Corona in India 02 – Sailors Every-Day „Routine“?

Veröffentlicht in: An Land, Indien, Segelroute, Subscribe, Yoga | 0

Hello again dear friends! I think now is time to introduce you into our somehow „routine“ of Corona-colaps. Wie geht es uns nun wirklich? So schlecht oder vielleicht doch besser als einigen anderen? Marcel würde sagen Ja, ich neige mittlerweile zu einem verhaltenen Jein. Ich habe im letzten Blogbeitrag viel darüber geschrieben, wie es uns in der ersten bzw. den ersten Wochen in dem Corona-Arrest in Cochin, Indien, erging. Viele haben uns daraufhin mit lieben Wünschen und Aufmunterungsversuchen angeschrieben und meinen Artikel verlinkt. Dafür herzlichen Dank noch einmal von dieser Stelle aus! Andere haben uns berichtet, wie es ihnen nach einem Monat Coronagesetze ergeht. Ich möchte nun berichten, was bei UNS positiv und bei ANDEREN vielleicht nicht ganz so erfreulich ist.

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Die Sicht ändert sich

Bekanntlich ändert sich die Sicht auf das eigene Elend, wenn man sich die Situation anderer vor Augen führt. Anfänglich haben mich Berichte von anderen glücklichen Seglern – so sehr ich ihnen das auch wünsche – recht neidisch gemacht. Vor allem das Spazierengehen, das Ankern in schönen Buchten oder überhaupt das Ankern (endlich mal wieder draußen an Deck im Wind sitzen!), das Schwimmen… Ja, auch das ganz normale Unter-Leute-Gehen und selbstständig Einkaufen-Können fehlt mir.

Mit mehr Informationen über andere Segler gewinne ich zunehmend den Eindruck, dass in vielen Ländern sich die Gesetzeslage nach und nach verschärfte. Das, was im indischen Lockdown uns sofort hammerstark getroffen hat, beginnt sich nun auch in anderen außereuropäischen Regionen abzuzeichnen und die Segler Vorort einschränken.

Von vielen Seglern höre ich, dass Französisch Polynesien einer der wenigen Orte sei, wo traumhafte Destinationen sich mit entspannteren Gesetzen paaren. Da dieser Inselstaat eine enorme Ausdehnung hat, gibt es offenbar auch dort gute und nicht gute „Ecken“. Ich höre, dass dort Seglern das Schwimmen von ihrem Boot aus verboten wurde. Andere berichten darüber, dass sie auf dem kürzesten Wege vom Boot/Dinghi zum Markt gehen dürfen. Keine Spaziergänge, keine Ausflüge sind dabei erlaubt. Auf andere bzw. auf ihre Dinghis sind schon Steine gefallen… Auch von Malaysien gibt es nicht nur Erfreuliches zu hören. So muss sich der Segler hier eine Ganzkörper-Desifizierung über sich selbst als auch über das Dinghi ergehen lassen, bevor es dann an Land zum Einkaufen gehen darf. Aus anderen Ecken der Seglercomunity höre ich Ähnliches. Ausländerphobie, Phobie vor Weißen, vor Europäern … all dies dank der verqueren Coronavirus-Politik, die nicht immer wirklich gut beraten zu sein schein.

Offenbar ändern viele Inselstaaten oder Bundesstaaten ihre Bestimmungen zur Vorbeugung der COVID-19-Ausbreitung fast stündlich. So kann um 8:00 Uhr morgens die Segler die Order ereilen, das Ankerfeld zu räumen und weiter zu fahren, und eine Stunde später ist dies schon obsolet, dafür sollen sie weiter weg vor der Küste ankern. Um 12:00 Uhr kann es passieren, dass sie dann gar nicht mehr an Land gehen dürfen. Nicht ausgeschlossen ist, dass um 15:00 alles wieder „vergeben und vergessen“ ist.

+ Hier berichten TRIPPIN aus Indonesien (englisch).
+ VERA DALE aus Ecuador (deutsch).
+ SHE SAN aus Malaysien (deutsch).
+ ATANGA aus Französich Polynesien (deutsch).
+ VAIREA aus U.S. Virgin Island (deutsch).
+ GEGENWIND aus Osttimor (deutsch).

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Vergessen wir nicht das alte Geschäft der Medien

Medien sind die ganz großen Gewinner dieser Krise und es ist nicht auszudenken, was sein wird, wenn sie wieder von diesem hohen Ross heruntersteigen müssten. Warum also nicht weiter die Angst schüren?

Mir ist es eigentlich schleierhaft, wie China das geschafft hat. Aber sie haben es geschafft, Menschen im gesamten asiatischen Raum, Afrika und Indien weiszumachen, das Virus käme aus Europa und haftet fest an allen Weißen. Dieses Narrativ ist für (fast) alle hier ein Fakt geworden. Vergessen ist die Quelle des Übels, China.

Geschürte Ängste spiegelen sich wider in der Bereitschaft der Einheimischen, Segler – oder allgemeiner gesagt: Ausländer – für ihre schlechte Situation verantwortlich zu machen. Wer das Glück hatte, eine „höhere“ schulische Ausbildung genossen zu haben, oder einfach mit einem gesunden, menschlichen und kritischen Verstand gesegnet ist, der ist auch jetzt eindeutig im Vorteil. Im Nachteil bleiben in der Coronakrise alle Segler, die in Regionen unterwegs sind, deren Bevölkerung lieber mit reißerischen, rassistischen und schlichtweg dummen Medien, mit auf YouTube verbreiteten Pseudo-Informationen und Videos zugemüllt wird, und keine Fähigkeit besitzt, sich davon zu distanzieren.

Aber, was soll man von diesen Menschen erwarten, wenn sogar im deutsch-französischen Grenzgebiet die deutschen Autos angezündet werden, obwohl ihre (deutschen) Besitzer auf der französischen Seite leben?

Vor Medien muss man sich heutzutage vielleicht sogar noch mehr vernhalten als vor dem Virus selbst, denn die Narrative haben definitiv die Möglichkeit, einen krank zu machen. Es ist gut, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass Medien von Menschen gemacht werden, die ihre News in erster Linie verkaufen und in zweiter Linie Meinungen zu generieren helfen. Es gibt daher viele gute Gründe, jeden Artikel kritisch zu hinterfragen.

Harmlose Artikel – gibt es sie?

Zu Beginn des indischen Lockdowns bekamen wir eine Anfrage von einer der hiesigen Zeitungen. Ein Reporter rief an und wollte uns interviewen. Ich war skeptisch, konnte ich mir nicht so recht vorstellen, dass jene Presse, die von „European virus“ spricht, besonderes Interesse an Wahrheiten hegt. Unsere Nachbarin hat sich jedoch berei erklärt, einen Einblick in unsere damalige Lebenslage zu geben.

Rausgekommen ist dabei ein Artikel, der ein recht interessantes Bild von uns Seglern in Zeiten der Coronakrisis zeichnet. Ein jeder des Englischen kündige Inder konnte sich fortan vorstellen, wie wir faul unter unseren herrlichen Klimaanlagen bei unterkühlten Graden liegen und uns Sorgen um den Nachschub von Bier und anderen alkoholischen Getränken machen. In Kerala ist der Alkoholausschank nur an ausgewiesenen Stellen, Bars und Liquid Stores erlaubt, und nun hat man uns auch noch die Bar des Hotels geschlossen! Wie halten wir es bloß ohne Alkohol aus? Dass wir uns viel mehr fragen, wie wir an Trinkwasser und Grundnahrungsmitteln kommen, weil uns nicht erlaubt ist, das Gelände der Marina zu verlassen, ja, das hat der Reporter vergessen zu erwähnen. Von Offiziellen, die sich um unser Wohlergehen kümmern würden, hatten wir bis dato noch nichts gehört. Da hat jemand von den „anderen Offiziellen“ schlicht gelogen.

So viel zum Wahrheitsgehalt von scheinbar ganz harmlosen Zeitungsartikeln, die mit ihrer „Erzählung“ wohldosiert eine plausible, jedoch gänzlich unwahre „Realität“ für ihre Leser schaffen. Die Macht des Wortes sollten wir, Leser und Zuschauer, uns immer vor Augen halten, egal welche „Experten“ und „Tatsachen“ eine Berichterstattung bemüht, um uns scheinbar allumfassend zu informieren.

Dieser Artikel sollte jeden daran erinnern, wie Presse „News“ macht. Kritisches Denken und die Lust am Hinterfragen sollten gerade in schwierigen Zeiten abhandenkommen.
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Unsere tägliche Routine

Was machen wir den ganzen Tag lang? Viele – sogar unsere Eltern – haben ein ganz falsches Bild davon. Denken, wie liegen faul in der Sonne an Deck oder schwimmen ums Boot herum, oder langweilen uns ganz furchtbar. Obwohl wir schon zig Mal erläutert haben, dass wir beide aus dem Alter heraus sind, um bei Temperaturen von 37 Grad Celsius im Schatten uns in die Sonne oder auch nur irgendwohin draußen zu legen, und das Wasser zu dreckig ist, um darin zu baden, hält sich dieses Gerücht weiterhin.

Wir sind zu aller erst Freelancer und als solche berufstätig. Tag täglich verdienen wir uns unseren Aufenthalt auf dem Boot. Das heißt, wir stehen morgens auf, trinken unseren Kaffee oder Tee und fangen zu arbeiten an. Während ich lange aufbleibe, ist Marcel schon mal um 21:30 in der Koje. Dafür absolviert er um 6:00 eine anstrengende Yogasession – während ich und Nico weiter schlafen – um sich anschließend um die Aufträge zu kümmern.

Froh sind wir darüber, dass wir von Deutschland aus bezahlt werden, und unsere Hauptauftraggeber noch keine Kürzungen in ihren Budgets und damit bei uns vorgenommen haben. Zum ersten Mal freue ich mich über die (CDU-) Regierung in Deutschland, die einigermaßen einen gesunden Kopf behalten hat und nicht alles der Corona-Agenda opfert. Konkret bedeutet es für uns, dass wir immer noch Artikel für einige Reise- und Urlaubplattformen schreiben, und denen wir die Daumen drücken, dass sie die Krise aussitzen bzw. Deutschland ihren Bürgern die Bewegungsfreiheit und die Freiheit zu Arbeiten bald wiedergibt. Unser zweiter Arbeitgeber hingegen – ein Online-Weinshop – erlebt geradezu eine boomende Renaissance. Zu gerne würden wir die eine oder andere Weinflasche ordern. Zumal Indien ein Alkoholverbot verhängt hat. Aber, ich habe sowieso geschworen, solange kein Alkohol zu trinken, bis die Coronakrise vorbeigeht. Mal sehen, ob ich überhaupt noch in den Genuss eines kühlen Weißweins kommen werde.

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Unsere Abgeschiedenheit ist mehr wert als Maske & Desinfektion.

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„Freizeit“ ab 16:00 Uhr

Unsere sogenannte Freizeit beginnt mit dem Gong um 16:00 Uhr. Sollten wir diese magische Zahl versäumt haben, dann wir uns Nico, unser Bordhund, alsbald daran erinnern. Seine innere Uhr geht zwar immer wieder vor, aber sehr selten nach. 16:00 ist seine Essenszeit (eine von vielen). Da sich die Hitze draußen gerade soweit abgekühlt, dass man einen kleinen Spaziergang wagen kann, gehen wir anschließend alle drei eine Runde um das parkähnliche Anwesen des Hotels Bolgatty Palace herum. Wir haben bereits ausgetretene Wege und kennen jeden Grashalm schon beim Namen.

Das Marina Kochi House. Rechts dahinter, im nächsten Foto sichtbar, liegt unsere Marina. Vor uns liegt eines der Tore, die uns von der Welt da draußen trennen (bewacht), und der verlassene Golfplatz.
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17:00 Uhr

Meine persönliche Routine ist, jeden Tag einen riesigen Topf mit Reis zu kochen und diesen mit Kurkuma, Gemüse und Fleischresten zu vermischen. Abkühlen lassen und dann ab damit zum Golfplatz, der sich natürlich gleicherweise im Lockdown befindet. Hier lochen nur noch die langbeinigen und langschnäbligen weißen Reiher irgendetwas ein. Aber dies ist eine andere Geschichte, die wann anders erzählt werden will.

Marcel hingegen hat sein tägliches Meeting mit den anderen Seglern auf dem Schwimmsteg nebenan. Neben uns gibt es noch weitere vier bewohnte Schiffe mit insgesamt sieben Seglern – Franzosen, Neuseeländern, US-Amerikanern und Britten. Witzigerweise sprechen „unsere“ Franzosen deutsch! Das ist sehr schön für mich, endlich wieder etwas Deutsch zu sprechen (Marcel natürlich nicht mitgerechnet) und eigentlich eine gute Möglichkeit, um mein Französisch zu trainieren. Aber habe ich dafür Zeit?

Anfänglich schön Abstand halten…
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…einen Monat später.
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Vorbeifahrende am Ostersonntag. Den Ostergruß kannten sie nicht.
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18:00 Uhr

Um 18:00 Uhr geht es mit meinem persönlichen Trainer Marcel in die Yoga-Klasse. Wenn das Wetter es erlaubt, wenn es also nicht zu heiß ist, der Dieselaggregator nicht gerade die Luft verpestet, oder ein Gewitter naht, wird Yoga draußen gemacht. Mein Guruji meint, das ist nicht gut, das lenke mich zu sehr von dem Wesentliche der Yogaübungen ab. Also üben wir seit ein paar Tagen in dem Billard-Room unter zwei quirligen Deckenventilatoren, bei denen ich immerzu daran denken muss, wie es eigentlich wäre, wenn so ein Rotor von der Decke herunterfällt, während ich mich gerade dadrunter auf das Wesentliche konzentriere.

Hier muss noch an der kräftigen Beinstellung, energetischen Armen, gespanntem Seitenbogen und entspanntem Gesicht gearbeitet werden. Gleichzeitig müssen die Bandas angespannt und die Ujjayi-Atmung aktiviert sein. Dabei lasse ich mich gerne schon mal von vorbeifliegenden Vögel und neugierigen Welpen ablenken.
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Die Pontonstege sind definitiv keine freie Yoga-Zone und die Konzentration auf das Wesentliche wird arg erschwert.
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19:00 Uhr

Seitdem wir die Lieferservice-App „Zomato“ haben, bleibt schon mal die Küche unter Deck kalt. Dafür gibt es dann doppelt und dreifach belegte Hamburger, Pizza, Pommes und kein Salat. An allen anderen Tagen kochen wir sehr gesund und schauen dabei deutsche Filmproduktionen aus der Online-Mediathek oder handverlesene Filmsammlung aus unseren diversen Festplatten an.

Hingegen während Marcel kocht, höre ich gerne Hörbücher dank der Onleihe-App und dank Marcels Eltern in Herten, die des Skippers Bibliotheksausweis immer noch jährlich verlängern, bekommen wir die eBücher und Hörbücher freiboot.

Habe ich bisher lieber schwere Kost wie Michel Houellebecq passend zu meinen eher winterlichen Gerichten wie dem von mir geliebten Sauerkrauteintopf, Rotebeeteeintopf, Hackbraten oder Kohlrouladen à la Polonaise gehört, so suche ich seit dem Corona-Lockdown lieber Wladimir Kaminer.

Kochen mit Kaminer & Houellebecq.
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21:00 Uhr

Während Marcel normalerweise schon um 21:30 zusammen mit Nico in die Koje geht – wie er sagt, um noch etwas Musik zu hören, tatsächlich schläft er aber nach 10 Minuten tief und fest ein -, arbeite ich noch weiter an Blogartikel, eMails und unvollendeter Schreibarbeit, chatte via WhatsApp oder Messenger oder höre weiter ein Hörbuch. Nicht selten ist es 02:00, wenn ich wieder auf die Uhr schaue.

Manchmal – eigentlich viel zu selten – machen wir Videofonie mit Freunden und Bekannten. Wenn ich ehrlich bin, mehr mit Bekannten als mit Freunden, denn seltsamerweise sind uns unsere guten Freunde, seitdem wir auf die Reise gegangen sind, irgendwie abhandengekommen. Ich behaupte, das liegt dieses Mal nicht an mir. Andere Freunde sind, manchmal auf sehr leisen Sohlen gekommen, so dass wir nicht immer mitbekamen, wie aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft wurde.

In Zeiten der Coronakrise sind Konferenzvideos scheinbar sehr beliebt. Auch wir wollen nicht Gestrige sein und haben es auch schon ausprobiert. Unsere bisher größte Konferenz-Videofonie war mit circa 15 Personen aus aller Welt. Eingeladen hat uns Fabrizio aus Trieste, den wir hier in der Marina Kochi kennengelernt und einen sehr fröhlichen Abend miteinander verbracht haben. Grazie mille Fabrizio!

Unser Gastgeber links oben, danach folgen Indien (wir), Italien, Argentinien, Frankreich, Niederlande, Spanien, Großbritannien, Italien Süd (ah, in einem Weingarten!) – weitere Freunde von Fabrizio aus Taiwan, Russland etc. folgten. Irgendwann zu chaotisch aber immer sehr nett. Grazie!
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Gute Nacht und bis morgen im Bolgatty Palace, wo wir euch auf einen Spaziergang mitnehmen möchten!