Ein paar Tage in Mindelo

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Auf Wunsch zahlreicher Leser, die eine lückenlose und kontinuierliche Berichterstattung erwarten, habe ich einige kleine Szenen aus Mindelo niedergeschrieben, obwohl eigentlich nichts passiert und die Tage ganz afrikanisch durchs Land ziehen, kommen und gehen, ganz unspektakulär. Wir warten noch immer auf ein Paket aus Deutschland, der Hund erholt sich langsam unter Antibiotika von einer vermutlich durch einen Zeckenbiss übertragenen Krankheit. Der Arme litt unter dem vollen Programm: Fieber, Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit, Apathie, Müdigkeit, Durchfall und Kotzerei. Jetzt ist er einigermaßen wieder hergestellt, springt wieder herum, fetzt über die Stege und meint im Dingi während der Fahrt wieder auf dem Schlauch herumklettern zu müssen. Sind wir dann zurück an Bord fällt ihm auf, dass er ja eigentlich krank und erschöpft ist und rollt sich ein.


Nico erholt sich.

In einer Bar stoße ich zu einer Gruppe von Seglern des Trans-Ocean, dem deutschen Verein der Blauwassersegler. Die Gespräche drehen sich um mögliche Routen, das Segelrevier, Ankertechniken, Bunkermöglichkeiten, Ersatzteilbeschaffung, usw. Die Kellnerin sieht mich zwar kommen, geht aber nicht davon aus, dass ich etwas zu trinken bestellen möchte. Nach einer Weile stehe ich auf, gehe zum Tresen und bestelle ein Bier. Da sie aber noch zwei Trinkhalme an einen anderen Tisch bringen muss, hat sie meine Bestellung nach ihrer Rückkehr wieder vergessen. Ich gehe also noch einmal zum Tresen und bestelle ein Bier. Die Kellnerin bringt das Bier und macht Anstalten wieder zu verschwinden, da sie sich nicht vorstellen kann, dass einer der anderen zehn Gäste an unserem Tisch vielleicht etwas nachbestellen möchte, leere Flaschen und Teller bleiben natürlich bis zum bitteren Ende auf dem Tisch stehen. Obwohl das Lokal ansonsten nicht viele Gäste hat, dauert das einfachste Essen mindestens eine halbe Stunde und hat jemand etwas anderes bestellt, kommen die Gerichte nacheinander eingetrudelt. Man braucht Geduld, wir sind in Afrika. Europäische, gar deutsche Betriebsamkeit kann man sich hier nicht vorstellen. Die Situation steht exemplarisch für den das Leben in Cabo Verde, egal ob in Restaurants, Geschäften, bei der Post oder noch schlimmer: bei Behörden. Man erinnere sich an unsere Einklarierungsprozedur in Palmeira. Das Denken verläuft sequentiell. Ich vermute, dass in den Betriebssystemen der Smartphones eine geheime Afrika-Option einprogrammiert ist, welche die Multitasking-Funktion deaktiviert, um die Menschen im Alltag nicht zu überfordern.


Cachupa, modern interpetiert in der Bar des Fishing Clubs.

Beim Chino kaufe ich eine Hose der unaussprechlichen Marke ABEROROMBLB AND FITOH, die um ein vielfaches günstiger ist als das leicht auszusprechende Vorbild aus Amerika. Ich muss mich durch den Stapel noch verpackter Exemplare arbeiten, bis ich eine brauchbare Hose mit echten Knopfloch finde, die man auch zumachen kann. Klar, bei dem Preis kann man kein ausgefeiltes Qualitätsmanagement erwarten, aber ein Knopfloch sollte schon eingearbeitet sein. Einige Hosen hatten gar keins und einige immerhin die Umstickung oder wie das heißt, so dass man erahnen kann wo das Knopfloch eigentlich hin gehört.

Mein Yoga-Programm hat es hier schwer. Nicht weil ich faul geworden wäre, sondern weil es permanent in Böen weht, zwanzig Knoten, fünfundzwanzig Knoten, dreißig Knoten. Segeln wäre ja eigentlich ganz schön – wenn der Wind nicht wäre. Und wenn es doch mal diese windstillen Momente gibt und ich mich um sieben Uhr, kurz nach Sonnenaufgang zum Laginha Strand aufmache, da gibt es eine betonierte Fläche, die eigentlich einen ganz guten Ort für die Yoga-Praxis hergibt, dann lungern dort ein paar Halbstarke an Klimmstangen herum, die zum trainieren ihr Handy auf Disko-Lautstärke eingestellt haben. Daneben schläft eine Alkoholleiche vom Vorabend. Also, heute wieder kein Yoga. Ich habe das Gefühl, meine Muskulatur degeneriert schon langsam und ist da nicht auch schon ein kleiner Bauchansatz?


Abendstimmung im Porto Grande.

Ach ja, zum Thema Bauchansatz. Ich glaube, da ist nichts zu befürchten, denn die Auswahl an Lebensmitteln beschränkt sich auf ein immer gleiches Minimum. Wir sehnen uns nach Brasilien – tropisches Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Aber erst mal wird es wohl eher spärlicher als üppiger, denn zunächst haben wir noch den Gambia Fluss auf unserer Route. Einhundertfünfzig Meilen flussaufwärts ins Herz der Finsternis. Von Gambia aus sind es dann ungefähr 2.000 Meilen nach Südwesten, nach Salvador da Bahia do Todos os Santos. Und wenn ich so langsam mal überschlage, wann wir eigentlich in Brasilien landen, dann komme ich ganz grob auf den Monat, in dem das närrische Treiben auch daheim im Veedel seinen Höhepunkt erreicht. Salvador soll ja noch vor Rio den schönsten (und größten, und lautesten) Karneval der Welt feiern. Und dann wird er ja Winter auf der Südhalbkugel, und wenn wir wie geplant von Salvador nach Süden fahren, bis Buenos Aires, dann haben wir nahezu wieder heimische Temperaturen, da muss man sich erst mal wieder dran gewöhnen. Wir ziehen ja schon bei 25 Grad ein langärmliges T-Shirt an.


Night Dogs.

Aber noch sind wir auf den Kapverdischen Inseln, auch wenn ich schon die Reiseführer für den Gambia und Brasilien studiere. Das mache ich heimlich, während Joanna und Iris auf der schönen Nachbarinsel Sao Antao wandern gehen, denn laut Joanna bringt es Unglück zu weit voraus zu greifen. Hier gibt es jetzt täglich Hafenkino: Die Schiffe der ARC+, der Atlantic Ralley for Cruisers, laufen nach und nach in die Marina von Mindelo ein. Für die Crews ein paar Tage Zwischenstopp auf dem Weg in die Karibik. Das ist so eine Art Spaßregatta für Leute, die gerne im Rudel unterwegs sind. Auf direktem Wege starten bei der ARC jährlich über 200 Yachten von Las Palmas aus über den Atlantik. Die kleinere ARC+ mit 60 Schiffen macht einen Stopp hier in Mindelo; ein paar Tage Siteseeing und weiter geht´s. Nichts für uns. Man hat keinen Einfluss auf das Wetterfenster, hat keine Zeit zu verweilen und das schlimmste: Immer zwei- bis dreihundert andere Segler und Crewmitglieder um sich herum, organisierte Partys, Inselrundfahrten, Musik- und Animationsprogramm, usw. Es reicht, wenn man dem bunten Treiben aus einigen sicheren Metern Entfernung vor Anker beiwohnen kann. Unter Deck bekommt man fast nichts mehr mit, außer wenn der heimische Street-Samba-Bloco direkt neben uns auf der Steganlage aufspielt. Für mich nett, da ich ja auch einmal im heimischen Hilden (hinter den sieben Bergen) unter die Trommler gegangen bin, doch dem Hund gefällt es nicht. Also ab ins Dingi und außer Hörweite einen Abendspaziergang machen.


In einem Laden für gebrauchte Autoteile: Es ist verboten obszöne Worte zu sprechen. man ist gebildet.

Für die Nichtsegler unter den Lesern: Das Dingi, unser Beiboot, ist für uns eines der wichtigsten Ausrüstungsgegenstände und das tägliche Verkehrsmittel wie zu Hause das Fahrrad oder Auto. Wir brauchen es immer wenn wir einen Fuß an Land setzten möchten: Drei mal täglich mit Nico eine Runde, zum Einkaufen, Gas und Diesel holen, zum Bäcker, Freunde treffen, Essen gehen, zu anderen Yachten am Ankerplatz, den Rumpf von außen reinigen und polieren (ja, ja, das muss sein. Das Wasser wird immer wärmer und hier in der Bucht ist der Wasserpass nach einer Woche grün.), ungeschickten Franzosen beim Ankermanöver helfen, seine Post abholen (auch wir bekommen Post, nur die Adresse ändert sich schnell) das alles und noch viel mehr passiert tagtäglich mit dem Dingi.

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In den nächsten Tagen muss ich noch zur Post um mit Hilfe eines Agenten ein Paket aus Deutschland aus dem Zoll zu lösen. Das soll angeblich ganz einfach sein, wenn man als Adresse Yacht in Transit angegeben hat, also der Inhalt des Paketes eigentlich nicht ins Land eingeführt wird, sondern sich nur auf der Durchreise befindet. Ich bin gespannt, was mich erwartet. Ganz dringend warten wir nämlich auf eine neue Membran für unseren Wassermacher, damit Kaffee und Tee nicht mehr diese leichte Salznote haben, die sich über die Jahre eingeschlichen hat. Im Mittelmeer war die Anlage noch selten in gebrauch, weshalb der Selbstreinigungseffekt der Membran zu gering war. Auch einer dieser Ausrüstungsgegenstände, die für uns essentiell geworden sind. Meerwasser wird mit Hilfe einer Hockdruckpumpe mit 60 bar durch eine semipermeable Membran gequetscht und hinten raus kommt bestes Trinkwasser. Keine Gallonen und Plastikflaschen mit Wasser mehr an Bord schleppen. Nur für den Notfall haben wir immer auch noch dreißig vierzig Liter abgefülltes Trinkwasser in der Bilge.

 

2 Antworten

  1. Edmund Cz.

    Hallo Marcel,

    ich habe von Roland die Web-Adresse von dir und deiner Crew bekommen. Ich habe mich durch die Tagebucheinträge gekämpft. Alles toll dargestellt. Es werden Erinnerungen wach, wenn ich an Mindelo und die Kap Verdischen Inseln denke. Ich war mit der Bundesmarine 1967 dort, da war alles noch Portugisische Provinz . Wir sind dann nach Brasilien weitergefahren mit vielen tausend PS Antriebsleistung. Dir und deiner Crew weiterhin alles erdenklich Gute und immer ein Hand breit Wasser unter dem Kiel. Gruß Edmund.

  2. Ariane

    ja ihr Lieben, diese Erfahrungen von den Cap Verden können wir teilen! Und Brasilien ist wirklich vor allem für die Ernährung das totale Kontrastprogramm, da könnt ihr euch wirklich freuen. Solltet ihr allerdings noch guten Wein auf Fogo oder sonstwo finden, dann nehmt ihn mit über den Atlantik, denn den haben w i r in Brasilien nicht für bezahlbare Preise gefunden.
    Ja Brasilien: wir verlassen nun Anfang Dezember nach drei Jahren Buenos Aires und segeln nach Brasilien. So gäbe es dann doch endlich die Chance, dass wir uns einmal wiedersehen. Unsere erste Etappe geht Angra dos Reis, Mitte Januar fliegen wir wieder nach Dt. um zu arbeiten. Im Juli/August ist dann die nächste Etappe von Rio nach Salvador geplant, da könnten wir uns dann vielleicht treffen. Übrigens der Karneval in Salvador ist total musikalisch und Weltklasse. Wir haben ihn einen Abend mit einer Gruppe von 15 Seglern erlebt, dass war sehr beeindruckend. Einen weiteren Straßenkarneval erlebten wir dann in Maceo mit den sog. Trios, umgebaute LKW´s mit Band auf dem Dach und mit 100.000 Watt !! Brasilianer lieben se laut und fröhlich. Euch weiterhin viel Spaß !
    Immer Wind aus der richtigen Richtung, bis bald Ariane & Jens (SY Chiloé)