Joanna, 01. 01. 2012

Na ja, nüchtern darf man das neue Jahr nicht begrüßen … sonst bekommt man keine (Glücks-) Kekse…

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Die Schutzmadonna auf der Dalbe (solarbeleuchtet weist sie den Weg nachts in die Lagune). Für Glück zuständig, so wie die Kekse.

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Joanna, 29. 12. 2011

Diese Stadt ist ehemals ein Fischerdorf gewesen, was man an den winzigen (in sehr kräftigen Farben angemalten) Häusern der “Altstadt” noch etwas erahnen kann – und natürlich an dem Canale, der in den gleicherweise kleinen Fischerhafen mündet. Dieser selbst ist weniger pittoresk, denn von Hochhäusern und jeweils einer gut befahrenen Kreisstraße eingefaßt. Fischerbote verschiedenen Couleurs liegen am Canale an den Dalben vertäut. Mehr oder weniger vom Fang dreckige Fischernetze lagen am Kai ausgebreitet und ein buntes und wahrscheinlich nur im Winter nicht stinkiges Sammelsurium an fischertauglich gemachten Utensilien (von ausrangierter Leselampe bis hin zu kaputten Eistruhen) gestalteten unseren Kanalweg in das Städtchen pittoresker. Ansonsten war es heute ein grauer, regnerischer Tag, an dem wir in der Marina am Canal dell’Orologico einliefen. Übrigens: eine ziemlich teure Marina mit kaum Komfort (kein Wi-Fi). Die Duschen jedoch waren sehr sauber, groß und gut geheizt – so wie das Wasser. 50 Euro als Sonderangebot ist jedoch entschieden zu viel.

Das Städtchen hat sich in ihren Ausläufern offenbar zu einer Hochburg des Strandtourismus ausgewachsen und droht über die gesamte Sandküste in Vereinigung mit anderen Orten zu verwachsen. Man baut noch da, wo es noch irgendwie geht, weiter. Aber ziemlich vielen müssen diese hochhausbewachsenen Sandstrände und vom Beton verschluckten Altstädte gefallen, denn sonst gebe es sie wohl nicht.

Baedecker (und es ist kein antiquarischer!) beschreibt den Ort ziemlich überschwänglich: “Ein malerischer Fischerhafen, lange Sandstrände […] und eine kleine, gemütliche Altstadt – diese Mischung macht das an der Mündung des Livenza-Flusses, etwa 80 km östlich von Venedig gelegene Caorle zu einem der schönten und beliebtesten Badeorte an der nördlichen Adriaküste.” Müller-Verlag ist da etwas ‘genauer’: “Wenn man die langen Hotelzeilen zu beiden Seiten des Ortes außer Acht lässt, zeigt sich Cáorle als schmuckes Ferienstädtchen mit bunt getünchten Häusern, breiten Bummelstraßen [… usw.].”

Die kleine Altstadt zeichnet sich vor allem tatsächlich durch ihre pastellfarbenen kleinen und kleinsten Häuschen aus, worin sie an eine Puppenstube erinnert. Sie ist eine einzige Fußgänger- und Einkaufszone.

Man kann sich kaum vorstellen, daß dieser Ort ehemals zu den bedeutendsten der Nordadria gehörte und erst mit dem Aufstieg Venedigs seine Bedeutung einbüßte. Und wie Venedig war auch er in die Lagune eingebaut und somit auf Fundamenten über eine Pfahlkonstruktion errichtet. Erst im 20. Jh. schüttete man die Kanäle zu! Welche Sünde. Daß die Stadt sich so bunt zeigt, ist keine historische Rekonstruktion oder Tradition (für Venetien eher unüblich), sondern geht auf die Anregung eines einheimischen Künstlers zurück (wer, wann und warum weiß ich jedoch nicht zu berichten).

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Mächtig hingegen ist der am Meer gelegene romanische Dom des Ortes. Der Dom San Stefano Protomartire und sein etwas schief stehender Campanile (48 m) sind um 1040 begonnen worden. Beide sind Backsteinbauten, die heute keinen Verputz tragen. Besonders schön fand ich den Glockenturm mit seinem unterschiedlichen Mauerwerk und den kleinen Säulen in den Zwillingsfenstern, der an diesem kalten und nassen Tag irgendwie Wärme ausstrahlen.

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Von größerem Interesse sind die zwei an der Außenfassade eingelassenen byzantinischen Hochreliefs (ca. 12. Jh. was meiner Meinung aber etwas spät für „byzantinisches“ ist). Rechts ist vermutlich der Hl. Georg dargestellt. Sicher bin ich mir jedoch nicht. Links könnte der Patron der Kirche, der Hl. Stefan, sein…

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Im Inneren ist die Kathedrale von enormer Breite und vermittelt den Eindruck einer Hallenkirche. Sehenswert sind die Fresken aus dem 12. bis 15. Jh. Jedoch war das Kirchinnere so düster-dunkel, daß wir kaum etwas davon sehen konnten. Dennoch wirkte auch diese Kirche ruhig und gelassen. Das kostbarste der Ausstattung ist die Pala d’Oro, die “Goldene Altartafel”, für uns bereits die dritte dieser Art in Venetien (eine in S. Marco, eine weitere (echte Rarität, weil sonst hinter dem Gemälde von Tizian ‘versteckt’) in S. Salvatore in Venedig)! Kein Foto an dieser Stelle, weil es zu dunkel war. Diese byzantinische Pala zeichnet sich durch ihre reich verzierte Gold- und Silberarbeiten aus und besteht (zumindest heute) aus einer einzigen länglichen Tafel von vielleicht drei Metern länge. Die in Reihe nebeneinander gestellten, sich zugewandten Figuren waren für mich nicht zu erkennen (sicherlich Christus im Zentrum, flankiert von Propheten oder Aposteln oder Maria und Heiligen).

Sehr nett und aufwendig gestaltet war auch die Krippe – jetzt zu Weihnachten lassen wir kaum eine aus. Es scheint ein regelrechter Wettbewerb der Gemeinden ausgebrochen zu sein, wer die schönste im ganzen Lande hat. Wir haben jedenfalls einen Engel vorbeifliegen sehen, der den Weisen (und uns) den Weg gezeigt hat. Der Engel war nur animiert.

Der Kirchvorplatz geht über in eine recht hohe und breite Mole, die zu einer Promenade ausgebaut wurde. Zum Meer hin ist sie mit mächtigen Steinbrocken gesichert, die bei genauem Hinsehen sich als große Skulpturen bzw. Hochreliefs entpuppen. Künstler haben aus dem istrischen Stein Tiere, Menschen und Fabelwesen herausgearbeitet.

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Am Ende der Molenpromenade steht die Hallenkirche Madonna dell’Angelo und ihr viereckiger Campanile. Links von der Kirche ist ein kleiner Strand, wo noch zwei kleine Boote auf dem Trockenen und vor der geschlossenen Kulisse der Hotels lagen. Die Kirche ist der Muttergottes und dem Jesuskind geweiht und im klassizistischen Stil mit barocken Elementen (bei der Vorhalle) entworfen.

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Im Inneren präsentiert sie sich als eine schön proportionierte Hallenkirche. Ihr Zentrum bildet eine recht gut gestaltete, vielleicht aus bemaltem Wachs oder Porzellan (?) modellierte Madonna mit Jesuskind. Das zentrale Deckengemälde verweist auf den Entstehungsmythos der Kirche: Fischer sollen unweit von Cáorle eine Madonnenerscheinung auf dem Wasser gehabt haben. Der steinerne Thron, der unter dem Kruzifix im rechten Seitenaltar zu sehen ist, soll der Fels oder der Sitz der Madonna gewesen sein. So oder so ähnlich ist die Geschichte. Die Einzelheiten sind bei meinem schlechten Italienisch ohne Gewähr.

DSC_1604 DSCF0450DSC_1608 DSC_1611 Und immer wieder ganze Votivfelder, meistens Herzen, nur vereinzelt lugt ein Bein oder Arm heraus…

Nach der Kirche eröffnet sich dem Betrachter ein Meer von Hotels und natürlich die nächste Lagune, nämlich die von Grado, die wir morgen anlaufen werden.

Nachzutragen bleibt noch etwas aus dem Baedecker (dem ich nicht mehr allzu viel Vertrauen schenken würde): Der empfiehlt eine Fahrt in die benachbarte Lagunenlandschaft. Sie soll noch unberührt vom Tourismus sein und ganz und gar ein Paradies für Vögel. Ernest Hemingway soll diese Landschaft in seinem Buch “Über den Fluß und in die Wälder” (kein guter Titel, aber vielleicht nur eine deutsche Variante) gehuldigt haben.

Joanna, 28. 12. 2011

Natürlich ist Venedig unerschöpflich – und sehr duldsam in bezug auf die Milliarden von Fotos, die man von ihr, der betagten Serenissima, macht.

Es gibt Tage und Momente, an denen ich auf keinen Fall noch mehr Fotos produzieren will. Richtet man die eigene Aufmerksamkeit zu lange auf die Fotografierenden, dann beginnt man (so ergeht es mir wenigstens) zu verstehen, daß das Fotografiertwerden in den Anfängen des Mediums bei einigen eine große Verlustangst auslöste. Dabei könnte die ganze Seele mit einem Foto (oder vielleicht auch mit dem sie begleitenden Blitzlicht) gestohlen werden. Oder – daran glaubte angeblich Victor Hugo oder Honoré Balzac (ich kann mich nicht mehr so genau entsinnen) – man ging mit jedem Foto Schicht für Schicht der eigenen Aura verlustig, bis schließlich alles abgeblättert ward.

Bei Venedig und ihren Fotos glaube ich fast selbst daran und dennoch, ganz davon lassen kann ich nicht!

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Marcel, 04. 12. 2011

…besonders am Abend, wenn man sich in Selbstablehnung verliert.“ Man sollte nicht am Abend Joseph Brodskys „Ufer der Verlorenen“ lesen, wenn man in Dieser Stadt allein in tiefen Ledersesseln, in aufwühlenden Jazz eingelullt, das Rotweinglas leert. Man versinkt in glücklicher Melancholie, in tiefer Zufriedenheit mit all den Missständen dieser Welt. Hier im „i figli delle stelle“, meinem Lieblingsrestaurant auf der Giudecca nahe der Kirche Zitelle, bekommt man ein hervorragenden Lammrollbraten mit Ofenkartoffeln und getrockneten Tomaten.
Draußen vor der Fondamenta gleiten die Vaporetti und die größeren Fähren durch den Regen, die die Autos auf den Lido bringen. Die Autos fahren hier nicht, sie werden gefahren. Neulich am Samstag Vormittag tauchte plötzlich (nein, nicht plötzlich, sondern wie durch eine Weißblende) ein Lastwagen aus dem Nebel auf, um den Supermarkt auf der Giudecca zu beliefern. Der LKW stand auf einer Art Floß mit winzigem Führerhäußchen und ließ seine Ladeklappe auf die Fondamenta nieder.
Am heutigen Samstag Abend ist die Fondamenta nicht gar so neblig, jedoch fast ebenso menschenleer. Die wenigen, die sich nach dem Regen in die feuchte Nacht hinauswagen, werden von ihren vierbeinigen Begleitern ungeduldig durch die Gassen getrieben, sich nach dem wohligen Sofa sehnend oder nach der nächsten Einkehr.
Für mich wirkt das von außen ziegelgelb illuminierte Molino Stucky wie ein strahlender Magnet aus einer anderen Welt. Sonst scheint man hier auf der Giudecca mit Licht zu geizen, was nicht weiter schlimm ist. Schließen die Supermärkte, Apotheken oder Tabakläden auf der Fondamenta ihre Läden, erlischt auch jeder Hinweis auf ihre Existenz. Man ruft nicht laut „hier bin ich“, um Kunden vor verschlossener Tür abzuweisen. Wer hier wohnt, weiß, wo er hin muss.
Und wer am lautesten ruft… In der „Rooftop Bar“ des Molino Stucky, im 8. Stock des „Giudecca Building“ drehe ich auf dem Absatz um, bevor sich die Fahrstuhltür schließen kann. Nur einen kurzen Blick über die Brüstung gönne ich mir, doch genießen lässt sich der Ausblick bei ca. 120 Dezibel lauten Bässen nicht. Im Augenwinkel sehe ich Leute, die man dabei sogar zu einem Buffet locken kann. So gelungen und dezent der Umbau der alten Mühle von außen, ist das Innere zu Tode restauriert. Hier will man nicht bleiben.
Unsere kleine Trattoria nahe der Haltestelle Pananca, in der man am Tresen für 2€ ein Caliche di Vino und einen Happen zu Essen aus der Vitrine bekommt, ist im Vergleich zur „Rooftop Bar“ ein Hort der Ruhe. Hier sitze ich noch auf ein letztes Glas Wein am Abend und beobachte die seltsamen Kellner und einen so kleinen und gedrungenen Italiener mit gockelhaftem Gang und Gehabe, der, kaum steht er wieder am Tresen, sich die nächste Kippe aus der Schachtel des seltsamen Kellners nimmt und mit eben jenem gockelhaften Gang auf die Fondamenta wackelt um zu rauchen.

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Marcel, 20. 11. 2011

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Marcel, 19. 11. 2011

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Marcel, 13. 11. 2011

La Certosa. Eine kleine Insel, östlich von Venedig nur einige Meter gegenüber S. Elena, durch einen schmalen Kanal von der Hauptinsel getrennt. Die Insel war lange verlassen, nachdem die ursprünglichen Kloster- und Kirchenanlagen unter Napoleon zu Munitionsdepots umfunktioniert wurden. Bis spät ins 20. Jahrhundert hinein wurden die Gebäude der Insel zu militärischen Zwecken genutzt. Seit einigen Jahren entsteht hier ein Park – eine Marina und ein Hotel wurden bereits realisiert und werden noch weiter ausgebaut.
Es ist wunderbar ruhig auf Certosa. Abseits der Menschenmassen, die tagtäglich Markusplatz und Rialtobrücke bevölkern. Das Vaporetto hält nur auf ausdrücklichen Wunsch an dem langen Landungssteg. So fahren die meisten Leute einfach an der Insel vorbei.

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Marcel, 12. 11. 2011

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Marcel, 31. 10. 2011

Venedigs Seele, die Seele mit der die alten Künstler die schöne Stadt bekleideten, ist herbstlich.
Grabriele D’Annunzio (1900)

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