Durch die Kalmen und über den Äquator

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Die Kalmen deuteten sich schon an dem Abend an, an dem der erste Regen über uns hinein brach. Seit Tagen ist der Himmel ein surrealistisches Repertoire an Formen und Figuren. Haufenwolken, Wolkenfetzen, Mikey-Mäuse, Hunde und Ambosse. Man stelle sich ein aufziehendes Hitzegewitter im Rheinland vor und dann die ganze Szenerie vervielfacht in einem 360° Panorama. Während es an Backbord am Horizont aus einem pechschwarzen Himmel regnet als hätte der Maler einen breiten Quast genommen, um den zuvor fertig gestellten Dalí- oder Tanguy-Hintergrund gekonnt in Richter-Manier zu übermalen – Seestücke, ballen sich an Steuerbord neue gewaltige Wassermassen in den Himmel. Und der Ozean bleibt unbeeindruckt, ja geradezu apathisch, träge. Kaum ein Wind, der uns nach Süden bringen könnte. Hier und da mal ein Auffrischen, eine Hoffnung auf volle Segel, doch nur von kurzer Dauer. Seit Tagen läuft der Motor. Jeder Versuch zu segeln endet mit schlagendem Tuch, strapaziert Material und Nerven. Wer einmal die Kalmen befahren hat, versteht, dass neben dem seemännischen Können, eine der größten Verdienste der Kapitäne zu den Anfängen der terrestrischen Globalisierung, die zuerst eine maritime war, darin bestand, die Moral der Mannschaft aufrechtzuerhalten, wenn man tage- oder wochenlang nicht vom Fleck kommt.


  
 Dazu kommen die Regengüsse. Stunden- und nächtelang prasselt es aufs Deck und rinnt plätschernd die Segel hinunter. Unsere kleine Feier anlässlich unserer Äquatortaufe ist in einem solchen Tropenregen quasi ins Wasser gefallen. Wir kamen gerade noch dazu mit einer Dose Bier anzustoßen und Neptun die ersten Schlucke zum Dank zu reichen, als es um uns herum Schwarz wurde. Die Nacht und der Regen brach herein und dauerte bis zum Morgengrauen. Seit zwei Tagen bekommen wir am Abend Besuch von einem dunkelgrauen Vogel mit spitzen Schnabel und Schwimmhäuten an den Füßchen, der sich während der Nacht an Bord ausruht. Den prasselnden Regenfällen ausgesetzt bleibt er bis zur Dämmerung und fliegt dann davon, ungeachtet unserer Aktivitäten an Deck. Ob es zwei mal der gleiche Vogel war, der uns begleitet? Nico war ganz fasziniert und musste mehrmals in der Nacht ins Cockpit, um nachzusehen, ob er noch da sitzt. Unsere Dieselvorräte haben wir in der Flautenzone bis auf zwanzig Prozent aufgebraucht, plus einen Kanister zur Reserve. Gerade noch rechtzeitig regt sich der Südost-Passat und füllt die Segel. Erst zaghaft und unschlüssig, durch die vielen Regenfelder abgelenkt, doch schließlich stehen Groß, Fock und Klüver und ziehen uns nach Südwesten. Die Sonne steht jetzt im Rücken und zieht ihre Bahn von Ost nach West über Nord. Wir sind nun auf der Südhalbkugel (Ich habe noch nicht überprüfen können, ob der Strudel in der Toilette anders herum abläuft.). Am Abend weht der Passat wieder mit 10-15Knoten und wir kommen wieder gut voran. Die Moral hebt sich.

  1. Edmund Czapracki

    Herzlichen Glückwunsch an die Besatzung der SY Chulugi.
    Ich begrüße euch im Kreis der getauften.
    Ein Meilenstein in der Seefahrt ist genommen. Die Äquatortaufe. Die besten Wünsche für eure weitere Reise .

    Gruß Edmund
    PS. getauft 23.Oktober 1967,um 1200 Z, Äquator, 30 ° 02′ westliche Länge.