Montevideo
Montevideo — Das klingt wie ein Versprechen, oder eine Sehnsucht. Wie, wenn man Buenos Aires sagt und die Synapsen unseres Hirns wild anfangen zu feuern und unzählige Konnotationen erzeugen von anrüchigem Tango, verzehrender Melancholie, in dunklen Cafés und verrauchten Bars herumlungernden Literaten und von längst zu Museen umfunktionierten Salons der Intellektuellen und Künstler eines vergangenen Jahrhunderts. Doch im Gegensatz zu Buenos Aires, müssen bei Montevideo die meisten Menschen doch etwas länger darüber nachdenken, wo es eigentlich liegt und warum man den Namen schon mal gehört hat.
Zwei Wuschel (oder drei)
In einem alten Liedtext von Gastón „Dino“ Ciarlo heißt es Vientos del Sur / que me traen del frío, doch als wir in Montevideo ankommen bläst uns ein fönwarmer Wind aus Nord ins Gesicht. Das Lied von Dino Ciarlo erzählt von vergangen Tagen, von Tagen als es noch nicht so schlecht ging, ohne Melancholie und ohne Träume vom nahen Tod. Und tatsächlich scheint die Stadt schon bessere Zeiten erlebt zu haben, trotz dem Ende der südamerikanischen Diktaturen, trotz Bauboom und unzähligen neuen Hochhäusern, die auch neben dem alteingesessenen Yachtclub Uruguayo in den Himmel wachsen.
Nur ein paar Tage bleiben wir in Montevideo. Wenig Zeit um Klischees zu entlarven und eine Stadt mit ihren Einwohnern und ihrer Geschichte wirklich kennen zu lernen. Die Tagespreise für den Liegeplatz im mondänen Yachtclub Uruguayo, zwingen uns dazu, den Aufenthalt kurz zu halten. Doch zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, welche Kosten in Buenos Aires auf uns zukommen… In Südamerika ist das Leben nur für diejenigen günstig, die wenig haben und mit noch weniger leben oder überleben können. Sogenannte Luxusartikel, und dazu gehören auch Fernseher, Smartphones, Autos und Yachten, mögen sie noch so bescheiden sein, kann man sich hier nicht so schnell leisten, wie in Europa.
„Dies ist keine Stadt für nur einen Tag,“ bemerkt Cees Nooteboom, „hier muss man bleiben und eine seltsame Geschichte schreiben, über den Trödelmarkt Mercado del Puerto, alte Instrumente, altersschwache Grammophone aus einer anderen Zeit, Hunderte von Matebechern, kleinen Orchestern, die zwischen den Ständen umherlaufen, Großmutters letzte Gläser, einen Porzellanhund, ein Buch mit Nationalhelden, Bolivars Lebensgeschichte, Staubschichten, Puder von früher.“
Die Gegend um den Yachtclub herum ist wenig einladend: Mehrspurige Straßen, zubetonierte Flächen, dazwischen Uferabschnitte mit vermüllten Wiesen und kleinen Stränden. Richtung Westen geht es vorbei am Museo Naval und an einem Busbahnhof mit einer Hamburger-Bude zum kilometerlangen Stadtstrand von Montevideo, der etwas euphemistisch Copacabana Uruguays genannt wird.
Bis zur Ciudad Vieja, der Altstadt, sind es einige Kilometer. Wir lassen uns vom Pförtner ein Taxi rufen. Nico muss ein paar Pesos extra bezahlen, weil den Taxifahrern die Mitnahme von Hunden eigentlich verboten ist. Da nützt auch der Hinweis nichts, dass Nico nicht mehr haart als wir. An der alten Markthalle am Hafen steigen wir aus und schlagen uns in die Gassen. Die Markthalle von 1860 selbst gilt als Touristenmagnet und wirkt wie aus dem Ei gepellt, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Gebäuden der Altstadt.
Einige Ecken weiter liegt das Museo de Arte Precolombino e Indigena (MAPI), das natürlich, wie so viele Museen auf auf unserer Route, wegen Renovierungsarbeiten nur einige wenige Säle geöffnet hat.
Am Ende der Altstadt, dort wo sich die Plaza Independencia und das moderne Zentrum mit der Hauptgeschäftsstraße anschließt, gibt es die schöne Buchhandlung Libraria Pablo Ferrando in einem Gebäude aus dem Jahre 1877. Das klingt nicht sonderlich alt, gemessen im Maßstab europäischer Städte, doch Montevideo wurde erst im Jahre 1726 gegründet und 1776 von den Spaniern zur zentralen Marine-Basis für den Südatlantik erklärt.
Montevideo ist eine Stadt für Architekturliebhaber. Jahrhundertwende, Art-Deco, Expressionismus, frühe Moderne, die scheußliche Sparkassen- und Karstadtarchitektur der 80er Jahre und natürlich jede Menge Glas und Beton.
Die Museen geben dagegen etwas weniger her. Viele Ausstellungsstücke sind Reproduktionen. Wie zum Beispiel zwei tanzenden mexikanische Nackthunde. Das Bild eines Siphons mahnt, die seit Monaten defekte Toilettenspülung zu reparieren. Überrascht werden wir im Kunsthistorischen Museum von Repliken des spätgotischen Holzschnitzers Veit Stoß (auch: Stoss, polnisch Wit Stwosz), der 1533 in Nürnberg starb und vor allem in Krakau (nicht zu verwechseln mit Krakatau) tätig war. Eben in jenem winterlichen Krakau kam ich vor Jahren in den Genuss einer kunsthistorischen Führung durch die Marienkirche (von Joanna persönlich). Dort befindet sich der größte geschnitzte Flügelaltar der Gotik, das Hauptwerk von Veit Stoß. Joanna meint, dies sollte ich hier auf jeden Fall erwähnen. Ein Foto muss Joanna nachreichen.
Wolfgang
hallo ihr,
wieder ein schöner bericht, schöne fotos, schöne worte.
Ihr seit mir immer einen monat voraus, so weiss ich, was ich erwarten kann. Da ich kaum zeit habe, tue ich so als wäre ich mit euren beschreibungen schon dort.
Wir werden uns sicherlich noch treffen.
alles gute
Wolfgang
-ende- kommentar-
Wo seit ihr genau? Ich habe von Thomas erfahren, dass ihr in B.A. seit. Ich brauche informationen, weil hier in pirapolis geht kaum etwas oder unbezahlbar. Mein segel muss geflickt werden und meine radarschüssel repariert werden. Habt ihr adressen in B.A. ?
danke
Edmund Czapracki
Ein frohes und gesundes neues Jahr aus der Heimat. Eure Fotos und Textbeiträge sind immer ein Genuss.
Für alle an Bord immer eine Hand breit Wasser unter dem Kiel.
Es grüßt aus Gelsenkirchen
Edmund