Ein Winter in Mersin

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Mersin? Wo bitte liegt Mersin? Irgendwo in einer großen, offenen Bucht im Südosten der Türkei, nördlich von Zypern und nicht weit von der Grenze zu Syrien entfernt. In Mersin verbrachten wir den Winter. Kurz vor unserem Urlaub in Kappadokien im Oktober letzten Jahres verlegten wir Chulugi in die Marina von Mersin. Die Idee für die Wintermonate war eigentlich, von dort über Israel und Zypern nach Kreta und zurück nach Finike zu segeln. Das mit Israel hatte sich dann aus gegebenem Anlass aber erledigt. Also entschieden wir, Chulugi in Mersin aus dem Wasser zu nehmen und gründlich zu überholen. Die günstigen Preise für die Marina (etwa ein Drittel von Finike und ein Viertel von Kaş) verleiteten uns dazu, einen Jahresvertrag abzuschließen. Zumal der Landstellplatz für die Reparaturen darin enthalten war und wir einen Platz für Chulugi hätten, sollte sich wieder eine längere Überführung ergeben, was dann auch so gekommen ist. Lasst euch überraschen, wo ich in diesem Jahr noch unterwegs sein werde. So viel vorweg: Es wird ein Transäquatorialtörn und im Zielhafen lagen wir schon mal ein paar Monate mit Chulugi :-)

Die Mersin Marina liegt direkt in einer Shopping Mall mit Läden und Gastronomie.

Mersin ist eine in den meisten Stadtteilen sehr saubere und ebenso langweilige Millionenstadt, zu der es nicht viel zu erzählen gibt. Bei Wikipedia heißt es: „Mersin wird in der Geschichte mit dem Namen des Heiligen Paulus verbunden und damit, dass Marcus Antonius die Gebiete zwischen Alanya und Mersin Kleopatra zum Hochzeitsgeschenk machte.“ Dem heiligen Paulus begegnet man ja überall im östlichen Mittelmeerraum. Er hat sich fast überall Feinde gemacht und geprügelt, um den seinen Glauben zu verbreiten. Auf Zypern heißt es, ließen Paulus und Barnabas den Zauberer Elymas durch Gott erblinden, worauf der römische Prokonsul den christlichen Glauben annahm. Einschüchterung durch vier Fäuste für ein Halleluja. Aber ich komme vom Thema ab.

Also Mersin heute. — Die Marina liegt inmitten einer hochglanzpolierten Shopping-Mall. Auf Hochglanz poliert – das ist kein Euphemismus. Die Böden werden im Schichtdienst durch eine Armada von Reinigungsmaschinen permanent gebohnert (oder wie das auch immer heißt), sodass die gelben Aufsteller mit der Aufschrift „CAUTION – WET FLOOR“ gar nicht erst weggepackt werden, sondern zum festen Exterieur gehören. Nico kann auf den rutschigen Fliesen kaum laufen. In den letzten Wochen hat man im gesamten Bereich der Mall die Bodenfliesen ausgetauscht. Auf die Idee, etwas weniger rutschige Fliesen zu verlegen, ist man aber nicht gekommen. Dafür werden mehr gelbe Hütchen aufgestellt.

An der Küste des Landes omnipräsent: der Staatsgründer Atatürk als Symbolfigur und als Statement für eine moderne Türkei.

Immerhin gibt es in der Marina ausgezeichneten Kaffee in der Rösterei gleich neben Starbucks und Burger King. Dazu kommen zwei Sushi-Restaurants, die wir als allererstes ausprobiert hatten. Unser Favorit: Eine fancy Inside-Out-Rolle mit Lachs, die unter einer Glashaube am Tisch geräuchert wird. Auch die Burger-Schmiede gegenüber den Sushi-Restaurants ist brauchbar. Ausgezeichnete Pommes, frisch gezapftes Bier nach der Arbeit am Schiff. Darüber hinaus kann man sich in der Mall ausreichend mit Goldketten und Geschmeide, High Heels, teuren Sonnenbrillen, glitzernden Abendkleidern und pinkfarbenen Handtaschen eindecken, bis der Arzt kommt. Die Club-Disco Jolly Joker unterhält das ganze Areal am Wochenende bis tief in die Nacht mit stampfenden Bässen unter gnätschend orientalischer Pop-Musik. Alles in allem kann ich die Mersin Marina als Winterquartier durchaus empfehlen. Sie ist günstig und das Wetter ist milde. Wir hatten selten einstellige Temperaturen. Über den Flughafen Adana kommt man mehr oder weniger gut nach Deutschland. Es gibt eine Städtepartnerschaft mit Oberhausen. Und von Mersin aus sind es nur ein paar Stunden mit dem Auto bis Kappadokien oder in den Tur Abdin.

Die Promenade von Mersin am Morgen…

Ein Highlight von Mersin ist die viele Kilometer lange Seepromenade. Während der Arbeiten am Schiff haben wir uns bei unserem Freund Haluk einquartiert, den wir in der Marina kennengelernt hatten. Haluk wohnt im 10. Stock eines Apartmenthauses am westlichen Ende der Promenade. Meinen etwa fünf Kilometer langen, täglichen Weg zur Arbeit und zurück legte ich über Wochen jeden Morgen und Nachmittag mit meinem kleinen Tretroller zurück. Nico liebte die Spaziergänge entlang der gepflegten Rasenflächen, auf denen es an jedem Wochenende zuging, wie auf dem Grünen Hügel an einem sonnigen 1. Mai. Die Stadtverwaltung unterhält entlang der Promenade alle paar hundert Meter ein Café oder eine Eis- oder Döner-Bude und sogar eine Sport-Bar, in der man sein Feierabend-Bier bekommt.

… und in der Abendstimmung.
Aussicht aus „unserem“ Apartment über die Dächer und die Reede von Mersin.
Sushi.

So verging also der Winter mit Arbeit am Schiff, Heimaturlauben, noch mehr Arbeit am Schiff und Sushi und gerolltem Hühnchen-Döner. Und dann war es plötzlich schon Ende März und es wurde langsam wieder wärmer. (Eigentlich war es ja gar nicht richtig kalt geworden.) Man konnte den Kamin für den Bollerofen im Salon wieder tief in der Backskiste verstauen für den nächsten Winter. So waren fünf Monate in einem Handstreich um und die neue Saison kann starten. Wir verließen Mersin und segelten hinüber nach Finike und weiter nach Üçağız. Nach so langer Zeit in der Marina ist das Liegen am Anker eine Wohltat.

Auf dem Wochenmarkt.
Chulugi auf dem Hartstand.
Damit man immer weiß, wo man ist, gibt es alle paar Kilometer einen Aufsteller mit dem Namen der Stadt oder des Ortsteils.
Bei der Arbeit.
Es gibt viel zu tun nach zwei Jahren im Wasser.
Bunt.
Nennen sie zwei Tiere mit großen Ohren.
Winterstimmung.
Im Regen.
Nach dem Regen.
Auf dem Trockenen.
Ein Kangal, ein anatolischer Hirtenhund. Was für schöne Tiere. Und so lieb.
Niko liebt die Kangals, egal ob Junge oder Mädchen.
Der Hafen von Mersin 1920.
Herzensgrüße aus Mersin.
Endlich wieder unterwegs und vor Anker – umsonst, vor der Marina Finike (die mittlerweile 77€/Nacht kostet; Tendenz steigend).
Und noch besser: vor Anker in der Gökkaya Koyu.