Auf dem Rio Paraguaçu

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Am frühen Morgen verholen wir das Schiff vom Ankerfeld längsseits in die Marina. Die Tage sind fast genau zwölf Stunden lang. Um fünf Uhr dreißig wird es hell, um fünf Uhr dreißig wird es wieder dunkel. Für mich ein angenehmer und natürlicher Rhythmus. Ich stelle mir den Wecker täglich für sechs Uhr und werde doch eine halbe Stunde früher wach. Sogar Joanna schläft weniger lange als sonst. Am Steg bunkern wir das Wasser aus dem Jungbrunnen von Itaparica, erledigen noch einige Einkäufe und starten zunächst gegen den Flutstrom aus dem Kanal von Itaparica nach Norden und biegen dann nach Westen ab, tiefer in die Allerheiligenbucht hinein. Jetzt schiebt uns der Strom von hinten in die Mündung des Rio Paraguaçu.

Mit jeder Meile, die wir den Fluss hinauf fahren wird die Landschaft ursprünglicher. Die Einfahrt wird noch dominiert von einem riesigen gelben Kran und einer Werft zur Reparatur und Abwrackung von Bohrplattformen. Dazwischen kleine Strände unterhalb der hügeligen Landschaft, deren Vegetation jetzt dichter wird – Regenwald, Palmen, Mangroven. Der Fluss macht eine Biegung nach Norden (die Verwirrung auf der Südhalbkugel hält an – wo zum Teufel ist Süden und Norden?) und jetzt sind wir wirklich im Hinterland (Im Original Deutsch würde hier jetzt in der Fußnote stehen, wäre der Text aus einer anderen Sprache übersetzt worden.) von Salvador. Wir müssen an die Filme von Werner Herzog denken: Ein schlammfarbener Fluss in dem sich doch irgendwie der Himmel spiegelt, der so strahlend blau ist, dass es in den Augen weh tut, weiße Quellwolken, dazwischen rote Felsen auf denen eine saftig grüne Tropenlandschaft thront. Ein verlassenes Fort aus dem 16. Jahrhundert taucht an Backbord auf, dahinter die Ruinen einer Zuckerfabrik aus der Kolonialzeit. Wir müssen immer wieder Fischern in Einbäumen ausweichen, die im Fluss ihre Netze ausbringen.


Nach dem Regen.

Unser erster Stopp ist die Ortschaft Maragogipe (sprich Matagudschipi). Die 20.000 Einwohner Stadt war ein bedeutendes Zentrum der Zuckerproduktion, sowie des Tabackanbaus (Dazu später mehr: Joannas Ausflug nach Cachoeira führt unter anderem zur Zigarrenmanufaktur von Dannemann.)

Unsere Lieblingsbar in Maragogipe.

Nach einem bewölkten und regnerischen Tag geht es weiter hinauf nach Santiago (São Tiago) do Iguape. Am Nachmittag picknicken wir im Schatten seitlich der Kirche mit Blick auf den Fluss. Die Fischer flicken hier ihre Netze. In einem kleinen Laden bekommen wir kaltes Bier. Der Besitzer organisiert uns sogar einen Sack Grillkohle, die er gar nicht im Sortiment hat. Die Kohle brauchen wir dann doch nicht, als wir nach einstündiger Fummelei doch noch unseren Gasgrill entzünden konnten.

Aus einem Lautsprecher über uns in den Bäumen plärrt brasilianisches Radio, dazwischen mischt sich irgendwann ein Mädchenchor. Wir umrunden die Kirche noch einmal und finden jetzt den Seiteneingang offen. Im Chor proben ein paar Mädchen und eine Frau Kirchenlieder. Die Renovierung des Gotteshauses, die in unserem nautischen Führer erwähnt wird, scheint irgendwie auf der Strecke geblieben zu sein.

 


Santiago (São Tiago) do Iguape. Unser Grillplatz rechts neben der Kirche im Schatten eines großen Baumes.


Endlich! Der Gasgrill brennt.

 


Wo steckt Nico? 

Nico liebt das Licht von Sonnenuntergängen. Hier in den Tropen ist die Dämmerung leider sehr kurz.

 


Ankerplatz vor Santo Antonio.

 

Die letzte Station auf dem Paraguaçu: Das Convento de Santo Antonio aus dem 17. Jahrhundert. Ein paar Stunden vor Hochwasser landen wir an und klopfen an die Kirchenpforte. Niemand öffnet, obwohl das Tor zum Vorraum offen steht. Wir schlendern durch das kleine Dorf und auf dem Rückweg schlagen die Kirchenglocken vier Uhr. Uns kommt ein älterer Herr mit Hut entgegen, der Küster des Konvents. In der Hand ein riesiges Schlüsselbund mit mindestens so vielen Schlüsseln wie sie mein Vater immer mit sich herum trägt. Er hat eigentlich Feierabend, lässt sich aber dazu überreden uns noch eine Führung zu geben. Sogar Nico darf mit rein, nachdem wir die Frage verneinten ob er beißt.

Auch hier eine filmreife Kulisse. Das Convento Santo Antonio. Die brasilianische Telenovela Chico Velho wurde hier gedreht.

 


Eintragung ins Gästebuch.


Überall Termiten. Wie wohl der Dachstuhl über uns aussieht?


Renovierungsarbeiten.


Zufriedene Gesichter nach der Kirchenführung.

Nach der Kirchenführung gönnen wir uns ein (verdammt) kaltes Bier in einer der Buden am Fluss. Der Wasserstand ist jetzt so hoch, dass die Kinder von den Felsen mit Kopfsprüngen und Rückwärtssalto ins Wasser springen. Der Tidenhub beträgt im Moment gute drei Meter. Das Tagesgericht ist Krebsfleisch mit Bohnen. Das lassen wir uns nicht entgehen.

Reis, Bohnen und Krebsfleisch. Dazu kaltes Bier. Estupidamente frio, was soviel heißt wie blödsinnig kalt, häufig so kalt, dass Eis in der Flasche schwimmt.