Von Klöstern und Weingütern – Aramäisches Erbe im Südosten der Türkei

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Vom touristischen Hotspot Kappadokien führt uns unsere Reise durch den Osten der Türkei in den Tur Abdin und die Stadt Midyat. Bereits die „Skyline“ ist hier auffällig. Statt der vielen Minarette fallen die filigranen Glockentürme der zumeist syrisch-orthodoxen Kirchen (es gibt diverse andere Ostkirchen) ins Auge. Neben den Kirchen ist das Weinmachen ein bedeutender Teil des aramäischen Erbes dieser Region. Viele der Etiketten südostanatolischer Weine zieren Schriftzeichen in aramäischer Sprache. Beim Tur Abdin handelt es sich um eine wie ein Hochplateau ausgebildete Gebirgslandschaft am Oberlauf des Tigris. Etwas östlich liegt die Grenze zum Irak, nur wenige Kilometer südlich die Grenze zu Syrien. Der assyrischer König II. Ashurbanipal soll in diesem Land zwischen den biblischen Flüssen Euphrat und Tigris ein Fest für 70.000 Gäste ausgerichtet haben, bei dem er für alle die gleiche Menge Wein bereithielt. Das Weinmachen ist Teil einer Kultur, die weit älter ist, als die West-Europas.

Über den Dächern von Midyat die Glockentürme der syrisch-orthodoxen Kirchen.
Prachtvolle Verzierungen. Auf der Mauer rechts sieht man die Figur der Şahmaran aus der persischen Mythologie, Göttin der Weisheit und Beschützerin von Geheimnissen.
Die Göttin hat einen Frauen- und einen Schlangenkopf und taucht unter anderem in den Geschichten aus Tausend und einer Nacht auf.
Übersicht über die wichtigsten Kirchen und Klöster aus dem dreisprachigen Buch „Lebendiges Kulturerbe – TURABDIN – Wo die Sprache Jesu gesprochen wird“ von Hans Hollerweger.
Weinranken als Symbol des Lebens tauchen immer wieder in den Verzierungen auf.
Eines der berühmtesten Klöster der Region ist das Mor Gabriel.
Heilige Erde.
Wer hat hier Vorfahrt?
Ganz offensichtlich nicht wir.
Am späten Nachmittag stehen wir vor dem verschlossenem Tor des Klosters Mor Yakub.
Doch wir haben Glück und begegnen Pater Aho (Aramäisch für Bruder).
Pater Aho führt uns durch „sein“ Kloster, das er alleine bewohnt und sowohl Glaubensbrüder als auch Gäste mit offenen Armen in Empfang nimmt. Er ist ein warmherziger und gebildeter Mensch und es ist ein wunderbares Erlebnis, von ihm über den Alltag der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei zu erfahren.
Das fast 1.500 Jahre alte Kloster wurde durch die Gemeinde im Jahre 2013 restauriert und seitdem finden regelmäßig Gottesdienste statt.
Auch um die Gärten kümmert sich Pater Aho selbst, mit etwas Hilfe aus der Gemeinde. Vom Klosterberg aus schweift der Blick über die Ebene. Im Hintergrund befindet sich die nur wenige Kilometer entfernte Grenze zu Syrien.
Im Dorf Öğündük sind wir auf der Suche nach dem Weingut Midin. Midin ist der alte Name des Dorfes. Doch kein Schild und kein Hinweis machen auf das Weingut aufmerksam. Als uns ein Kleinlaster mit Lesegut entgegenkommt, fragen wir die jungen Männer und es stellt sich heraus, dass wir fast genau vor dem Tor geparkt haben.
Von Jakob bekommen wir eine private Führung durch die Kellerei seines Onkels. Ein Familienbetrieb.
Die besten Weine lagern in neuen französischen Barriques.
Das Sortiment umfasst Rot-, Weiß- und Roséwein sowie Süßwein und Orange-Wine, einem Weißwein, der wie Rotwein auf dem Most vergoren wird.
Private Abfüllungen für Freunde. Zum Abschied bekommen wir eines der kleinen Fläschchen geschenkt. Ich bin gespannt.
Liebevoll gestaltete Etiketten mit Motiven der regionalen Wildflanzen.
Und Geschenk-Säckchen aus Jute mit dem aramäischen Namen des Weinguts.
Wir machen uns an die Verkostung der Jungweine aus diesem Herbst aus kleinen Espresso-Pappbechern. Auf Wein-Touristen ist man kaum eingestellt. So wird improvisiert.
Verarbeitet werden ausschließlich lokale, autochthone Rebsorten sowie typische türkische Rebsorten wie Öküzgözü und Boğazkere. Westliche Weinkenner werden die Namen Msabık, Heworo, Karkuş, Mazrona und Bılbizeki (Weißweinsorten) sowie Gavdoni, Raşe Gurnık (Siyah Salkım), Kıttıl Nafs (nefis kesici), Mazrona Komo (siyah mazrona) und Msabık (Rotweinsorten) noch nie gehört, geschweige denn memoriert haben. Ich persönlich finde es immer wieder großartig, Weine jenseits von Merlot und Cabernet zu finden und zu verkosten.
Direkt vom Laster bekommen wir auch noch ein paar frische Trauben geschenkt.
Die Rebstöcke rund um das Dorf Midin sind zwischen 80 und 150 Jahre alt, wie das Etikett dieses Weißweins zeigt. Die jüngsten Weinberge sind mindestens 20 Jahre alt.
Fachgespräche unter Weinliebhabern.
Die Vinothek beherbergt Flaschen der letzten Jahrgänge.
Zur besseren Kontrolle. Ein Teil des Weins gärt in Ballons.

Von der Lese bis zum Etikettieren ist bei Midin alles Handarbeit.
Unsere Beute: Eine Auswahl an Rosé, Weiß- und Rotwein sowie die kleine Geschenkflasche aus der Privatabfüllung.

2 Antworten

  1. Ralf

    Wieder einmal ein toller Bericht! Wusste gar nicht, dass dort der christlich/orthodoxe Glaube so stark vertreten ist!

    • Marcel

      Vielen Dank. Unser Lesetipp dazu sind die Romane von Rafik Shami. Er stammt aus einer christlich syrischen Familie.