Treuen und aufmerksamen Lesern ist sicherlich aufgefallen, dass in den letzten Monaten seltener Einträge in unserem Logbuch zu lesen sind. Das liegt jedoch nicht daran, dass wir weniger schreiben. Ganz im Gegenteil. Gerade habe ich noch einen Text mit 1.000 Wörtern über Gartenzwerge abgeschlossen und auf meiner Liste stehen noch Themen wie Globen, Freischwinger, Sonnenbrillen und Weine aus Apulien. Nicht zu vergessen ein Artikel über den Rio de la Plata für die Zeitschrift des Trans Ocean, ein mehrseitiger Magazinartikel über unsere Zeit in Venedig (inklusive Fotos) für ein Segel- und Lifestyle-Magazin und regelmäßige Berichte über Kroation für VIP-Urlaub.
Das heißt, wir sind wieder an der Schüppe – wie man im Pott sagt. Viele Leute, denen wir auf unserer Reise begegnen, fragen uns, wie wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Und tatsächlich haben wir bisher unser Gespartes ausgegeben. Muss ja auch mal sein. Einige behaupten, wir hätten unser Geld über Bord geworfen. Doch ich halte eine Reise mit einer Segelyacht für eine Investition fürs Leben. Sie ist jeden Cent wert. Doch jetzt neigt sich das Budget dem Ende entgegen. Es muss also Arbeit her.
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Blick aus unserem Küchenfenster bei schlechtem und bei gutem Wetter.
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Umkehren kam für uns nicht in Frage. Das Leben in Deutschland ist um ein Vielfaches teurer, als ein Leben an Bord. Die Auslandskrankenversicherung kostet nur ein Bruchteil der Krankenversicherung in Deutschland. Wir zahlen keine Miete, Strom scheint umsonst vom Himmel oder weht uns um die Ohren, Wasser kommt nicht aus der Wand, sondern aus den Bergen um uns herum. Nur Gasflaschen und Schiffsdiesel müssen wir hin und wieder kaufen. Ich schätze, dass wir für Kleidung und Bücher nur 10-20 Prozent von dem ausgeben, was wir in unserem früheren Leben dafür ausgegeben haben. Wir zahlen keine Miete, solange wir vor Anker liegen. Und das Wetter ist meistens besser.
Doch Umsonst ist das alles nicht. Welche Kosten sind geblieben? Wir gehen regelmäßig auswärts essen und leisten uns auch mal eine gute Flasche Wein. Das heißt, dass die Kosten für Lebensmittel vergleichbar sind mit Europa, beziehungsweise Deutschland. Wir zahlen weiterhin unsere Rentenversicherungen. Wir haben hohe Kommunikationskosten für Handy und Satellitentelefon. Und die größte Position im Budget, die alle unterschätzen: das Schiff inklusive der teuren Kaskoversicherung.
An Schiffen, die im Ijsselmeer nur am Wochenende bewegt werden und ein halbes Jahr im Winterlager stehen, geht weniger kaputt als auf Fahrtenyachten unterwegs. Für ein neues Segel ist man im vierstelligen Bereich. Unser Ofen ist durchgerostet. Hunderte von Metern Laufendes Gut müssen häufiger ersetzt werden als zu Hause. Das Aus- und Einkranen ist teuer. Und so weiter.
Was kostet also das Ganze? Umfragen unter anderen Seglern ergeben ein Budget von durchschnittlich 2.000 bis 2.500€/Monat, wenn man seinen Lebensstandard nicht wesentlich nach unten schrauben möchte. Das gilt für eine Zwei-Personen-Crew inklusive Hund.
Unsere Erfahrung nach ein paar Monaten selbstständiger Arbeit: Wir können weiterhin auf dem Schiff leben und überall dort arbeiten, wo es uns gefällt. Einzige Voraussetzung: Eine gute Internetverbindung. Ich glaube, das nennt man digitales Nomadentum. Wir sind quasi digitale Seenomaden.
Im Moment liegen wir in einer wunderschönen Bucht an der Nordwestseite der Ilha Grande in Brasilien. Die Internetverbindung ist hervorragend. Ich stehe um 5:30h auf, mache mir Kaffee und lese die (virtuelle) Zeitung. Dann wird bis mittags gearbeitet.
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Mittagspause.
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Einige meiner Kunden habe ich durch direkte Anfragen akquiriert. Das gilt für die Reiseberichte, Magazinartikel und Texte über Wein. Alles andere kommt quasi von alleine: Wir arbeiten für mehrere Agenturen, die Projekte und Einzeltexte auf Plattformen anbieten. Als Autor wählt man sich die Texte aus, die einem am liebsten sind (zum Beispiel 1.000 Wörter über Gartenzwerge), schreibt, schickt die Texte ab und bekommt das Honorar gutgeschrieben und einmal im Monat überwiesen. Klingt einfach – ist es auch. Man muss nur gut schreiben können.
Zwischendurch praktiziere ich mein tägliches Yogaprogramm und mache Spaziergänge mit Nico am Strand oder im Atlantischen Regenwald. Hier gibt es keine Autos, keine Mofas, keine Straßen. Nur Strände, Wald, Berge, und eine kleine Floating-Bar, die am Wochenende hervorragende Austern anbietet. Der Wirt der Bar, Bacana (übersetzt soviel wie der coole Typ), bringt uns vom Festland Lebensmittel mit. Dafür gehen wir zweimal in der Woche bei ihm essen und leckere Caipirinha trinken.
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Bacana hält einen Schnack mit den Gästen.
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Wenn ich darüber nachdenke, dass ich zwischen Köln und Gelsenkirchen jeden Tag zweieinhalb Stunden auf der Autobahn verbracht habe, muss ich sagen: Ich ziehe die tägliche Fahrt mit dem Beiboot zum Wasser holen, Hundespaziergang, Wandern oder Einkaufen der Autobahn vor.
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Auf dem Weg zum Einkaufen.
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Und noch etwas: Viele Leute daheim denken, man wäre auf dem Wasser alleine. Das Gegenteil ist der Fall. Wir treffen Armin, den wir schon vom letzten Jahr kennen und Maria-Helena. Bruno lebt auf einer 28 Fuß kleinen Victoire und bringt uns selbstgebackenes Brot. Renato und Caci wohnen seit letztem Jahr auf ihrem Schiff, ebenso Arthur und Elena, Tom und Paula, Chicao und seine Frau. Wir treffen Johann wieder mit seinem Trimaran und Sep, den wir in Gambia kennengelernt hatten. Britta und Michael kommen mit der Vera vorbei. Wir lernen Lindy aus Südafrika kennen und Igor aus Kroation. An Vereinsamung leidet man in der Crusier Community nicht so schnell.
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Die Cruiser Community in ihrem Vorgarten. Für Landmenschen kaum vorstellbar: Diese Leute wohnen alle auf ihren Schiffen.
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In zwei Wochen geht’s zur Abwechslung mal wieder in die Großstadt: Mit Armin fahren wir nach Rio de Janeiro und besuchen Freunde und Ärzte, machen Besorgungen und sehen uns vielleicht ein paar Sehenswürdigkeiten an. Danach freuen wir uns wieder auf die Idylle der Ilha Grande und unseren Arbeitsalltag.
Ines Baldauf
Hey, spannende Geschichte ist das mit euch drei
Wir träumen davon auch mal alles hinter uns lassen zu können, noch fehlt uns das Kleingeld dazu! Wir freun uns über jeden Tipp von Menschen die ihren Traum schon leben. Werde euch auf alle Fälle weiter verfolgen! Und wünsch euch das aller beste! Vielleicht begegnen wir uns eines Tages irgendwo am Meer!
LG Ines & Egor
Marcel
Hallo Ines und Egor,
es gibt so viele Wege, die man gehen kann. Das Loslassen ist das schwierigste. Aber genau das bringt einen dann weiter.
Auf bald,
Marcel
Michaela
Hallo ihr drei,
Ich verfolge euch auch weiterhin. War mal toll zu lesen, wie ihr so „über die Runden kommt“
Sonnige Grüsse aus Bochum
Michaela
Marcel
Michaela!
Schön, dass Du noch immer dabei bist. Kommt doch mal vorbei. Ein paar Tage Rio und dann eintauchen in die Gewässer der Ilha Grande. Ihr seid herzlich eingeladen!
Viele liebe Grüße,
Marcel, Joanna & Nico
Astrid
Hallo ihr Beiden, nein, ihr Drei
wir werden in wenigen Wochen, im Oktober, auf unsere Segelschiff ziehen und auch erst mal von unserem Ersparten leben.
Wenn wir zwischendurch die Möglichkeit bekommen zu arbeiten, zB in Tauchschulen oder handwerkliche Tätigkeiten werden wir unsere Reserven aufstocken.
Ich habe auch schon darüber nachgedacht für Magazine zu schreiben, daher bin ich euch für diesen Artikel besonders Dankbar! Nur eine Frage hätte ich noch: warum Gartenzwerge?
Liebe Grüsse, fair winds und immer eine Handbreit
Astrid
Marcel
Hallo Ihr vier,
warum denn nicht über Gartenzwerge schreiben? Kennt Ihr die Geschichte hinter den roten Zipfelmützen? Die sogenannte phrygische Mütze trug König Midas, um die ihm durch den Gott Dionysos verpassten Eselsohren zu verbergen. Dieser mir ansonsten sehr sympathische Gott verpasste dem König die Ohren als Strafe für seinen Wunsch, alles, was er berühre, möge sich in Gold verwandeln. So sind die Gartenzwerge Stellvertreter für den Kampf gegen die allseits verortnete Gewinnmaximierung. — Und mir deshalb sehr sympathisch.
Wann geht es denn bei Euch los? Wo liegt Eure Tiki? Braucht Ihr noch irgendwelche Tipps? Ihr könnt mich auch gerne direkt anschreiben unter marcel(ad)chulugi.de
Alles Gute,
Marcel & Crew
Volker Saul
Liebe Joanna, lieber Marcel,
es ist sehr interessant zu hören wie ihr den Alltag so verbringt und euer Leben organisiert. Echt zu beneiden, toll.
Weiterhin viel Glück auf euren Wegen,
liebe Grüße aus Köln,
Volker
Marcel
Lieber Volker,
vielen Dank. Es ist schön, von Dir zu hören. Wir erzählen unseren Freunden gerne von unserer Zeit in Köln. Ich hoffe, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Spätestens, wenn wir wieder in europäischen Gewässern unterwegs sind.
Euch auch alles Gute,
Marcel