8.000 Seemeilen im Kielwasser in 2023 – und immer noch in der Türkei

Zugegeben – in Chulugis Logbuch stehen im Jahr 2023 weniger Seemeilen, als in all den anderen Jahren, in denen wir unsere alte Dame segeln. Es müssten gerade einmal ein paar hundert sein – nicht der Rede wert. Wir haben uns kaum bewegt. Der lange grüne Bart am Wasserpass steht dafür Zeuge. Doch die bei Überführungstörns angesammelten Meilen in diesem Jahr addieren sich zu einem hübschen Sümmchen: 2.654 Seemeilen waren es im Frühjahr zwischen der Dominikanischen Republik und den Azoren auf dem Nordatlantik; 5.363 Seemeilen lagen zwischen der Türkei und Thailand im Kielwasser. Machen insgesamt stolze 8.017 Seemeilen in 2023 auf den Yachten SABRINA und ELANOR. Es waren meine sechste und siebte Ozeanüberquerung (den Mozambique-Kanal von Süd nach Nord nicht mitgerechnet). Ich glaube, das kann sich schon sehen lassen. Mir fehlt noch der Pazifik in meiner Sammlung. Das wird bestimmt noch irgendwann nachgeholt.

Dabei ist es immer bequem, wenn der Berg zum Propheten kommt. Beide Aufgaben haben sich so ergeben. Manchmal ist es mehr, als nur Zufall. Doch fangen wir im Frühjahr an: Dani, die Eignerin der Bavaria 46 SABRINA, hatte nach ihrer erfolgreichen Atlantiküberquerung von Ost nach West in der Karibik tragischerweise ihren Mann verloren und saß dann auch noch während der Pandemie alleine auf ihrer Yacht fest. Ihr großer Vorteil: Dani war eine erfahrene Skipperin. Sie hatte bereits viele Tausend Seemeilen als Charterskipperin in ihrem immer akkurat geführten Logbuch stehen. Sie kannte sich also auf See aus und sie kannte ihr Schiff. Doch alleine zurück nach Europa segeln? Das erschien doch etwas zu überambitioniert. Und da Dani eine sehr auf Sicherheit bedachte Skipperin war, stand ihr Beschluss fest, einen Co-Skipper an Bord zu holen, der sie im Fall der Fälle vollständig ersetzen konnte. Jemanden, der in der Lage gewesen wäre, das Boot alleine nach Europa zu segeln, sollte ihr unterwegs etwas passieren. Als Crew zusätzlich an Bord: Stefan, der aus Puerto de la Cruz auf Teneriffa angereist war und der kurz zuvor seinen Bootsführerschein gemacht hatte. Eine Atlantiküberquerung von West nach Ost schien genau das Richtige, um die erlernten Fähigkeiten unter zwei erfahrenen Skippern unter Beweis zu stellen.

Was die Routenplanung und das Zeitfenster anging, stand ich bereits seit einigen Monaten mit Dani in Kontakt. Ich war die Strecke im Jahr zuvor schon zwischen Martinique und den Azoren auf einem Überführungstörn gesegelt. Meine Erfahrung nach zwei Atlantiküberquerungen von West nach Ost: Nicht zu früh starten, um weniger stürmisches Wetter und weniger starken Passat abzubekommen. Der Passat dreht zum Ende der Saison etwas in den SE-Quadranten und man muss weniger hoch am Wind segeln. Und: so viel Diesel zusätzlich mitnehmen, wie man stauen kann. (Das gilt übrigens auch für den zweiten Törn in diesem Jahr auf dem Indischen Ozean. Aber dazu später mehr.) Denn so stürmisch es auf dieser Strecke werden kann, so windstill wird es auch. Weiterhin habe ich für mich entschieden, und ich glaube, Stefan wird mir zustimmen: Ich werde keine Ozeanpassage mehr antreten, ohne ausreichend Schatten im Cockpit zu haben und kein Schiff mehr segeln, mit auf Schienbeinhöhe eingestecktem Steckschott. Sorry, Dani :-)

Dani und Stefan im Regen in tropischen Breiten
Eine Sonnen-Corona oder ein Sonnen-Halo entsteht durch Brechung von Sonnenlicht an Eiskristallen in der Atmosphäre.
Ein bisschen Schatten.
Regen in den höheren Breiten.
Geschafft. Die glückliche Crew nach erfolgreicher Atlantik-Überquerung – natürlich bei Peter Café Sport in Horta.
Die Azoren – immer wieder ein Erlebnis.
Zwischenstopp in Deutschland. Auf dem Trödelmarkt in Herten kann ich die Route noch einmal mit dem Finger nachverfolgen.

Zurück in der Türkei ging schon es an die Vorbereitung der nächsten großen Passage. Ich hatte bereits geschrieben, dass es mehr als Zufall gewesen sein muss, dass wir in Finike mit CHULUGI neben ELANOR lagen. Wir trafen Christian, Südtiroler Italiener, mit seiner thailändischen Lebensgefährtin Toon. Bei weinseligen Abenden berichteten wir, wie wir in der Türkei gelandet waren, nachdem wir während der Pandemie 14 Monate in Cochin, Indien, verbracht hatten. Christian erzählte dann von ihren Plänen, das Schiff nach Thailand zu bringen, da Toon in Europa mit thailändischem Pass überall Probleme mit dem Visum zu stemmen hat. Da Christian bisher nur Tagestörns im Mittelmeer und auf Südtiroler Bergseen gesegelt war und Toon so gut wie gar keine Segelerfahrung hatte, kam schon bald die Frage, ob ich nicht als Co-Skipper mit ihnen ELANOR nach Thailand segeln wollte. Ich kannte die Strecke, zumindest bis Cochin. Und ich war bereits während des Südwest-Monsuns im Indischen Ozean gesegelt.

Einen ausführlichen Bericht werde ich bestimmt noch nachliefern. Hier ein Überblick der Reise in Bildern:

Am Tag der Abreise in Finike.
Der erste Abschnitt ist geschafft. Festmachen in Port Said, der nördlicchen Seite des Sueskanals.
Große Schiffe und kleine Boote bei der Passage durch den Kanal.
Während der monotonen Motorfahrt an beiden Seiten des Kanals aufgeschüttete Wälle.
Da es im Sueskanal keine Schleusen gibt, ist die Fahrt meist unproblematisch. Außer es steckt mal einer der Großen quer.
Abschied von unserem Agenten, Captain Heebi, dessen Dienste ich nur jedem empfehlen kann, der die Suespassage in Angriff nehmen will. Den Kontakt stelle ich gerne her.
Auch unterwegs wird gearbeitet. Doch bei Temperaturen von fast 40 °C und mehr als 80 % Luftfeuchtigkeit wird schnell das Hirn mürbe.
Die Nachtwachen haben wir zwischen 18:00 Uhr und 06:00 Uhr morgens eingeteilt.
Traurig: Die Hitze und Windstille im südlichen Roten Meer setzten den Vögeln zu.
Einige kamen zu uns zum Sterben. Toon wollte eine buddhistische Feuerbestattung. Christian und ich waren dagegen. 2:1 für die traditionelle Seebestattung.
Das Wasser war so glatt, dass die Fotos, die ich von Deck aus gemacht habe, fast aussehen, als ob sie unter Wasser fotografiert wurden.
Dieses gemeine, raubtierhafte Grinsen.
Und da musste schon fast die Kitsch-Polizei anrücken.
Immer mehr fast tote Vögel fallen vom Himmel. Der fantastische Realismus García Márquez wird Realität.
Ein letztes Gebet auf dem Buddha-Schrein. Die Wiedergeburt ist nahe.
Es wird so feucht und heiß, dass selbst Badeshorts am Körper nicht mehr trocknen. Meiner Haut setzt das Klima zu. Mein Ayurveda-Arzt in Cochin bestätigte mir später, dass ich als Pitta-Typ hitzeempfindlich bin.
Himmel oder Ozean?
Zwischen Djibouti und Soquotra patroullieren Kriegsschiffe der unterschiedlichsten Nationen. Wir hatten täglich Funk- und Email-Kontakt zu den internationalen Truppen. Die Einstufung zur High-Risk-Area wurde Anfang des Jahres aufgehoben. Good job!
Kurz vor Cochin. Die Gastlandflagge bereit zum setzen.
Der Ankerplatz zur Einklarierung in Cochin vor den Gebäuden der Hafenverwaltung und des Malabar-Hotels.
Behördengänge in Cochin.
A Tuk-Tuk-Ride.
In der Kantine der Hafenarbeiter. In Kerala wird mit den Fingern gegessen.
Wiedertreffen mit unserem Freund Varghese, der zu Tränen gerührt war.
Taucharbeiten.
Kurz vor Cochin hatten wir uns ein Fischernetz um den Propeller gewickelt.
Bei unserem Freund Raj zu Hause.
Und bei Varghese mit Familie.
Am Abend auf der Bolghatty-Insel. 14 Monate war dieser Ort während der Pandemie unser Zuhause mit CHULUGI.
Nur drei Yachten liegen in der Marina am Bolghatty-Palace-Island-Resort.
Der Garten im Monsunregen.
Die berühmten chinesischen Fischernetze in der Hafeneinfahrt zu Cochin.
Wir treffen den deutschen Architekten Karl Damschen, der uns in Fort Kochi, dem alten Cochin, einige seiner Bauten zeigt.
Karl lebt seit 30 Jahren in Cochin und ist eine Berühmtheit. Die Angestellten wollen sich sofort mit Karl fotografieren lassen.
Einige unserer Hunde sind immer noch da.
Der damals kleine Leo hat bei Srikant und seinem Vater eine Familie gefunden. Leo war der letzte Hund, den wir vor unserer Abreise von der Straße geholt hatten.
Der letzte Abschnitt nach Thailand beschert uns diesmal eine Mond-Korona.
Und wieder einen Knäuel aus Gurtband und Seegras im Propeller.
Da wären wir doch fast vorgefahren. Mitten im Ozean treibt eine Stahltonne von etwa zwei Metern Länge. Das hätte böse enden können.
Aufgabe des Skippers.
Die Flaggen sind gesetzt: An Backbord die Nationalitäten der Crew (ELANOR läuft unter der Flagge San Marinos.), der TO-Stander und der ehrenhalber verliehene Blauwasserstander, der nur zu besonderen Anlässen gesetzt wird. An Steuerbord die Gastlandflagge Thailands und die Q-Flagge zur Einklarierung.
Glückliche Gesichter nach dem Festmachen. Fast 5.500 Seemeilen in zwei Monaten liegen hinter uns.
Da haben wir uns drauf gefreut.
Wieder nur Zufall? Der Tag unserer Abreise und der Tag der Ankunft fallen auf einen Buddha-Tag im buddhistischen Kalender.
Ein Mönch segnet uns und legt uns Glücksbringer an. Die Reise ist geschafft.

4 Antworten

  1. Eugeniusz Mańko

    hallo Ihr lieben,
    Eure Reiseberichte, Fotos usw. kann man ständig gerne lesen… besser als manche Bücher.
    Weiter so und viel Glück und Gesundheit in unsere schweren, Unvorsebahren Zeiten…
    MfG. Eugen Manko

    • Marcel

      Ahoi Eugen.

      Vielen Dank für Deine Wünsche, die ich gerne zurückgebe. Wir freuen uns immer, wenn unsere Berichte so gut aufgenommen werden.

      Grüße aus Kappadokien,

      Marcel

  2. Renate

    Ihr habt immer wunderbare, gut geschriebene, informative Beiträge!
    Das freut das Herz einer ehemaligen Langfahrt Seglerin… (ich bin zufällig – über einen archäolog Lykien Beitrag – einmal auf Eure Homepage gestoßen)
    Freue mich auf mehr :)
    Liebe Grüße aus Österreich – Renate

    • Marcel

      Ahoi Renate.

      Vielen Dank für das Lob. Für die informativen Artikel ist Joanna zuständig ;-) Von mir hört man meist in einem zuweilen ironischen Plauderton. Joanna hat übrigens mal in Linz gearbeitet.

      Grüße aus Kappadokien in den Norden.

      Marcel