tonnen an lärmenden Touristen für einige Stunden an Land bringen.

So war es aber noch sehr friedlich und ruhig (abgesehen vom Windpfeifen und der inneren Unruhe, zumindest bei mir).

Wie es sonst auf Spinalonga vor sich geht, zeigt dieses Foto, daß ich aus einem Inselbericht kopiert habe:

Als wir schließlich unterhalb des Forts ankamen, bot sich unserem Blick folgendes kleines Schauspiel:

Ich fragte mich, wie wir in dieser Nußschale das Schiff erreichen sollen… auch wenn das Foto (wie immer beim stürmischen Wetter) die gefährliche Stimmung nicht wiedergeben kann, so möge man es mir glauben: ich hatte Angst, mit der Nußschale von 20 Kg Gesamtgewicht zu kentern!

Na ja, wir haben es dann doch beinahe unbeschadet geschafft.

Diese Insel ist in der Saison in der eisernen Hand der Touristikbrange. 3 bis 4 Touriorte starten organisierte Ausflüge dorthin. Ag. Nicolaos mindestens 10 Mal am Tag, von Elounda (ein ‚Top-Touriort‘ an der Bucht) geht es halbstündlich und das gleiche von Plaka (das Dorf gegenüber der Insel), dazu kommen noch einzelne kleine Fischerboote und Fähren hinzu. Natürlich nimmt man auch Eintritt für die Besichtigung der Anlage.

Ein Autor einer Kreta-Internetseite berichtet über die organisierten Ausflüge auf diese Insel:

Es gibt Angebote mit Mittagessen und ohne – sowie mit Führung und ohne. Eine Führung, in einer Sprache die man verseht, ist sinnvoll. Etwa die Hälfte der Boote bietet Führungen auf Deutsch an. Kosten der Boote etwa 12 bis 20 Euro ohne Essen – mit Führung im oberen Bereich dieser Preisspanne. Die Ausflugsfahrten dauern etwa 4-5 Stunden. Die Vorbeifahrt unterwegs an der versunkenen Stadt Olous ist inklusive.

Die Wohnhäuser, das Krankenhaus, die Kirchen usw. der Leprakranken blieben erhalten und können heute besichtigt werden. Man kommt mit dem Boot im Süden von Spinalonga an. Der Rundweg um die Insel ist etwa 1,5 km lang. Geht am Hafen links kommt man nach wenigen Meter in die Wohnsiedlung. Einige der Häuser sind restauriert, in ihnen sind nun Fotoausstellungen und ein Informationsbüro.

Auch die kleine Kirche wurde vor wenigen Jahren renoviert. Interessant ist der Desinfektionsraum. Es wurde Angehörigen erlaubt, ihre Kranken Verwandten auf Spinalonga zu besuchen. Sie wurden bei dem Verlassen der Insel hier mit einer Säure desinfiziert. Auch das Krankenhaus, den Friedhof, das Wassersystem sollte man sich anschauen. Für viele Touristen ist auch die Besteigung des großen venenzinanischen Forts, zu dem man auf rutschigen Wegen hinaufgehen kann, eine Höhepunkt der Inselbesuchs. Von oben hat man einen super Ausblick auf Plaka, Elounda und die gesamte Umgebung. Am Ende des Rundgangs ist ein einfache Snackbar. Hier gibt es Wasser, Cola, Chips u.ä. (Preise ok).

[unter: http://www.kreta-reise.info/Hauptseiten/spinalonga.htm]

Geschichte:
Venezianer, Türken, Lepra

Die Geschichte von Spinalonga beginnt im 15. Jh. als die Venezianer dort eine Burg und ein enormes Fort errichteten. (Gesichte Kretas in Daten.) Als 1646 die Türken Kreta eroberten, hielte die Venezianer auch bei anhaltenden türkischen Angriffen noch fast weitere 50 Jahre die Festung. Ein solches Fort auf einer Insel, zudem mit einem so enormen Mauernumpfang war zu dieser Zeit praktisch uneinnehmbar. Als sie diese endgültig aufgaben, siedelten sich um 1700 türkische Familien dort an. Davon zeugen einige Häuser auf der Insel, die in ihrer Bauart mit der typischen markt- bzw. verkaufsartigen Frontsituation an türkische Basarstraßen/-häuser erinnern. Noch Ende des 19. Jh. lebten mehrere Dutzend türkische Familien auf der Insel, die das dortige ehemalige venezianische Dorf übernommen und erweitert hatten.

Das Dorf der Insel ist zu der sog. „Lagune“ ausgerichtet, und blickt zum Ort Pláka, von wo aus heute die meisten Touristenboote die Überfahrt nach Spinalonga gewährleisten. Die Meerseite der Insel weist (heute) keine Gebäudekomplexe auf, außer der schön gelegenen kleinen Kirche und der Wehrmauer natürlich.

Mit dem Jahr 1913 beginnt ein neuer Abschnitt auf Spinalonga, der das Eiland berühmt-berüchtigter machen sollte als die vorhergehenden Epochen: Die Insel wird zu einer Leprakolonie umgewandelt – alle Einwohner von Kreta, welche an der Lepra erkrankt waren, wurden nach Spinalonga verbannt, da man sich vor Lepra fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. In den schlimmsten ‚Spitzenzeiten‘ der Krankheit waren über 1000 Kranke auf der Insel. Daß es dort Armut und große Not herrschte, berichten einige Reisende – vor allem Durrell, der sich dorthin traute, was allerdings auch großer Überredungskünste bedurfte, um einen Bootseigener davon zu überzeugen, daß Lepra nicht so ansteckend ist, wie alle meinten.

Übernachtungen auf der Insel, selbst von engsten Verwandten, waren strengstens untersagt, Besuche stets mit kompletter Desinfektion verbunden. In der ersten Jahren und Jahrzehnten waren die Lebensbedingungen dort am erbärmlichsten. Die Kranken lebten in heruntergekommenen Häusern auf engstem Raum, die medizinische Versorgung blieb äußerst notdürftig. Erst im Laufe der Jahre verbesserten sich die Lebensbedingungen, vor allem durch die Selbstorganisation der Kranken.

Sie bebauten das kleine Eiland zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, organisierten Unterricht für ihre Kinder, webten, töpferten etc. Später soll es hier auch ein Kino und so etwas wie ein Kulturzentrum gegeben haben. Dies ist jedoch höchstens in der letzten und abschließenden Phase der Leprainsel um 1950 denkbar, als die Krankheit durch die medizinischen Entdeckung ihren Schrecken langsam verlor. Spinalonga blieb jedoch für die dorthin Verbannten ein auswegloses und sicherlich grausames Gefängnis, an dem sie vor sich hin siechten bis sie starben, da bis ca. 1953 die Krankheit unheilbar war und tödlich verlief. Medizinische Versorgung war nicht gewährleistet, genauso wenig wie die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Berichte, die von beinahe ‚idylischen‘ Zuständen (Kino, eine Art Kulturzentrum, Schule, Vorführungen an denen auch die gesunden Familienmitglieder teilnehmen konnten etc.) eines kleinen Staates im Staat berichten, müssen als überaus beschönigte und vielleicht aus einem unterschwelligen schlechten Gewissen heraus entstandene Geschichten angesehen werden.

Bezeichnenderweise hat man die Insel der Leprakranken auch dazu benutzt, sich der politisch unliebsamen Bürger zu entledigen. Einige Einwohner der Region nutzten darüber hinaus die Tatsache aus, daß die Kranken eine bescheidene staatliche Unterstützung erhielten, so brachten sie mit kleinen Booten Lebensmittel auf die Insel, die sie dort zu weit überhöhten Preisen verkauften. Auf diese Versorgung von außen angewiesen, waren die Inselbewohner wehrlos.

Die Lage der sich selbst überlassenen Kranken verbesserte sich langsam, als mit der Entdeckung des für die Krankheit verantwortlichen Bakteriums und der Medizin zur Krankheitbehandlung in den 1940er Jahren Lepra auch auf Kreta ihren Schrecken verlor. 1957 schließlich verließen die letzten zehn Überlebenden die Insel, Spinalonga war von nun an nur noch historisches Relikt.

Lepra in Fakten

[Lepröser um 19oo]


Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten und wird schon in den frühesten Schriften erwähnt. Laut neuster Untersuchungen ist Ostafrika der geographische Ursprung der Krankheit. Entsprechend der frühsten Wanderungsbewegungen des prähistorischen Menschen haben sich die Bakterien aus Ostafrika einerseits nordwestwärts nach Europa und andererseits Richtung Osten nach Indien und Asien ausgebreitet. Eine andere Möglichkeit der Entstehung und Ausbreitung könnte Indien sein, denn dort finden wir die älteste bekannte schriftliche Erwähnung dieser Krankheit. Sie gehr auf 600 Jahre vor Christus zurück, wo sie unter dem Namen Kushta in einer indischen medizinischen Abhandlung beschrieben wird.

Im Alten Testament (Leviticus 13, 1-46) wir sie ausführlich beschrieben, wie der Aussatz zu erkennen ist und wie man mit den Kranken zu verfahren hat. Hier wird Lepra noch mit anderen ähnlichen oder vermeintlich ähnlichen Hauterkrankungen verwechselt und allgemein als „Aussatz“ (hebr. zara’at) bezeichnet, so daß man heute nicht mehr mit Sicherheit sagen kann, welche Hautkrankheit diejenigen tatsächlich hatten, die als „Aussätzige“ genannt wurden.

Zu Ciceros Zeiten in Griechenland und Italien war Lepra offenbar häufig vorgekommen. Später unter den Langobarden im 7. und 8. Jh. war sie stark verbreitet. In Bremen wurden schon im 9., in Würzburg im 11. Jh. Hospitäler für Leprakranke gegründet. Das Leprosorium Aachen-Melaten wurde laut den Ausgrabungergebnissen im 8. Jh. an der Königsstraße nach Maastricht gegründet.

Die allgemeinere Verbreitung des Aussatzes in Europa im Mittelalter wird oft den Kreuzzügen zugeschrieben. Sie erreichte ihren Höhepunkt im 13. Jh. und ebbt ab mit dem Ende des 16. Jh. Ab da gehört sie nicht mehr in die Reihe der chronischen Volkskrankheiten in Mitteleuropa an.

Meyers Konversationslexikon von 1888 berichtet: Lepra sei in Skandinavien, auf Island und der Iberischen Halbinsel, in der Provence und an den italienischen Küsten, in Griechenland und auf den Inseln des Mittelmeers regelmäßig vorgekommen. Im Verlauf der Kolonialisierung gelangte der Erreger nach Westafrika und Amerika und durch den weiteren Sklavenhandel in die Karibik und nach Brasilien. Am verbreitetsten jedoch sei die Krankheit im 19. Jh. in Norwegen gewesen, wo man 1862 noch 2.119 Aussätzige bei nicht ganz 2 Millionen Einwohnern zählte. In Deutschland wurden zur gleichen Zeit nur vereinzelte Fälle registriert.

Da man sich lange Zeit die Ursachen der Krankheit nicht erklären konnte, wurde sie als „Strafe Gottes“ über den sündigen Menschen, der von dieser Krankheit befallen wurde, ausgelegt. Damit waren die Leprösen zweifach stigmatisiert: durch die Krankheit selbst und durch ihr vermeintlich gottesfernes Leben. Als Verfemte der Gesellschaft hatten sie kaum eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben und Sterben. Sie mußten außerhalb der besiedelten Orte leben, und konnten sich meist nicht selbst ernähren, was dazu führte, daß sie betteln mußten. Gleichwohl wurde ihnen zu Auflage gemacht, die Umwelt auf ihre Krankheit und damit auf sie als einen „Ansteckungsherd“ aufmerksam zu machen, damit die Nähe zu ihnen gemieden werden konnte. So hatten sie im Mittelalter entweder Glöckchen an den Beinen, Armen oder an einem Stock (sofern sie diesen mitführen konnten) zu tragen, das ihre Ankunft und ihre Routeankündigte, oder aber sie betätigten laute Raspeln/Rätschen. Diese typischen Geräusche sollten gut vernehmbar sein.

[Eine Leprarätsche]

Symptome:

Da diese Krankheit aus dem Bereich der Neurologie kommt, werden dabei vor allem die Nervenstränge befallen, die Gefäße der Arterien und Venen verstopfen durch eine Verdickung des Blutes. Die Betroffenen verlieren meist das Gefühl für Kälte, Wärme und auch Schmerz. Ohne Behandlung verletzen die Patienten sich oft unbemerkt und infizieren sich über die Wunden an lebensgefährlichen Krankheiten wie z.B. Tetanus. Daher rührt auch die noch immer verbreitete falsche Vorstellung, dass Lepra zu einem „Abfallen“ von Armen, Händen oder Ohren führt. Da die Erkrankten keine Schmerzen spüren, werden Wunden oft unbehandelt gelassen, und durch Entzündungen können diese Körperbereiche absterben. Dies ist aber nur eine indirekte Folge der Lepra und keinesfalls typisch.

Tatsache ist:

  • Daß Lepra kaum ansteckend ist, man ist sich jedoch nicht einig, wie der Übertragungsweg ist, so daß sich keine prophylaktischen Ratschlägen geben lassen. Diskutiert wird eine genetische Disposition und/oder die Ansteckung durch Wundsekret. Auch tierische Überträger werden angenommen. Das ist bisher aber noch nicht sicher nachgewiesen. Der direkte Kontakt zu Leprakranken ist nicht gleichbedeutend mit einer Ansteckungsgefahr. Für die Übertragung bzw. die Infektion mit dem Erreger bedarf es eines langfristigen Kontakts mit einem Infizierten und einer „Tröpfcheninfektion“. Leprakranke werden heute nicht mehr isoliert. Die Inkubationszeit kann bei Monaten oder auch Jahren (bis zu 40 Jahren in Extremfällen) liegen, daher geht man nicht davon aus, diese Krankheit vollkommen ausmerzen zu können,
  • Ein erster großer Fortschritt im Kampf gegen die Lepra war die Entdeckung des Krankheitserregers, des Bakteriums Mycobacterium leprae, durch den norwegischen Arzt Gerhard Armauer Hansen im Jahr 1873 in Bergen. Der deutsche Dermatologe Eduard Arning aus Breslau/Wroclaw begann am 28. September 1884 ein vierjähriges Menschenexperiment an dem damals 48-jährigen gesunden Polynesier Keanu, das den Nachweis der Übertragbarkeit der Lepra erbrachte,
  • Die tatsächliche Ursache der Erkrankungen nimmt man an in mangelnder Hygiene, Unterernährung und somit einem geschwächten Immunsystem, der von dem Bakterium angegriffen werden kann,
  • Insgesamt hat sich der Lepraerreger in der Zeit seiner weltweiten Ausbreitung genetisch kaum verändert, was für Bakterien extrem ungewöhnlich ist,
  • Schon in der Antike war Aussatz als ansteckende Krankheit gefürchtet, weshalb Aussätzige aus der Gemeinschaft verstoßen und Kontakt mit ihnen vermieden wurde. Gesunde wiederum, die sich um Leprakranke kümmerten, ohne selbst an Lepra zu erkranken, hatten deshalb das Ansehen, von einer höheren Macht beschützt zu werden. Diese mied man auch meistens nicht, da man nicht damit rechnete, ein Gesunder könnte von einem Kranken irgendetwas auf einen anderen Gesunden übertragen, das ihn erkranken läßt,
  • Andere neue Forschungen gehen davon aus, daß Lepra hauptsächlich durch Tuberkulose zurückgedrängt wurde. So sollen die von Lepra geschwächten Personen oft auch von Tuberkulose befallen worden sein, welche die Kranken ziemlich schnell tötete und so eine Ausbreitung der kaum ansteckenden Lepra verhinderte.
  • Aufgrund der Behandlungsmöglichkeiten mit Antibiotika ist Lepra inzwischen in Ländern mit entwickelter Gesundheitsversorgung nahezu ausgerottet. In vielen Entwicklungsländern hingegen stellt die Krankheit noch ein ernstzunehmendes Problem dar. Ein Großteil der Erkrankten lebt in Indien, in Afrika gibt es viele Kranke und in Brasilien ist Lepra noch ein ernstes Problem.

[Quellen und Nachzulesen bei Wikipedia und vor allem sehr genau und zuverlässig: http://www.lepra-tuberkulose.de/lepra/infkt_01.html ]

Marcel, 02. 04. 2010

Spinalonga, der lange Dorn, ca. 10sm vor Agios Nikolaos ist eine Halbinsel, die über eine Dammstraße mit dem Festland verbunden ist und deren nördliche Spitze eine kleine Insel gleichen Namens bildet. Auf dieser thront eine alte venezianische Befestigungsanlage aus dem 16. Jahrhundert, die im 17. Jahrhundert unter osmanischer Herrschaft stand und dann ab 1903 von Griechenland zu einer Lepra-Kolonie umfunktioniert wurde. Aus ganz Griechenland wurden über 400 Aussätzige auf die Insel verschifft, die in den zurückgelassenen Gebäuden der Wehranlage ein funktionierendes Gemeinwesen mit Handwerksbetrieben, Kirchen und kulturellen Veranstaltungen aufbauten. Erst in den 1950er Jahren wurde die Siedlung aufgelöst und die letzten Bewohner in Krankenhäusern in Athen untergebracht.

Auf der Halbinsel befand sich die antike Stadt Olous, die schon von Homer erwähnt wurde. Die Stadt versank im Meer als sich Kreta im Osten absank und im Westen angehoben wurde – vermutlich durch den Vulkanausbruch bei Santorin. Nach einer anderen Version der Geschichte wurde Olous vom großen Erdbeben 780 n. Chr. zerstört. Mit 30.000 Einwohnern war Oulus seiner Zeit eine der wichtigsten Hafenstädte Kretas.

Wir ankern bei 5bf und leichter Welle in der Lagune hinter der Insel, die fast vollständig von Land umgeben ist, bauen unser Banana-Boot auf und motoren mit Picknickrucksack beladen zum kleinen Bootsanleger unterhalb des Kastells. Dann braust der Wind mit Fallwinden von den umliegenden Hügeln mit 7bf in die Bucht. Wir entschließen uns rasch zur Umkehr und haben dennoch Probleme zum Schiff zurück zu kommen. Wir wechseln noch am Nachmittag unter Mühe den Ankerplatz und verholen in eine ruhigere Ecke der Lagune, in der man Wassertiefen zwischen 2 und 7m lotet.

Am morgen des 3. April. Der Spuk ist vorbei. Das Wasser ist spiegelglatt. In der Marina in Agios Nikolaos erzählt man uns später, dass es dort am Abend mit bis zu 9bf geweht hat.

Marcel, 01. 04. 2010

Der Hafenort wird in den Reiseführern als ehem. Fischerort beschrieben, der durchaus seinen Charme behalten hätte. Davon sehen wir nichts. Eine Touri-Taverne reiht sich an die nächste. Alle mit riesigen an Schützenzelte erinnernde Verlängerungen zum Hafen hin. Nach langem Suchen entscheiden wir uns für das kleinste Übel, da wir nach 16 stündiger Fahrt keine Lust haben, an Bord zu kochen. Die Leute hier scheinen aber das nicht vorhandene Ambiente zu mögen. Am Abend vor Karfreitag (zufällig fällt das orthodoxe Osterfest auf das katholische Osterfest) sind bald alle noch so hässlichen und an Uni-Mensen erinnernden Restaurants und Bars besetzt. Die Kinder lassen schon seit Tagen in den Straßen Feuerwerkskörper krachen. Wie Gut, dass sich diese Tradition bei uns nur zu Sylvester etablieren konnte. Das Essen ist dann aber halbwegs passabel. Kretisches Kaninchen und ein paar kretische Spezialitäten ohne Fleisch (Fastenzeit!).