Vis, die Insel – Vis, die Stadt
Joanna, 29. 12. 2010

Wir sind heute – nicht ganz so früh wie ursprünglich vorgehabt – von Split Marina nach VIS aufgebrochen.

Das Manöver in der Marina war ganz ok: ich (J.) war am Ruder und Marcel auf Vorschiff, um mir die Manöveranweisungen zu geben. Das ewige Problem ist nämlich das Langkiel, das unter der Chulugi dran ist. Es macht das Schiff schwer manövrierbar auf kleinem Raum und behäbig in der Reaktionsfähigkeit ist es auch. Der Platz, den wir in der Marina zugewiesen bekommen haben, ist nicht besonders gut für diese Art von Schiff. Aber die Damen an der Rezeption begreifen das Problem nicht, und der ‘Hafenmeister’ in Urlaub… Wie dem auch sei, zurück zu unserer Ausfahrt:

Wir haben die Marina verlassen, nachdem wir uns von einem netten Kroaten am Steg (Vercharterer? Charterbooteigener? ‘Hausmeister’?) eine Gangway ausgeliehen haben, weil uns immer noch eine fehlt, ohne diese aber in südlichen Regionen kein Landgang möglich. Man fragt sich natürlich, wie wir es denn bisher ohne geschafft haben… Da sollte man am besten Marcel fragen, einfach war es jedenfalls nicht. Ich plädiere schon seit Ewigkeiten für eine solche Anschaffung.

DSC_4338[Festland mit den schneebedeckten Bergen hinter uns]

Die Überfahrt nach VIS war ruhig. Wir hatten (wiedermal) keinen Wind und mußten unter Motor fahren. Strahlend blauer Himmel, dunkelblaues Wasser, wenn die leichte Dünnung nicht gewesen wäre, hätten man gar nicht gemerkt, daß wir auf dem Wasser fuhren.

Ich bin jedenfalls in der wärmenden Sonne eingeschlafen, der Steuerpilot hat das Ruder übernomen und Marcel den temporären Ausguck.

Es ist kalt in Split! Wir hatten Minusgrade in der Nacht und mußten den Kanonenofen an Bord anmachen. VIS soll ca. 8 Grad wärmer sein als Split, aber da wir hier schon zu sonnenuntergangszeit angekommen sind, können wir das nicht beurteilen. Wirklich warm fühlt sich es hier aber auch nicht an.

Auch der Himmel auf unserer Überfahrt hatte eine Färbung zwischen Mintgrün und Hellblau, die so typisch für einen winterlichen Himmel ist, mit schmalen, schnittigen Schleierwolken darüber.

Ohne Ereignisse passierten wir einige kleinere und größere Inseln (und große, schwellproduzierende Fähren) und hatten aufgrund der hervorragenden Sicht unser Ziel immer vor Augen.

VIS oder ISSA

VIS ist von den großen Inseln die am weitesten vom kroatischen Festland entfernte, nämlich 44 km Luftlinie. Das war und ist im gewissen Grade immer noch ihr Schicksal und Verhängnis, denn damit ist sie von besonderer politisch-strategischer, das heißt militärischer Bedeutung für die jeweiligen Eroberer und Hausherren der Insel.

Illyrer und Griechen – ein wenig Geschichte

Besiedelt war die Insel wohl schon im Neolithikum. Illyrer nahmen sie ein und lebten hier im 6. und 5. Jh. v. Chr. Sie prägten bereits eigene Münzen, die aus dem 4. Jh. v. Chr. überliefert sind: die Vorderseite zeigt das Konterfei von Jonius, einen Illyrischen Herrscher, die Rückseite einen Delphin als Symbol für Reichtum des Meeres und damit für Glück und Wohlstand der Insel.

397 v. Chr. eroberten die Griechen die Insel und machten sie zu ihrer ersten Kolonie in der Adria. Ihr Feldherr Dionysios d. Ä. von Syrakus wurde zum Tyrannen der Kolonie, die fortan Issa hieß. Syrakus war der mächtigste Staat auf dem damaligen griechischen Territorium und so verwundert es nicht, daß auch Dionysios Sohn (der Jüngere) seine Herrschaft in der östlichen Adria ausbauen konnte. Von der Mutterkolonie Issa aus wurden weitere gegründet: Trogir, Stobreč  bei Split, Solin bei Split, Lumbarda auf der Insel Korčula. Angeblich war er mehr an Platons Philosophie interessiert als an den Staatsgeschäften und so brauchte er bald fremde militärische Hilfe, als Issa angegriffen wurde. Und dies von niemandem geringeren als der sagenumwobenen sogenannten Piratenkönigin Teuta, einer illyrischen Königin, die wahrscheinlich ihr angestammtes Recht auf die Herrschaft über die ehemals illyrische Insel in Anspruch nehmen wollte. Der “Freund Platons” – ob wörtlich oder nur im übertragenen Sinne – rief Rom um Hilfe an, die nur zu gerne gewehrt wurde, da Rom gerade auf Expansionskurs war. Damit stellte er die Weichen für die Vormachtstellung Roms und besiegelte er die Abhängigkeit der Insel von der römischen Macht. Das war um 229 v. Chr. (illyrischer Angriff) und dem 1. Jh. v. Chr.

Ca. 46 v. Chr. machte Issa einen gravierenden Fehler – und wurde römisch als sie sich im Krieg zwischen Pompejus und Caesar auf die Seite des ersteren und damit auf die des Verlierers stellte. Issa wurde danach zum Oppidum civium Romanorum und von Salona (Solin bei Split) abhängig. Auf der anderen Seite war es aber auch die Zeit der größte römischen Bautätigkeit auf der Insel, das heißt der üblichen römischen Prachtentfaltung, die sicherlich auch dem Wohlstand der Bevölkerung zugute kam. Thermen, Theater, Tempel, ein Forum wurden gebaut – die vereinzelten Ruinen zeugen noch heute davon.

Nach der Teilung des Römischen Reichs fiel Issa an Byzanz und da Salona in der Zeit zum Macht- und Verwaltungszentrum des oströmischen Reiches anwuchs, verlor auf der anderen Seite Issa ihre Bedeutung proportional dazu in Gänze. Allein, so heißt es, ihre herausragenden Weine schützten sie vor der vollkommenen Vergessenheit.

Ab da drehte sich die Fortuna immer schneller und abwechslungsreicher um Issa:

  • 997-998, Venedig erobert Stadt und Insel.
  • 12. bis 13. Jh., kroatisch-ungarischen Könige – Fürsten von Krk und Omis) erobern die Insel.
  • 1242, die Insel wird zur Kommune von Hvar.
  • 1409 kauft Venedig ganz Dalmatien von König Ladislav für den Spottpreis von 100 000 Dukaten ab, und bekommt 1420 auch Issa dazu (bis dahin zu Kommune Hvar gehörend). Issa hat jetzt einen neuen Namen: LISSA.
  • 18. Jh. kam der Niedergang Venedigs und Issa/Lissa fiel an die Österreicher und in Folge an die Franzosen.
  • 1811 gewannen die Briten nach einer Seeschlacht die Insel und befestigten sie.
  • 1815-1918 unterstand die Insel Österreich, das dort einen Kriegsflottenstützpunkt unterhielt.
  • 1866 nahe Lissa (Issa)/Vis gaben sich die Österreicher und die Italiener, die die Insel zurückzuerobern suchten, eine erbitterte Seeschlacht. Auf der österreichischen Seite unter dem Kommando von Admiral Wilhelm von Tegetthoff, der schließlich die wesentlich stärkere italienische Flotte besiegen konnte.
  • Und dennoch, zwischen 1918-1920 wurde Vis italienisch.
  • Danach gehörte sie Serben, Slowenen und Kroaten.
  • 1943 versuchten erneu die Italiener die Insel zu okkupieren, doch ohne Erfolg.
  • Ab da wurde Vis eine jugoslawische Hauptmarinebasis mit Sitz des Marienstabs. 1944 entstand ein Militärflughafen.
  • Von Juni bis 22. Oktober 1944 war Vis Sitz des Generalstabs des Volksbefreiungskampfes unter Marschall Tito. Dieser ‘residierte’ in einer recht kleinen Höhle in der Nähe des höchsten Berges (Hum, 585 m) der Insel.
  • Schließlich kam die Insel nach dem II. Weltkrieg zur Republik Kroatien und damit in die Föderative Volksrepublik Jugoslawien.
  • Ab 1990 und der Unabhängigkeitserklärung Kroatien bis heute gehört sie zu Kroatien.
  • Bis 1989 war die Insel für ausländische Besucher gesperrt und ein Militärsperrgebiet.


VIS-STADT

Als wir kurz vor 16:00 die Hauptstadt der Insel anlaufen, ist die Sonne schon hinter dem nächsten Berg untergegangen, außerdem sind wir im Osten der Insel und können nicht auf einen der spektakulären Wintersonneuntergänge hoffen, wie wir ihn noch gestern in Split sahen. Die Dämmerung erobert die tief eingeschnittene Bucht, in der sich die Stadt erstreckt.

Vis besteht eigentlich aus zwei Ortschaften, die deutlich nicht zusammengehören aber kommunal zusammengelegt wurden. Da ist die etwas größere Teilörtschaft Luka im Westen und Kuta im Osten der Bucht. Welche für unseren zweitägigen Aufenthalt nehmen? Gegen Luka spricht der Schwell, den die dort anlaufende Fähre verursachen soll und die Geschäftigkeit des ‘Hauptortes’. Dagegen soll Kuta der ältere Teil der Stadt Vis sein und gleichzeitig ruhiger und ‘einheimischer’. Wir entscheiden uns natürlich für Kuta. Und wie sich am Abend – wenn es dann zu spät für Änderungen ist – zeigen wird, für die falsche Bleibe.

Zunächst ist Kuta und der Blick auf den westliche Stadtteil Luka sehr beschaulich und schön.

DSC_4342[Luka vor dem Bug]


DSC_4344[Kuta direkt hinter dem Heck – wir haben bei glattem Wasser selbst angelegt]

DSC_4348[Kuta]


DSC_4353 [Die Einfahrt in die Bucht und die ersten Abendrotfarben am Spliter Horizont]


DSC_4357[Das Kaminrohr unseres Kanonenofens fotografiert vor der Bergkette Vis’]

Nachdem wir uns etwas von der Überfahrt erholt haben – Kamin angeschmissen und umgezogen – konsultierten wir unsere schlauen Bücher in Bezug auf die kulinarischen Möglichkeiten der Insel. Wir entscheiden uns für eine Konoba im Luka-Stadtteil, die ganz hervorragend sein und sich in einem ehemaligen Hotel von 1911 befinden soll. Als wir losziehen ist es natürlich schon längst Nacht geworden… Das Städtchen macht einen sehr verlassenen aber schönen Eindruck. Hinter dicken Holztüren einiger stattlicher, teils venezianisch ausschauender Häuser hören wir Barlärm. Es scheinen also nur die Straßen wie ausgestorben zu sein. Dennoch, das meiste hat bereits für den Winter geschlossen und so finden wir das hochgelobte Restaurant nicht. Wie schade…

Es geht also zurück zu unserem Stadtteil und in eine Konoba “Pojoda”, von der es heißt, daß sie hervorragende Brodeto zu bieten hat. Natürlich kommt alles etwas anders als es sich den Besuchern in der Saison geboten haben mag: Wir habe kaum Auswahl an Speisen, was aber nicht schlimm ist, denn der uns präsentierte Fisch – ein fangfrischer Knurrhahn oder auch Skorpionfisch – ist überaus delikat. Dazu gibt es dann eine leichte Fischsuppe aus demselbigen und noch zwei Oktopusbuletten mit Mangold und Kartoffeln! Wir sind mit dem Essen sehr zufrieden. Der vielgelobte Rotwein hiesiger Produktion ist leider zu lange schon offen, doch er hat bestimmt ursprünglich ganz gut geschmeckt. Wir werden morgen weiter und vielleicht auch woanders probieren und berichten.

Als wir aus der Konoba rausgehen, ist offenbar in Kuta (wahrscheinlich nur dort) der Wind aufgekommen! Was angeblich nicht sollte und wovon nichts in den Wetterprognosen zu hören war. Der Wind weht natürlich von der für uns falschen Seite, so daß wir nun in den Seilen hin und her gerüttelt werden, die Wellen schlagen an die Kaimauer und plätschern an das Heck und die Seitenwände zurück. Alles Geräusche und Gerucke, die den nächtlichen Aufenthalt unter Deck nicht gerade schön und ruhig gestalten werden. Ich befürchte eine schlaflose Nacht.

Und schon wieder haben wir uns für die falsche Seite der Bucht entschieden. Marcel weigert sich standhaft, nach Luka zu verholen. Ja, er kann auch überall schlafen… Ich werde es mit Ohrstöpseln in der Vorschiffskoje versuchen.

Morgen wollen wir wandern: eine 5-Stunden (einfache Strecke) Wanderung zu Titos Höhle und Hum, dem höchsten Berg hier (585 m). Mal sehen, ob ich morgen fähig sein werde, rechtzeitig aufzustehen, da mich nun diese unruhige Nacht erwartet. Da wäre die befürchtete Fähre mit ihrem Schwell in Luka wohl doch eine ‘Wohltat’ gewesen.