Straße von Messina
Marcel, 30. 07. 2012

20120730-091646.jpg„They called her [the Etna] the Pillar of Heaven, the Greeks. It seems wrong at first, for she trails up in a long, magical, flexible line from the sea’s edge to her blunt cone, and does not seem tall. She seems rather low, under heaven.“ D. H. Lawrence, 1921

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So taucht der Etna aus dem Dunst des Morgens auf. Aber der Reihe nach: Wir hatten uns für das Kreuzen der seit der Antike berüchtigten Straße von Messina auf einiges gefasst gemacht. Der Wetterbericht hatte irgendetwas zwischen 4-5 und 6-7bf aus NW prognostiziert. Unterschiedliche Modelle ergeben ganz andere Wetterlagen. Dann tuckerten wir bei absoluter Windstille (ich übertreibe nicht, der Windmesser zeigte 0,7bf) auf Sizilien zu. Gerade hatte ich mich in die verdiente Freiwache verzogen, das weckt mich Joanna zum Segel setzen. Plötzlich war da Wind aus NW. 12 Knoten macht 4bf. Sehr gut. Segel setzen. Mit dem Klüver zögern wir – zurecht. Ein paar Minuten später bläst es mit bis zu 25 Knoten – gute 6bf. Also das Großsegel reffen. Und hier mache ich einen entscheidenden Fehler: Wir gehen durch den Wind, lassen die Fock back stehen und werfen die Großschot los. Alles so weit, so gut für einen Beilieger. Doch ich gebe Joanna das Kommando das Ruder gelegt zu lassen, anstatt es hart nach Luv zu legen. Gerade sagt Joanna, dass wir uns weiter drehen, da bemerke ich schon, wie das Großsegel zum Überkommen ansetzt. Zu spät. Mit voller Wucht reißt der Baum auf die andere Seite. Ich kann mich noch ducken, werde aber von der Großschot am Hals mitgerissen, stütze mich unglücklich mit dem Daumengelenk auf. Daumen gestaucht, ein paar rote Striemen am Hals, Schürfwunden auf den Fingergelenken und irgendwie auch das ungute Gefühl, einen Beilieger so miserabel versemmelt zu haben, der ja eigentlich dazu da sein soll Ruhe in den Karton zu bringen. Das machen wir nicht noch mal, genausowenig wie ich noch einmal meine Hand (auch wieder die rechte) in den Windgenerator halten werde. Harte Lektionen.
Während dem Rest der Nacht wechseln sich die Winde ab. Mal 25 Knoten, mal nur 5, und eine lange Dünung von achtern baut sich auf. Wir bleiben im zweiten Reff und versuchen Skylla und Charybdis nicht weiter anzustacheln. Circe warnte Odysseus vor „der Zurückgebenden“ Skylla und „der Einsaugenden“ Charybdis. Skylla, die auf der Ostseite der Straße in einer Höhle haust, hat zwölf unförmige Füße und sechs Schlangenhälse mit einem scheußlichen Kopf mit dichten Reihen von Zähnen, mit denen sie ihre Opfer zermalmt. Ihr Leib soll in die Felskluft eingesenkt sein, mit ihren Hälsen fischt sie in der Straße nach Delfinen, Schwertfischen, Tunfischen und Seeleuten.
Gegenüber haust Charybdis, ein gewaltiger Strudel mit gierigem Rachen, der die Schiffe verschlingt, die ihm zu nahe kommen.
Wir haben Skylla und Charybdis mit reichlich Abstand passiert, und sind gerade noch mit dem Schrecken davon gekommen.