Wundersame Weihnacht

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Während meiner frühmorgendlichen Yoga-Praxis bei Sonnenaufgang am Strand erschienen drei jüngere Männer, lange Hosen, gebügeltes Hemd, zumindest einer von ihnen. Er hatte eine in Leder gebundene Mappe unter dem Arm und redete auf die beiden anderen ein. Zunächst verstand ich nicht, was er wollte, nur, dass O Senhor ihnen irgendetwas zu sagen hatte. Dann verstand ich: Er war ein Prediger, der zwei seiner Jünger vom Pfad des Herrn überzeugen wollte. Morgens um sieben Uhr, am Strand? Die Wege des Herrn sind bekanntlich unergründlich. Und schließlich ist ja heute Weihnachten.

Gestern Vormittag kaufte ich eine tiefgefrorene Ente (1.800g, unser Weihnachtsbraten) im Supermarkt. Die Schlangen sowohl derjenigen, die in den Supermarkt hinein wollten, als auch derjenigen, die an den beiden Kassen zu bezahlen versuchten, waren seltsamerweise gleich lang, obwohl es viel länger dauerte auf dem Weg nach draußen endlich an der Kasse angekommen zu sein. Die Kassiererinnen erledigten ihre Arbeit gewissenhaft in der Geschwindigkeit des Kontinentaldrifts. Etwas weiter vor mir kaufte ein älterer Herr zwei Dosen Gemüse. Seine Bewegungen erschienen wie in Zeitlupe. Als ich irgendwann an die Reihe kam, schlurfte er noch einmal zurück. Er wollte eine der beiden Dosen umtauschen. Die andere Schlange war natürlich die schnellere. Usw. Etwas später war der Supermarkt so voll, dass es keine Einkaufskörbe mehr gab.

Mittags war ich noch einmal im Medi Center. Die Entzündung meines linken Zeigefingers will auch in der dritten (vierten?) Woche nicht abklingen. Ein weiterer Versuch mit anderen (stärkeren?) Antibiotika. Der Weihnachtsbaum im Foyer bestand aus aufgeblasenen Einmal-Handschuhen. An den abgeschnürten Fingern hangen bunte Weihnachtskugeln.


Im Medi Center.

Auf dem Rückweg zum Schiff beobachtete ich die Handwerker, die seit ein paar Tagen die Fassade des ehemaligen britischen Konsulats beiputzen dabei, wie sie ihre Farbrollen unten in der Bucht auswuschen. Eine weiße Wolke breitete sich im Wasser aus.

Wir liegen seit gestern am Steg des Fishing Clubs, um die Chulugi mal wieder richtig sauber zu bekommen. Hatte ich von dem ganzen Staub und dem Dreck berichtet? Ich glaube schon. Bevor der nicht runtergewaschen ist, bleibt unsere Weihnachtslichterkette in der Backskiste, die uns schon einige Jahre begleitet. Hier in Mindelo ist erst seit gut einer Woche alles bunt erleuchtet. Einer der hier Hängengebliebenen dachte, es wäre erst November. Weihnachten kommt ja bekanntlich immer ganz plötzlich. Hier kommt jedoch wenig Weihnachtsstimmung auf. Die meisten Segler scheinen das Fest, früher in der Familie zelebriert, nicht mit auf die Reise genommen zu haben.

Am Nachmittag half ich noch einem Segler beim Mast legen, unser Dingi muss noch am Strand gebürstet werden, usw. Ach ja, und wir warten jetzt schon seit zwanzig Tagen auf unsere Sendung aus Deutschland. Zweiter Versuch. Wir haben diesmal zwanzig Euro mehr bezahlt, für bevorzugte Zustellung, doch Pustekuchen: Die Sendung wird ins Zielland transportiert. Zu Fuß? Wieder über die USA nach Brasilien? Oder unterwegs rausgefallen? Wer weiß. Die Wege des Herrn sind unergründlich. Wir wünschen unserer Familie und allen Freunden eine genauso wundersame Weihnacht.