Wir sahen zunächst die unglaubliche Jacht von Miquel, die wir mehre Tage lang immer wieder von außen bestaunten. Aufgebockt steht sie auf dem Trockenen gleich neben dem Hafencafé und wird offenbar überarbeitet. ich wollte schon im Office erfragen, wem sie wohl gehört, als wir dann überraschend den Eigener an seinem Schiff antrafen. Ich späte durch den Maschenzaun und so wurde ich von Miquel angesprochen, ob mir denn das Schiff gefallen würde. Ja und ob! Und so wurden wir auf eine Kennenlerntour darauf eingeladen.
Dieses Schiff ist nicht nur außen unglaublich – es ist auch Innen eine Wucht aus Holz, Intarsienarbeiten und Technik. Miquel hat das ca. 16 Meter lange und 5 Meter breite Schiff vor ca. acht Jahren gekauft. Es stammte ursprünglich aus einer griechischen Werft bzw. von einem griechischen Designer, den er aber nicht mehr ausfindig machen konnte. Miguel hat nur den Rumpf behalten. Das Innere hat er entkernt und nach und nach alles selbst hergestellt. Tatsächlich sieht alles sehr durchdacht und professionell gearbeitet aus. Seit sieben oder acht Jahren arbeitet er daran, in 2 weiteren Jahren will er das Boot dann fertig haben und in den “Süden” fahren. Der Süden heißt in diesem Fall: Patagonien, Kap Hoorn und die Antarktis! Und so sieht das Schiff auch aus, als ob ihm kein Sturm und kein Eis etwas anhaben könnte: Dicke Stahlverstrebung, feste Reling, Ausguckloch über dem Kartentisch, Navigationskapsel, die sich auf Schienen vor und zurück verschieben lässt, Steuerrad mit Verstärkern und Haltesicherheiten und und und. Innen überall Handläufe und rutschfeste Bodenbretter mit Gummibezug, damit man sich bei schwerer See an der Decke halten kann und gleichzeitig mit den regennassen Schuhen nicht slipt. Waschmaschine, eine vollausgestattete Holz- und Metallwerkstatt, Küche mit einem trommelgedrehten Herd, und und und… Einfach unglaublich, nicht zuletzt weil alles selbst gemacht und eingebaut wurde, zum Großteil aus Recyclingmaterialien.
Alle Sicherheits- und Navigationsausrüstungen werden redundant installiert: Zwei Radaranlagen, zwei GPS, zwei Windturbinen, usw.
In seinem früheren Leben war Miguel der Eigener und Gründer dieser Marina sowie Besitzer des kleinen Stellplatzes für Jachten. Irgendwann hat er das alles verkauft – was er jetzt macht, wissen wir nicht. Es gab Probleme und Frustrationen mit den Offiziellen und dann mit irgendwelchen Leuten von TransOcean. Zumindest hat er nun das Geld und die Zeit, um seinen Traum zu verwirklichen, gemeinsam mit seiner Ehefrau auf die lange Fahrt in schwierigen Gewässern zu gehen. Gefragt nach dem Grund für die Wahl dieser ungewöhnlichen Destination, schließlich wollen die allermeisten Aussteiger in die Karibik und andere warme Regionen der Erde, gab er an, er sei von der Zivilisation und ihren Auswüchsen gänzlich frustriert. Ein nachvollziehbarer Grund für uns.
Als gebürtiger Madeirer (sagt man das so?) hat es ihn wie so viele Insulaner nicht lange hier gehalten, so dass er offenbar an einigen Orten der Erde gelebt und gearbeitet hat. In den 1980er Jahren auch als Schiffer auf dem Rhein von Holland nach Basel und zurück. Deutsch hat er nie gelernt – war ihm zu schwierig. Französisch ist seine Zweitsprache, nicht zuletzt weil er mit vielen Franzosen gesegelt sei und dabei seine Segelerfahrungen in den schwierigen Meeresregionen gesammelt hat.
Seit über zehn Jahren auf Porto Santo wohnhaft (die längste Zeit an einem Ort), kennt er als Geschäftsmann jeden und alles, und so konnte er uns mit einigen Informationen versorgen, die keine Reiseführer beinhalten. Sofort bot er uns sei Auto an, um die Insel besser erkunden zu können (siehe hierzu einen weiteren Artikel über das schöne Hinterland von Porto Santo):
Die Quelle, aus der wir vermeintlich sauberes Quellwasser zapften, ist seit Jahren kontaminiert, weil man direkt oberhalb über Jahre den Müll der Insel deponiert hat. Die Weiher des Golfplatzes hat man zur Eröffnung mit Salzwasser geflutet, aus Ermangelung an Süßwasser – sieht besser aus, ist aber eine Katastrophe, falls sie irgendwo undicht sind. Die sechs Pumpen für die Bewässerung sind nach und nach ausgefallen und wurden nur unzureichend repariert. Die Anlage oberhalb der Marina, die angeblich aus Algen Biosprit herstellen soll, entpuppt sich als EU-gefördertes Pilotprojekt. Auf die Fragen von Miguel konnten die Betreiber aber keine Antworten geben: Braucht man für den Betrieb der Anlage mehr Energie, als man herausbekommt? Was passiert mit den Abwässern und wie sind diese beschaffen? Was passiert, wenn ein Sturm die Röhren umwirft?
Und noch etwas interessantes haben wir erfahren, was in keinem Reiseführer Erwähnung findet: Nach dem 2. Weltkrieg haben sich hier so einige SS und Gestapo-Offiziere niedergelassen. Von Salazar geschützt bewohnten sie den Inselwesten. Die Straße war für Einheimische gesperrt. Einige der Häuser stehen immer noch, unter anderem auch Miguels Haus – mit Blick aufs Meer durch vergitterte Fenster.
Miguel, wir danken Dir ganz herzlich für die vielen Informationen, das Auto und einen netten Abend auf der Chulugi. Wir sehen uns hoffentlich in ein paar Jahren in Chile oder Argentinien.