Gibraltar – „Die Straße“ bei Nacht

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Schon früh am Abend tauchte in der Ferne der Felsen aus dem diesigen Himmel am Horizont. In den Segelanweisungen heißt es immer nur schlicht die Straße, denn jeder weiß, dass nur die eine Straße, die von Gibraltar gemeint ist. The Rock oder der Felsen ist jene solitäre Erhebung, die an der Nordseite der Straße fast die gesamte Fläche der nur 6,5 Quadratkilometer großen Halbinsel Gibraltar einnimmt und 426 Meter in den Himmel der mittelmeerischen Götter ragt. Djebel Tarik ist der Berg des Tarik, der 711 den Felsen besetzte, der dann 700 Jahre lang in maurischer Hand blieb. Die Reconquista gelang den Spaniern 1462, doch 1704 kam die Gefahr aus Westen und es gelang den Engländern den nur schwach mit Verteidigern besetzten Felsen zu erobern. Die Engländer bauten die Verteidigungsanlagen umfangreich aus, richteten gigantische Kanonen gegen Spanien und legten ein umfangreiches Tunnelsystem an, das den Felsen durchzieht.
Die letzte Volksabstimmung unter den Gibraltarians ergab, dass nur 0,4% der Bevölkerung eine Wiedereingliederung befürworteten und auch die Affen haben ein Wort mitzureden: Es heißt, wenn die Affen verschwänden, gehe die britische Zeit auf Gibraltar zu Ende. Churchill ließ deshalb, als im Zweiten Weltkrieg die Anzahl der Tiere deutlich dezimiert wurde, frische Affen aus Marokko herüberbringen.
Gegen Mitternacht näherten wir uns unter Motor dem Felsen mit fast sieben Knoten gegen leichten Westwind. Der Strom half uns bis auf Höhe der Bucht von Gibraltar, danach setzte der Strom gegen uns und wir kamen nur noch mit 30drei Knoten voran. Die Passage durch die Straße bei Nacht war imposant. Der gut sichtbare und teilweise beleuchtete Felsen ragt in den Nachthimmel, an Backbord glimmen die Lichter der marokkanischen Küste. Man passiert riesige, festlich beleuchtete Tankschiffe, die unterhalb des Felsens ankern oder von Schleppern zum Raffineriehafen von Algeciras begleitet werden. Von allen Seiten tauchen Lichter auf und das AIS Bild auf der elektronischen Seekarte ist voller bunter, sich kreuzender Linien und Dreiecke. Ein Frachtschiff kreuzt unseren Kurz nur etwa hundert Meter vor uns. Erst als wir die Bucht von Gibraltar hinter uns hatten, nahm der Verkehr ab und alle großen Pötte hielten sich wieder an das Verkehrstrennungsgebiet, das die Passage zwischen Atlantik und Mittelmeer reguliert.
Und auch bei Tarifa, dem Surf-Mekka Europas, mit der Eigenwerbung, dass an 300 Tagen im Jahr der Wind mit 7 Beaufort bläßt, waren die Götter diesmal auf unserer Seite und ließen und passieren. Und hier beschwerten wir uns ins kleinster Weise, dass wir unter Hilfe des Motors das Kap, das das Mittelmeer vom Atlantik trennt umrunden mussten, denn leichter Westwind und glatte See – das war ein Geschenk an diesem sonst windumtosten Ort.