Las Palmas de Gran Canaria; Agatha Christie, Moitessier und Columbus

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Marcel ist der Meinung, wir müssen nicht alles erwähnen, wenn es dazu nichts Wesentliches zu sagen gibt und wo auch keine aussagekräftigen Fotos vorhanden sind … und daher weigert er sich, über Las Palmas zu schreiben. Marcel ist sowieso im Rückstand mit zwei Artikeln zu unseren Ausflügen in den Norden und in den Barranco.

Die Hauptstadt von Gran Canaria verschweigen? Jene Stadt, die die heimliche Hauptstadt der Kanaren ist, und die siebtgrößte Stadt Spaniens? Jene Stadt, von der Agatha Christie schwärmte und ihre Urlaube hier verbrachte? Und schließlich ist auch die Bucht von Las Palmas und die Stadt von Christoph Columbus und seinen drei Schiffe starken Flotte auf dem Entdeckerweg nach “Indien” aufgesucht worden. Ach ja, man darf auch nicht Bernard Moitessier unerwähnt lassen, der die Marina in den 1965er Jahren mit seiner Ehefrau Francoise (und ihren Kindern) besuchte.

“Für mich ist Las Palmas immer noch der ideale Ort, um die Wintermonate zu verbringen. Soweit ich weiß, ist es heute ein von Touristen vielbesuchtes Seebad und hat seinen früheren Charme verloren. Damals war er still und friedlich”, schrieb Agatha Christie, als sie 1928 für mehrere Monate auf der Insel wohnte, um an ihrem Roman “Der blaue Express” zu schreiben. Ein Buch von ihr, das ich gar nicht kenne. Aber sie beschreibt sehr ernüchternd, wie schlecht ihr die Arbeit an dem Buch von Hand ging, und dass sie sich nicht daran erfreuen konnte, als das Buch genauso gut verkauft wurde wie ihre anderen Bücher (“Ich habe den Blauen Express nie leiden können.”). Die Autobiographie scheint hingegen sehr gut geschrieben und zudem interessant zu sein. Vielleicht eine Idee für ein Weihnachtsgeschenk: A.Ch., “Meine gute alte Zeit. Eine Autobiographie”, 1977.

Circa 60 Jahre später war die Seglerlegende Bernard Moitessier in Las Palmas. Er erwärmte sich sehr für die Kanaren hervorgerufen durch die Begegnung mit Fuerteventura und den einsamen Sanddünen und Lagunen an der Ostseite der Insel. Heute große Hotelanlagen. In dem Segelclub von Las Palmas – eine Marina gab es noch nicht – schwärmte er von dem alten ehrwürdigen Clubhaus mit mondänem wenn auch bereits runtergekommenem Chic des großen Saales, und die Hilfsbereitschaft der Clubmitglieder. Ihm und seiner Ehefrau hat es dort sehr gefallen, gerade das ‘Heruntergekommene’, doch erwähnt er auch, dass dieses schöne Haus bald abgerissen wird, um einem “schön modernen” Platz zu machen. Sie beide waren wohl die letzen, die dieses alte Clubhaus genießen durften. Nachzulesen in dem sehr zu empfehlenden Buch Kap Horn, der logische Weg (frz. Cap Horn à la voile). Übrigens war die Reise der beiden eine Initialzündung für viele Paare, sich als so kleine Seemannschaft auf das große Wasser hinauszuwagen um schwierige Situationen zu zweit zu meistern. Das war in den 1960er Jahren nicht üblich, so wie heute es eher normal ist.

Heute steht dieses “schön moderne” Haus umzingelt von Autos und trennt den Clubhafen von der Stadtautobahn, die direkt daran vorbeiführt. An das alte Haus erinnert eine große Tafel daneben. Man kann selbst entscheiden, was einem mehr gefällt. Hunde und Nichtclubmitglieder dürfen nicht rein – auch das war zu Moitessiers Zeiten anders, denn er segelte nicht nur mit seiner Ehefrau sondern auch mit einem kleinen Hund.

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Columbus hingegen war bereits am 11. August 1492 in den Hafen von Las Palmas eingelaufen, der schon damals in Santa Catalina, dem heutigem Stadtteil von LP, lag, den wir uns allerdings eher wie eine umfriedete Bucht vorstellen müssen und weniger wie einen Hafen heutiger Tage oder die Clubmarina von Moitessier. Fast einen Monat lang trieb sich Columbus auf bzw. zwischen Gran Canaria und La Gomera hin und her. Und selbstverständlich hat Las Palmas einen Columbus-Haus.

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Wilde Stilmischung zwischen Gotik, Renaissance, Mudéja-spanischen Kunststil und versteckten neuzeitlichen Zutaten. Denn das Haus besteht eigentlich aus mindestens drei Häusern, die durch Umbauten zu diesem einen großen Gebäude zusammengefasst worden sind. Es ist durchaus möglich, das Columbus in einem der ursprünglichen Häuser, die sehr prominent hinter der Kathedrale standen, wenige Tage oder Wochen lang loggierte. In diesem Haus von heute war er jedoch nie, denn es ist erst im 18. Jh. entstanden!

Dennoch empfiehlt unser kunsthistorischer Prestel-Reiseführer durchaus einen Besuch dieses Museums, denn man entdeckt dort noch Stilelemente der oben erwähnten Stilepochen, die sonst kaum mehr in der Stadt zu finden sind. Wir waren dennoch nicht drin.

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Die Kathedrale ist enorm, und sprengt in ihrer Größe alles Alte in der Umgebung. Sie ist Neugotisch (!) – ich würde sagen, sie ist “Neu-Allesmögliche”. Ich denke, man versteht, was ich meine, wenn man sich die Fotos anschaut. Und eine Frage an Kunstbewanderte und/oder Katholiken: Wer ist hier eigentlich dargestellt?

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Mir scheint es, als ob ich die Stadt nur nachts gesehen hätte. Es regnete auch und die sogenannte Altstadt bestand aus wenigen Straßenzügen, die wie ausgestorben wirkten. Zu unserer Verwunderung stellten wir irgendwann fest, dass das “Leben” sich in der Einkaufszone und ihren Seitenstraßen abspielte! Und diese sahen mehr oder weniger so aus wie bei uns in Mitteleuropa und überall sonst auch.

Die Stadt dehnt sich nach fast allen Seiten aus und besetzt unaufhörlich die Berghänge. Die bevorzugte Bauweise ist das Hochhaus, dem die alten Häuser Platz machen. Ein Teil der zusammenhängenden Altstadt bestand noch in einer Rotlichtzone, ein Puff neben dem anderen, in die wir durch Zufall gerieten. Ich traute mich aber nicht, Fotos zu machen.

Immer wieder und in jedem Stadtteil stehen vernachlässigte, eingefallene alte Häuser. Ihr Anblick macht traurig, sieht man wie schön und großzügig, fast immer mit einem Patio versehen, sie waren. Das Meer und damit der Hafen ist von der Stadt in Gänze abgeschnitten. Dafür sorgt eine – und ich übertreibe nicht! – 9 bis 11-spurige Stadtautobahn, die zudem durch Kreisel unterbrochen ist. Sie ist so angelegt, dass sie wesentlich über dem ursprünglichen Stadtniveau liegt, eine Unterführung für Fußgänger ist nicht vorgesehen gewesen. Dagegen wird die Autobahn von einer Avenida zu der Meerseite hin gesäumt, die zum Flanieren einlädt… mit einem Trimmdich-Pfad und aufwendigen öffentlich zugänglichen Geräten hierfür versehen ist. Man glaubt es nicht, aber die Insulaner finden das ganz in Ordnung und joggen entlang der Autobahn. Der Lärm ist ohrenbetäubend, die Ampeln für die Fußgänger rar und wenn man auf die drei Sekunden Grünphase wartet, kann man schon mal die ganze Zeitung durchlesen. Aber wahrscheinlich bin ich nur überempfindlich.

Einzig die Marina, obwohl so voll durch die ARC-Segler, die sich auf das baldige Segeljachtrennen über den Atlantik vorbereiten, war beinahe und entgegen unseren Erwartungen sehr nett. Wir trafen hier Eckhard von der “Loni 3” und seinen neuen Mitsegler, mit denen wir einige nette Abende verbrachten. Wir hoffen, dass sie gute Plätze bei der ARC belegen und vor allem gut auf der anderen Seite des Teiches in der Karibik ankommen! Alles Gute und vielleicht bis irgendwann mal.

Neue Bekanntschaften wurden geschlossen – so geht es immer wieder zu bei den Langzeitseglern. Abschiede folgen aufs Kennenlernen. Was bleibt, sind die Erinnerungen und die Kontaktkärtchen. Und manchmal ergibt sich mehr daraus.

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