Marcel, 10. 06. 2010

Im von uns ungeliebten, weil aus Sicht eines auto- bzw. wohnmobilen Reisenden geschriebenen Peloponnes-Handbuch lesen wir, dass die ehemalige Haushälterin Sir Patrick Fermors, den die Einheimischen, sofern es noch solche gibt, die sich als Eingeborene bezeichnen können, Sir Paddy nennen, am kleinen Hafen von Kardanili eine Taverne führt. Diese ist natürlich sämtlich von “Professoren” bevölkert, wie Rod Heikell schreibt, die auf den Spuren Fermors wandern wollen, aber vermutlich zu Fuß noch nie aus Kardamili heraus gekommen sind. Das Essen ist jedoch gut. Der Wein mundet und die angebratenen weißen Bohnen mit Petersilie, Zwiebeln und Zitronensaft bieten eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Greek Salads. Der alten Dame in betuchtem Alter waren die jungen Kellner kontrastreich entgegen gesetzt, perfekt Englisch sprechend, teilweise auch so aussehend, kümmerten sie sich um die Gäste, während sie etwas abseits an einem Runden Tisch sitzend den erhabenen Blick einer Regisseurin über die Szene schweifen ließ.

In der Nacht wieder bleischwere See ohne eine einzige Welle. Von der Terrasse der Taverne beobachten wir unser Ankerlicht in der Dunkelheit. Auch am Morgen weht noch kein Lüftchen. Ohne Frühstück landen wir im kleinen Hafen an und suchen den Wanderweg, der sich zwischen Olivenhainen an der Küste entlang zu einer kleine Kapelle im Miniaturformat schlängelt. Wenige Meter weiter stehen wir zwischen dicht stehenden, knorrigen Olivenbäumen hinter Fermors Haus. In einem Zimmer sind naturkundliche Zeichnungen an den Wänden auszumachen. Pflanzen oder schlangen? Das Anwesen steht erhöht auf einer Klippe und schaut auf den Messinischen Golf hinaus. Zur linken Hand des Feldweges ein Gäste- oder Arbeitshaus. Das gesamte Anwesen scheint belebt. Vielleicht ist der Meister, der Bruce Chatwins Asche in den Bergen oberhalb von Kardamili dem Wind und dem harten maniotischen Boden übergab, zugegen.

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Nach einem Mittagessen in einer Taverne oberhalb des Hafens (selbstverlesene Oliven! von denen wir ein Glas erwerben), besuchen wir zum Abschied von diesem wunderschönen Fleckchen Erde, die vorgelagerte Insel. Auf dieser steht die Ruine einer kleinen Kapelle. Auf dem Hügel zum Meer hin stehen Olivenbäume. Darunter finden wir wilden Fenchel für unser Abendessen!

Anker auf um 1530.

Marcel, 08. 06. 2010

Um 1700 fällt der Anker vor Kardamili. Wir ankern neben dem kleinen, dem Ort vorgelagerten Inselchen, Sir Patrick Leigh Fermors Haus in Sichtweite. Die Fensterläden scheinen geöffnet, auch in der Nacht brennt noch Licht. Ist der große Fermor wirklich zugegen. Joanna zumindest scheint den Geist des Meisters zu spüren…

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Marcel, 08. 06. 2010

Die Bucht erwacht Windstill. Wir gönnen uns einen Kaffee, dann geht´s mit dem Dingi an Land. Unser Ziel: Areopolis. Der Ort hieß ursprünglich Tsimova. Der Name Areopolis leitet sich vom Kriegsgott Ares ab. In Areopolis und Limeni residierte der Clan der Lokalfürsten der Mavromichali. Petrobey Mavrochichalis war eine bedeutende Figur im Kampf gegen die Türken zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Mani selbst hat sich, wie bereits berichtet, immer eine rlative Unabhängigkeit bewahrt. Der Mani-typische Wohnturm der Mavromiachali steht in Limeni und bietet uns eine passende Kulisse.

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Nach ein paar Windungen auf segend heißem Asphalt biegen wir einen Feldweg nach rechts ab, der uns, so hoffen wir, auf kurzem Wege zu dem höher gelegenen Örtchen bringt.

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Die Abkürzung verlief dann aber schnell im Sande. Etwa 500m unterhalb einer kleinen Kapelle brach der Weg in unsere Richtung ab. Es hieß also klettern. Über jahrhundertealte Mauern kraxelten wir den Berg hinauf. Die Kapelle bot willkommenen Schatten und hielt tatsächlich einen Fahrweg nach Areopolis bereit. Das Dorf war von hier bereits in Sichtweite.

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Areopolis bietet pittoreske aufgehübschte Fassaden und Gassen.

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In einer kleinen Backstube kaufen wir frisches Brot und Paximadia. Überall im Laden liegen Backbleche mit vorbereiteten Paximadias in vorgebackenem Zustand. Daneben Berge von Broten und an den Wänden Fotos der Familie.

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Neben der Bäckerei, gegenüber einer Kirche, die leider verschlossen ist, speisen wir zu Mittag. Kaninchen, Lamm, Gemüse, Kichererbsen gewürzt mit Dill und wildem Fenchel; dazu Zaziki und Feta und natürlich Weißwein und Wasser.

Marcel, 07. 06. 2010

Wir verlassen Porto Kayio gegen Mittag und segeln bei 3bf aus West unter vollen Segeln drei Meilen nach Süden. Das Kap Tainaron, der südlichste Punkt von Festland-Europa ist zum Greifen Nah. Der Anker fällt in der Doppelbucht des antiken Tainaron  Asomato/Spilio, in der sich einer der Eingänge zum Hades befinden soll. Doch schon der Reiseschriftsteller des Altertums Pausanias spöttelt über den Aberglauben, dass Götter unter der Erde die Seelen der Toten sammeln sollen. Außerdem endet die Höhle bereits nach wenigen Metern.

Da heute zur Abwechslung das Echolot nichts mehr anzeigt, und nicht der Windmesser, der jetzt wieder funktioniert, bleibe ich zu Reparaturarbeiten auf Chulugi, während Joanna und Dietmar sich mit Retzina und Oliven ausgestattet zum Leuchtturm aufmachen. Das Aufschrauben und Abnehmen von Verkleidungen und Instrumentenabdeckungen hätte ich mir allerdings sparen können. Ein Tauchgang unter den Rumpf zeigt die Ursache des Übels: In der Einmuldung des Echolotgebers hat sich eine Luftblase gesammelt. Diese heraus gewedelt und siehe da, wir liegen auf 9 Meter Wassertiefe.

Etwas Gutes hatte es aber dann doch, dass ich an Bord geblieben bin. Das Schabgeräusch der Kette unter Deck hat es bereits angezeigt: Der Anker hat sich nicht eingegraben und schlürt über den Grund. Der Tauchgang gibt auch hier Klarheit: Der Anker liegt nur mit einer Fluke an einem Felsvorsprung verkeilt auf nacktem, felsigen Grund. Weit und breit ist kein Sand zum eingraben zu sehen.

Am Nachmittag runden wir Kap Tainaron noch unter Segeln. Das Kap liegt auf der Flugroute vieler Zugvögel auf ihrem Weg nach Afrika. Und hier noch eine weitere Anekdote: Die SS Californian, das Schiff, das die Titanic vor den ihr zum Verhängnis werdenden Eisbergen warnte, sank 1915 beim Kap Tainaron, nachdem sie von der deutschen Flotte torpediert wurde.

Den Rest der Strecke ist bei NW natürlich wieder Fahrt unter Motor angesagt. Hin und wieder, die ein oder andere Meile, können wir den Motor ausmachen und eine kurze Strecke segeln.

Um 2200 fällt der Anker im letzten Dämmerlicht des Tages in der Buch Limeni. Vor uns der beleuchtete Wohnturm der Mavromichali. Dazu später mehr. Zwei Tavernen liegen direkt am Wasser. Davor dümpeln ein paar Fischerboote in der schwarzen Dünung.

Marcel, 06. 06. 2010

Wir nähern uns der Mani über den Lakonischen Golf zwischen dem mittleren und dem östlichen Finger des Peloponnes. Der auslaufende Taigetos zeichnet sich dunkel vor dem Abendhimmel ab. Die Bergkette ist in Pastell gezeichnet, schwingt sich nach Norden in die Wolken und verschwimmt. Das Meer ist immer noch grau und glatt wie Blei. Wie in den letzten Tagen wummert der Motor. Gerne hätten wir diesen Anblick unter Segeln genossen, wenn nur das Rauschen von Wind und Wellen zu hören ist.

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Wir stehen am  Bug und beobachten das Farbenspiel von Bergen, Sonne, Wolken und Meer. Plötzlich tauchen mehrere Schwanzflossen aus dem Wasser. Wir vermuten Tunfische. Doch dann sehen wir die Rückenflossen. Eine Schule Delphine schwimmt uns vor den Bug. Die Meeressäuger schwimmen neben dem Schiff, tauchen aus dem Wasser und drehen den Kopf zu uns hinüber, so dass sie uns in die Augen sehen können. Sie tänzeln wenige Zentimeter neben dem Schiff und vor dem Rumpf umher und drehen in unserer Bugwelle ab.

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Auf die Delfine und auf die Mani. Endlich erreichen wir diese karge Landzunge. Der letzte und südlichste Zipfel Festland-Europas. Dieses noch vor wenigen Jahrzehnten vom Rest-Europa unbekannte Ende der Welt ist aus Sicht der Manioten die “Innere Mani (Méssa Mani)”. Ein Ort des Rückzugs und der Isolation. Nie von fremden Herrschern, seien es Venezianer oder Türken vollständig erobert, war dieses Fleckchen Land immer sich selbst überlassen und gebar so einen eigenen Menschenschlag, eine Architektur, die an San Giminiano erinnert und eine Kultur in der noch vor kurzer Zeit Blutrache geübt wurde (wie auch in Kreta – siehe hierzu den Film Alexis Sorbas). Eine Landschaft die schon Patrick Leigh Fermor, Bruce Chatwin und Laurence Durrell verzaubert hat, und die sie nie wieder los ließ. Bruce Chatwins letzter Wunsch war in der Mani begraben zu werden, und so schmuggelte seine Frau nach seinem zu frühen Tod die Asche zu Patrick Leigh Fermor, der noch heute, mit über 95 Jahren, hier lebt, und der sie vor einer kleinen Kapelle dem Wind und der maniotischen harten Erde übergab, mit den letzten Worten, “möge sie leicht auf ihm ruhen”.

Um 2130 erreichen wir Porto Kayio. Die Mani-typischen Wohntürme zeichnen sich auf den Hügeln ab. Ab Nordhang der Bucht lehnt sich ein Kloster an die steile Felswand. Der Anker fällt im letzten Dämmerlicht des Tages. Wir bringen das Dingi ins Wasser und betreten noch am Abend maniotischen Boden.

Marcel, 06. 06. 2010

Die Nacht vor Anker ist mehr als ruhig. Nur ein wenig Dünung rollt in die kleine Bucht. Das venezianische Kastell im Bonsai-Format ist hell illuminiert. Der Morgen empfängt uns mit weißen Quellwolken vor blauem Himmel, die Farben Griechenlands. In Avlemonas landen wir nach dem Frühstück und einer kleinen Reparatur- (Steuersäule fixieren, Außendusche reparieren) und Aufräumaktion mit dem Dingi an und erkunden die drei Straßen und das Kastell in dem noch mehrere rostige Kanonen herumliegen. Auf der Rückseite klafft ein Loch, wie durch eine der Kanonen verursacht, in das man in den Hof gelangt. Das solide Tor ist jedoch verschlossen.

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Wir suchen uns eine kleine Taverne aus, von der wir durch eine Blütenpracht auf Chulugi und das offene Meer blicken können. Obwohl der Weißwein mundet und wir einen Teller mit Käse, Oliven und Gemüse serviert bekommen, stellt sich die Taverne als die falsche Wahl heraus: Den frischen Fisch zum Weißwein gibt´s ein Haus weiter. Wir entscheiden uns zum Schiff zurückzukehren und den Anker zu lichten.

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Beim Anker Aufholen gibt die Ankerwinsch den Geist auf. Gut, dass nur noch der letzte Meter per Hand heraufgezogen werden muss. Es stellt sich als ein Defekt des Schalters heraus. Ein Reparaturversuch scheitert. Wir können jedoch einen improvisierten Ersatzschalter installieren, bis wir im nächsten Bootszubehörshop einen entsprechenden Ersatz finden.

Es geht vorbei an Diakofti. Vor dem kleinen Örtchen ragt mahnend ein imposantes Wrack eines Frachters aus dem Wasser. Das Meer liegt schwer wie Blei vor uns. Weiter unter Motor!

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