Mit Mutter in Venedig
Joanna, 14. 02. 2012

Vielleicht nicht ganz so stilvoll wie Goethe – aber etwas wie John Ruskin – war meine Mutter in “La Calcina” einquartiert. Übersetzt heißt es “Der Kalk” oder “Mörtel”…

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Vermutlich kennt jeder Engländer diese Herberge. Und wahrscheinlich jeder Kunsthistoriker kennt John Ruskin als den Verfasser der berühmten “The Stones of Venice” for example. Und eben jener Kunsthistoriker, Sozialphilosoph des 19. Jh.s wohnte in dieser Pension und schrieb hier unter anderem an diesem Buch, das zwischen 1851 und 1853 veröffentlicht wurde.

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Dementsprechend wird auch in der Pension mit Ruskin geworben.

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Meine Mutter hatte kaum das Zimmer von John Ruskin, das es vermutlich nicht mehr gibt, aber man darf annehmen, dass es eine Sicht auf den Guideccakanal und eine bestimmte (Grund-)Größe hatte. Die Winzigkeit des Zimmers meiner Mutter (2te Etage rechte Doppelfenster) konnte locker mit unseren Schiffskabinen mithalten.

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Die Pensione “Seguso” ist übrigens unter anderen Schriftstellerfans bekannt, nämlich jenen von Patricia Highsmith und ihrem Buch “Venedig kann sehr kalt sein”.

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Im ersten Ghetto der Welt; verwitterte Gesetzestafeln, die nicht zuletzt reine Verbote aussprachen, an die sich die (unbeliebten) Konvertierten halten mußten. Überraschend war für mich, daß sie das Ghetto überhaupt nicht betreten durften:

Gesetzestafel im Ghetto Spanische Synagoge DSC_2073 DSC_2074

Hier sieht man an den Seiten des Durchgangs noch Spuren von den Scharnieren der Tore, mit denen man das Ghetto abends – um ca. 18:00 Uhr und zwar an drei solchen Stellen – abschloß. Besondere Patrouillen umkreisten zu Wasser das Ghetto Nuovo und Vechio, damit keiner rein und raus konnte.

Ghetto: ehem. Tor, das verschlossen wurde Ghetto Nuovo

Neueste Mode für die zahlreichen Venezianischen Hunde:

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SANTA MARIA DELL’ ORTO

1350 wurde von dem Orden der Humiliaten eine Kirche, die dem heiligen Christophorus geweiht war, gebaut und ein Kloster gegründet. 1377 wurde mit Spendengeldern eine gotische Kirche errichtet; Anlaß war die Überführung einer wundertätigen Madonnenstatue, die in einem nahen Garten (orto) gefunden worden war. Der Kirchenbau selbst wurde um 1400 fertiggestellt, die Fassade hingegen konnte erst zwischen 1460 und 1464 vollendet werden.

Die Hauptfront orientiert sich an den Monumentalbauten der Frarikirche und Santi Giovanni e Paolo (Zanipolo), die sie in bescheideneren Maßen rezipiert. Die dreigeteilte Fassade entspricht der Aufteilung des Innenraumes und ist ebenfalls ein Ziegelbau. Die reichen Maßwerkfenster zum Campo sind um 1440 zu datieren. Das Portal von Bartolomeo Bon ist, wie jenes von Santi Giovanni e Paolo, ein Hauptwerk der spätgotischen Bildhauerkunst. Der Korbbogen wird von einer Statue des Hl. Christophorus, dem Schutzpatron der Händler, bekrönt. Die beiden flankierenden Säulen, die jeweils eine Maria tragen, wurden erst 1481 hinzugefügt. Die Fassade weist des Weiteren reichen figuralen Schmuck auf (Figuren der Tugenden und der 12 Apostel).

Links an die Kirchenfront anschließend befindet sich das Gebäude der Scuola dei Mercanti.

Santa Maria dell'Orto DSC_2141 DSC_2129

Und wo man nur hinschaut… Tintoretto, Tintoretto, Tintoretto … Dessen Haus, wo er Zeit seines Lebens bis zum Tode lebte und arbeitete, war nur wenige Straßenecken davon entfernt, und er selbst der Kirche sehr verbunden.

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Marias Tempelgang (1550-53). Berühmt nicht zuletzt durch das Gedicht von Rilke:

Tintoretto, siehe auch Rilke

Um zu begreifen, wie sie damals war,
musst du dich erst an eine Stelle rufen,
wo Säulen in dir wirken; wo du Stufen
nachfühlen kannst; wo Bogen voll Gefahr
den Abgrund eines Raumes überbrücken,
der in dir blieb, weil er aus solchen Stücken
getürmt war, dass du sie nicht mehr aus dir
ausheben kannst du rissest dich denn ein.
Bist du so weit, ist alles in dir Stein,
Wand, Aufgang, Durchblick, Wölbung -, so probier
den großen Vorhang, den du vor dir hast,
ein wenig wegzuzerrn mit beiden Händen:
da glänzt es von ganz hohen Gegenständen
und übertrifft dir Atem und Getast.
Hinauf, hinab, Palast steht auf Palast,
Geländer strömen breiter aus Geländern
und tauchen oben auf an solchen Rändern,
da dich, wie du sie siehst, der Schwindel fasst.
Dabei macht ein Gewölk aus Räucherständern
die Nähe trüb; aber das Fernste zielt
in dich hinein mit seinen graden Strahlen -,
und wenn jetzt Schein aus klaren Flammenschalen
auf langsam nahenden Gewändern spielt:
wie hältst du’s aus?
Sie aber kam und hob
den Blick, um dieses alles anzuschauen.
(Ein Kind, ein kleines Mädchen zwischen Frauen.)
Dann stieg sie ruhig, voller Selbstvertrauen,
dem Aufwand zu, der sich verwöhnt verschob:
So sehr war alles, was die Menschen bauen,
schon überwogen von dem Lob
in ihrem Herzen. Von der Lust
sich hinzugeben an die innern Zeichen:
Die Eltern meinten, sie hinaufzureichen,
der Drohende mit der Juwelenbrust
empfing sie scheinbar: Doch sie ging durch alle,
klein wie sie war, aus jeder Hand hinaus
und in ihr Los, das, höher als die Halle,
schon fertig war, und schwerer als das Haus.

Rainer Maria Rilke, zwischen dem 15. und 22.01.1912, Duino
Das Marien-Leben

Tintoretto

Tintorettos schlichtes Grab:

Grab Tintorettos

Marienstatue, die man (angeblich) im Garten des Klosters fand. Woraus sich dann auch der Name der Kirche ableitet. Giovanni De Santi: Die wundertätige Madonna (Steinskulptur, 14. Jh.)

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Eine dramatische Anbetung des goldenen Kalbes (1563) von Jacopo Tintoretto:

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Der fehlende Giovanni Bellini: Madonna mit Kind – das kleine Bild wurde am 1. März 1993 gestohlen, brutal herausgeschnitten aus dem Rahmen, heißt es. Eine Leerstelle unter all den Tintorettos – im doppelten Sinne:

Bellini: gestohlen

Cima da Conegliano: Johannes der Täufer und die Heiligen Petrus, Paulus, Markus und Hieronymus. Mein Highlight der Kirche!

Sein Vater war Tuchscherer, was auf Italienisch cima heißt, und den Beinamen der Familie abgab.

Cima war ein außerordentlich produktiver Maler. Neben den in der Tradition der Vivarini stehenden, in teils außerordentlich prunkvolle Rahmen gefassten Polyptichen, malte er eine große Anzahl von Altarbildern, häufig in der Form der Sacra Conversazione, kleinformatige Andachtsbilder, darunter zahlreiche Darstellungen der Madonna mit Kind, sowie gelegentlich auch, von reichen Sammlern der Zeit beauftragt, Bilder mit Themen aus der griechischen Mythologie. Sind die Polyptychen noch stark an der traditionellen Formensprache der Vivarini orientiert, so machen sich während seiner Tätigkeit in Venedig die Vorbilder Antonellos was die Technik der Ölmalerei und die Intensität und Delikatheit der Farben betrifft, sowie von Bartolomeo Montagna, Bellini und Giorgione in Bezug auf die atmosphärisch dichte Landschaftsgestaltung und die Detailgenauigkeit bei der Darstellung von Natur und Architektur bemerkbar. Dürer, der sich 1505 und 1506 in Venedig aufhielt und größte Wertschätzung durch seine italienischen Malerkollegen erfuhr, könnte auch Cima in seiner Auffassung von Natur und Landschaft angeregt haben. Die schon mit Bellini begonnene Ausgliederung des Personals einer Sacra Conversazione in die Natur wird von Cima weiterentwickelt, der die Madaonna und die begleitenden Heiligen in capriccioartige Phantasiearchitekturen und der offenen Landschaft aufstellt.

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SANT’ALVISE

“Die gotische, einschiffige Nonnenkirche befindet sich im Nordosten der Stadt. Das zugehörige Kloster wurde 1388 von der Familie Venier gegründet, nachdem, so die Tradition, Antonia Venier der heilige Ludwig von Toulouse (Sant’Alvise) erschienen war. Noch heute wird der Konvent von Nonnen bewohnt. […]

Die Innenausstattung stammt großteils aus dem 17. Jh. Das Fresko, welches die gesamte Decke des Kirchenschiffs einnimmt, stammt vermutlich von Pietro Antonio Torri und Pietro Ricchi und wurde nach 1674 geschaffen. Auf den von Säulen nach Vorbild Berninis getragenen Gesimsen der barocken Scheinarchitektur befinden sich Heilige; in ‚Schlußstein‘ eines gemalten Kreuzrippengewölbes die Figur Gottvaters. Unter der malerischen Innenausstattung ragen drei um 1738-1740 entstandene Gemälde von Tiepolo heraus: Aufstieg zum Kalvarienberg, Geißelung und Dornenkrönung.” [Gerhard Rösch, siehe auch unter: Venedigs Kirchen]

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SANTA MARIA DELLA SALUTE

Nach dem Ende der Pestepidemie von 1630 schrieb die Regierung der Serenissima einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für eine Votivkirche am südöstlichen Ende des Sestiere von Dorsoduro aus. Der Senat wollte ursprünglich das das Gelände der Dogana (Zollbehörde) am äußersten östlichen Ende für den Bauplatz der Salute hernehmen; dies scheiterte nicht zulwtzt an den Finanzen. Man entschied sich daher für das angrenzende Kloster der Trinità, welches auf der Stadtansicht um 1500 noch deutlich zu erkennen ist. Unter den elf eingereichten Arbeiten des Wettbewerbs wählte eine Kommission aus Patriziern im Juni 1631 einen Entwurf zu einem Zentralbau von Baldassarre Longhena und zu einer Saalkirche von Antonio Smeraldi und Giambattista Rubertini aus. Smeraldis Entwurf war an Palladios Il Redentore orientiert, die ihrerseits ebenfalls eine Votivkirche zum Dank an das Ende einer Pest ist. Noch im selben Monat wurde zugunsten von Longhenas Entwurf entschieden. Es entstand die bedeutendste barocke Kirche Venedigs.

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ENDE