Banjul, Gambia

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Ankunft vor Banjul bei Windstille. Eine Wohltat nach drei Monaten beständigem Passat. Der Fluss liegt da wie Blei. Die Atmosphäre auf dem Wasser erinnert an die Lagune von Venedig, nur dreißig Grad wärmer. Ein Reiher gleitet dicht über der Oberfläche dahin. Die Sonne milchig. Die sumpfige Landzunge im Süden Banjuls heißt Half Die. Hier starb 1869 bei einer verheerenden Choleraepedemie ein Großteil der Einwohner. Der Name blieb und empfängt so die hier ankommenden Schiffe

Die Lagune von Venedig

Robert und Iris haben nicht übertrieben als sie sagten, alle wüssten Bescheid, dass wir kommen. Famara weist uns bei unserer Ankunft den Ankerplatz und bietet seine Dienste für die Behördengänge zur Einklarierung an. Später mit Kunta, einem Beamten der Coastguard zur Immigration. Das Büro kaum zu finden, kaum zu erkennen. Von den Buchstaben jeweils nur der Rücken übrig. Wir treten durch einen Vorhang, dahinter drei Damen in braunbeiger Uniform, mit ihren riesigen, aber eleganten Handtaschen beschäftigt. Strenge Frisuren. Alle gut gelaunt. Nicht übertrieben: alle bestens gelaunt. Auch der Beamte, der unsere Pässe stempelt witzelt herum. Hinter ihm an der Wand ein Kalender mit dem despotischen Langzeitpräsidenten Yaya Jammeh in intellektueller, mildtätiger Pose. Der Beamte kramt nach diversen Stempeln in einer großen Kiste. Der für die Verlängerung unser Aufenthaltsgenehmigung über 28 Tage hinaus findet sich in einem Rucksack oder einer Tasche. Der Griff fällt ab. African Stamp, kommentiert der Beamte und testet die Stempelfarbe auf einem Blatt Papier, ich glaube, auf der Rückseite unserer zuvor ausgefüllten Formulare. Beruf: Yogalehrer, kommt gut an. Ich erzähle, dass ich als Kind Stempel aus Kartoffeln geschnitzt habe. Der erste Stempel ist umsonst. Die Gebühr für die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung hat sich auf wundersame Weise vor ein paar Tagen verdoppelt. Am Geldautomat gibt es pro Vorgang maximal 2.000 Dalasi, das sind umgerechnet circa vierzig Euro, in einem Bündel Hunderter, eindeutig zu groß für mein kleines Portemonnaie. Das freut den westlichen Besucher. Mit kleinen Beträgen einen auf dicke Hose machen.

Mit Famara auf Behörden- und Einkaufsbummel

Für die aus feinstem rotem Staub bestehenden Straßen (nur wenige sind asphaltiert und die, die asphaltiert sind, haben einen staubigen Gehweg) sind Kuntas Militärstiefel genau das richtige Schuhwerk. Viele tragen nur Flipflops. Auch mit langen Hosen. Sogar: Uniform und Flipflops. Die Frauen in langen, bunten Röcken und Kleidern, elegant tailliert. Aufwendiger Schmuck, kunstvoll geschlungene Turbane, dezente Schminke.

Die katholische Kirche. Es gibt circa 10% Christen in Gambia.

Später werden wir auf dem Weg zum Albert Market von der Militärpolizei vor dem State House angehalten. Joanna hat verbotenerweise Staatsgeheimnisse fotografiert und wird als Spionin bezeichnet. Famara versucht zu beschwichtigen und rät uns eine Strafgebühr zu vereinbaren. 300 Dalasi werden unauffällig übergeben und das Foto mit dem brisanten Material gelöscht. Dabei interessierten uns lediglich die vielen Geier, die auf dem Exerzierplatz (Festwiese? Sportplatz?) umherwackelten.

Ein verbotenes Foto.

Der Albert Market platzt aus allen Nähten, obwohl erst in den achtziger Jahren nach einem Großbrand erneuert und vergrößert. Wir kaufen Obst und Gemüse. Man suggeriert uns, dass wir doch eigentlich auch Schrimps kaufen wollten und führt uns durch labyrinthisch angelegte Wege und Durchgänge zur Frischfischabteilung, vorbei an aufgetürmten Waren aller Art. Vorbei an fetttriefenden Hackklötzen aus Holz mit tiefen Furchen. Die abgezogenen Häute von nicht mehr identifizierbaren Felltieren liegen herum, vermutlich von Stinktieren, Geweihe, Kübel mit angetrockneten Fleischresten, abgehangene Rinderhäften. Und die Schrimps? Immer dem Geruch nach und dann da, wo die meisten Fliegen sind. Der Fischmarkt in Mindelo erscheint plötzlich keimfreier als ein Operationssaal. Wegen der Hitze seien die Schalentiere in der Gefrierbox. Nicht erst, als ich die dicke Dreckschicht auf den Deckeln sehe, entscheide ich mich heute gegen tierische Lebensmittel.

Auf dem Albert Market.

Die Nacht so ruhig, dass das kleinste Gluckern zu hören ist, wenn sich beim Kentern der Tide das Schiff um den Anker dreht. Morgens um fünf dringen die Rufe der Muezzins von der Stadt zu uns zum Ankerplatz. Mosquitos lassen mich nicht mehr einschlafen. Das Geräusch, das unsere elektrische Fliegenklatsche macht (für die Mücken so etwas wie der Elektrische Stuhl, auf nächtliches Summen und Stechen steht die Todesstrafe, Vollstreckung sofort, ohne Verhandlung), lässt sich am besten mit Britzeln beschreiben. Trotz Netzen und Unmengen von DEET bin ich schon in der ersten Nacht zerstochen. Die Todesstrafe war nie ausreichend abschreckend. Malaria Roulette. Rien ne va plus. Die andere Sorte von fliegenden Plagegeistern ist tagaktiv, man wechselt nur den Spieltisch.

Am Nachmittag noch zum Zoll. Der Beamte zum Scherzen aufgelegt. Warum wir nicht verheiratet seien? Is it your wife or your girlfriend? Your wife is older? You are not married? Vom Gebäude des Zolls wieder einige staubige Straßen weiter zur Zollinspektion. Der Beamte fragt was für ein present ich für ihn hätte. Ich zaubere eine dicke, in Zellophan eingepackte Zigarre aus meinem Beutel. Famara verhandelt, dass er nicht zur Inspektion an Bord kommt. Sein Assistent geht mit uns zurück zum Zollgebäude. Unterwegs wechseln wieder 300 Dalasi den Besitzer. Wir warten draußen und nach ein paar Minuten bekommen wir das gestempelte Zolldokument, mit dem wir noch zur Hafenpolizei müssen. Hier geht alles schnell und unkompliziert, kostet 1.000 Dalasi natürlich ohne Beleg, aber irgendwie offizieller. Hinter dem Schreibtisch eine Tafel mit Tidenangaben und mit den Namen der an- und ablegenden Schiffen. Ich frage scherzhaft, warum unser Schiff da nicht drauf steht. Zu klein, meint der Beamte. Der Chef der Hafentruppe sieht als einziger aus, wie ein alter Seebär. Er schreibt ein paar Zahlen mit einem roten Filzer auf die Tafel: Time: 15:30h/Distant to port: 14sm/SOG 7,2kn/Arrival in Banjul? Los, ausrechnen, sofort, drei Minuten Zeit für die Antwort, alle! Ich auch? Ungefähr 17:30h. Wie genau sollte die Antwort ausfallen? Alle machen sich eifrig ans rechnen. Ich bekomme meine Papiere und die Erlaubnis, den Fluss befahren zu dürfen. Endlich geschafft. Eineinhalb Tage Rennerei. Ohne Famara hätte das dreimal so lange gedauert und die Nerven unendlich mehr strapaziert. Wir haben also endlich alles erledigt: Immigration, Zoll, Zollinspektion, Hafenpolizei, Markt, Bank, Telefonkarte kaufen, Moskitonetz kaufen, usw. Es kann weiter gehen nach Lamin. Raus aus der wuseligen, staubigen und von LKW Abgasen gesättigten Stadt und Eindringen in die Bolongs, die Seitenarme des Gambia ins Herz der Finsternis.

 

2 Antworten

  1. Markus Wienforth

    Servus,

    ein sehr beeindruckender, weil guter und bildreich unterhaltender Bericht. In sehr vielen Aspekten fühle ich mich an Länder erinnert, in denen ich als Deutscher als Fremder wahrgenommen wurde und ich ebenso die kulturellen Umstände als befremdlich empfand. Ex post bleiben aber meist die schönen Bilder im Kopf und verdrängen nach und nach die Entbehrungen.
    Ich bin mir sicher, das Moskitobrummen und lange Wartezeiten wirst du in Deutschland zurück nicht mehr erwähnen.

    Habt weiterhin eine tolle Reise, passt auf euch auf, nicht jeder dort ist einem wohlgesonnen. ( nicht anders als hier ).
    Ich bin gespannt und freue mich auf weitere gedankliche Partizipationen eurer Erlebnisse.

    Mast und Schotbruch!
    Gruß
    Markus

  2. Werner Sadlowski

    Hallo,

    dies wird sicher eine spannende Etappe auf Eurer Reise! Immer schön vorsichtig sein.
    Meine Devise: Afrika, den Afrikanern …

    Du mußt den Moskitos feste in die Augen schaun, glaub ich ….

    Gruß Werner