Vila Real de Santo António

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Unsere ersten Schritte auf portugiesischem Boden: mit der kleinen Fähre vom spanischen Ayamonte nach Vila Real de Santo António, abgekürzt V.R.S. António oder für ganz Eingeweihte: VRSA.

Der frühere Fischerort Santo Antonio de Avenilha an der Flußmündung des Rio Guadiana wurde durch das verheerende Erd- und Seebeben von 1755 völlig zerstört. Und nur innerhalb weniger Monate neu wieder aufgebaut. Doch bevor er zum heutigen Grenzort wurde, hatte diese Gegend noch eine andere Geschichte…Phönizier, Griechen, Karthager und schließlich die Römer, Araber, Portugiesen, Spanier, wieder Portugiesen, die Truppen Napoleons etc etc. nahmen die Algarve immer wieder für sich in Anspruch.

Zu erwähnen ist auch das sich in unmittelbarer Nähe zum Ort befindende Castro Marim; ein “Örtchen” bestehend hauptsächlich aus zwei Burgen, Kirche, Kloster und Saline, die bereits die Römer angelegt haben. Herausragende Bedeutung gewann er durch seine besonderen Bewohner, die vom Papst verbotenen und verfolgten Templerordensritter, die sich um eine neue Führungspersönlichkeit auf einer der Burgen scharrten und sich unter dem neuen Namen nun als der Christusritterorden formierten. Ihm gehörten alsbald wichtige Persönlichkeiten aus dem politischen und geistigen Leben Portugals. Zu aller erst ist sicherlich Heinrich der Seefahrer zu nennen, der der weltliche Administrator des Ordens wurde. Auf dem Foto sieht man im Hintergrund die beiden Burgruinen auf den zwei Hügeln des Castro Marim und die weiße Kirche dazwischen. Ansicht von der Fähre nach VRSA aus fotografiert:

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Der Rio Guadiana mit der modernen Brücke im Hintergrund. Rechts das spanische Örtchen Ayamonte, links die Baracken des Hafens von Vila Real de Santo António:

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Santo Antonio de Avenilha und das Vila Real de Santo António

Marquês de Pombal, der Premierminister Sebastião José de Carvalho e Melo unter König José I., war hauptverantwortlich für den Wiederaufbau der Hauptstadt nach dem Erdbeben von 1755. Und darüber hinaus – das sei an dieser Stelle auch erwähnt – derjenige, der das Königreich modernisierte und einen aufgeklärten Absolutismus verfolgte, die Emanzipation der Indios in Brasilien stärkte, die Jesuitenorden in Brasilien und in Portugal auflöste, die Sklaverei in Portugal abschaffte (jedoch nicht in Brasilien), die Inquisition unter staatliche Aufsicht stellte u.v.m.. Der gleiche Marquês ließ 1774 das Städtchen oder eher das Dorf Santo Antonio de Avenilha, das das Tsunami zerstörte, in nur wenigen Monaten neu aufbauen und gab ihr den heutigen Namen als eine Zusammenfügung der Begriffe „königliche Stadt“ – Vila Real – und dem Namen des Schutzpatrons des ehemaligen Ortes “St. Antonio”.

Die Umgebung sowie der Ort selbst hatten durchaus von jeher strategische Bedeutung, da sie unmittelbar an der (Fluß-) Grenze zu dem verfeindeten Nachbarland Spanien lagen (und liegen). Hier stoßen Andalusien und Algarve aneinander, getrennt nur durch den Fluß und bis in die 1990er Jahre hinein auch ohne eine Brückenverbindung. Dementsprechend befinden wir uns hier auf einem geschichtsträchtigen Boden, auch wenn man es ihm das nicht mehr so ansieht. Sicherlich hatte der Marquês diese Situation vor Augen, als er in Sichtweite der Spanier die erstarkende Größe Portugals durch den schnellen Bau einer ganzen Stadt unter Beweis stellen wollte und zum Vorzeigeobjekt machte.

Der Minister hatte zuvor beim Aufbau der ebenfalls völlig zerstörten Unterstadt „Baixa“ von Lissabon Erfahrungen mit einem derartigen Projekt gesammelt. Wie in Lissabon ließ er Vila Real de Santo Antonio nach dem Muster eines Schachbretts mit rechtwinkelig angeordneten Straßen aufbauen; für den Bau der einheitlichen Häuser wurden sogar Fertigteile per Schiff aus Lissabon angeliefert.

Die Stadt aus der Retorte – mit Vorliebe ehemals ein Dorf -, die in ihrer Grundanlage einem Schachbrett folgt, war durchaus en vogue in Europa. An der Stelle sei nur ein anderes Beispiel für Interessierte erwähnt: Zamość– ein Städtchen in Südostpolen (Galizien), gebaut nach der Idee des polnischen Großkanzlers Jan Zamoyski als „ideale Stadt“. Vorbild war die Stadt Padua und der ausführende Architekt Morando ein Venezianer, der die Arbeiten 1581 begann und 1605 vollendete. Vergleichbar ist hier wie da die Idee der Vorzeigestadt, auch wenn der portugiesische Ort nicht ganz die exquisite Ausführung vorweisen kann wie der polnische, aber Polen hatte weder einen Tsunami noch verprasste es das Geld der Inka.

Der zentrale Platz benannt nach seinem Erbauer “Marquês de Pombal” : jetzt während der Saison leider etwas durch den allgegenwärtigen Rummel verstellt. Man kann sich aber die ‚unverhältnismäßige‘ Größe und Weitläufigkeit im Verhältnis zu den einfacheren Häusern und schmalen Gassen vorstellen.

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Das schöne Hotel im Jugendstil an der Flußpromenade – steht verlassen da und ist beinahe schon eine Ruine, sehr sehr schade… Man kann es aber kaufen…

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Nicht verlassen ist hingegen die kleine Marina, die in vielen “Hafen-Pilots” verpönt wird (wegen der zu kurzen Poller, so dass angeblich die Schwimmstege beim ordentlichen Hochwasser wegzuschwimmen drohen…). Wir und offenbar ganz viele Segler können die schlechte Meinung darüber nicht nachvollziehen – bleiben aber trotzdem in Ayamonte und warten und warten und warten auf das Paket.

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Vila Real d.S.A. ist berühmt für ihre Stoffproduktion – halb Spanien kauft hier Bettbezüge, Tagesdecken und Handtücher in allen Größen ein. Das Angebot ist im Übrigen überall gleich, die Preise sehr ähnlich und vor allem die Bettbezüge recht teuer; wir haben uns damit einige Stunden lang beschäftigt, ohne am Ende etwas gekauft zu haben. (Außer einem durchsichtigen Schlauch, den wir auf die untere Metallreling eingefädelt haben, damit sich Nico beim Runterspringen vom Bord nicht den Rücken aufratscht.)