Tag II auf Porto Santo: Vila Baleira

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Der zweite Tag stand wieder unter dem Motto “erst das Schiff putzen, dann in den Ort schlendern”.

Als wir jedoch erfuhren, dass uns wieder ein Tiefdruckgebiet mit Windstärken um 35 kn und in Böen mehr hier auf Porto Santo erreichen wird (dieses Mal aus SW kommend), haben wir uns dazu durchgerungen, heute nicht zu arbeiten und erst einmal das gute Wetter auszunutzen. Wer weiß, vielleicht wird dann aus dem Tief doch noch ein Zyklon und die kreisen bekanntlich gerne um ihr eigenes Zentrum für mehrere Wochen an der gleichen Stelle.

Und dann sah unserer Tag dann folgendermaßen aus:
Schlendern am Strand entlang bis zum Ort, kurz Sightseeing und dann zu einem im Reiseführer gelobten Außenrestaurant am Ende des Strandes. Danach wieder zurück durch den Ort und zum Schiff, das noch mit doppelten Festmachern und Ruckdämpfern für den stürmischen Wind ausgerüstet werden wollte.

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Vila do Porto Santo, eigentlich Vila Baleira, hat einen schnuckeligen Hauptplatz, der in einen modern gestalteten zweiten Teil mündet, und am Abend angenehm belebt ist, ohne so laut zu sein, wie es in Spanien üblich ist. Und es gibt dort überall free Wifi. Wie überhaupt hier vieles mit echten Sozialleistung für alle ausgestattet ist. Auch Computer stehen den Einheimischen und Besuchern im Rathaus zur Verfügung. Sauber, adrett, nett und überschaubar liegt der Ort zwischen Meer, Strand und den drei Picos mit ihren unwirtlich sauber ausgeschnittenen Trichterformen.

Vila Baleira hatte lange Zeit auch einen zweiten Namen, der auf ihre untergeordnete und wenig attraktive Rolle gegenüber der größeren und berühmteren Insel Madeira hinweist, denn die “Braune” genannt zu werden, ist nicht wirklich schmeichelhaft. Erst die Touristikbranche kam auf die Idee, das Braune in das Goldene zu verwandeln. (Diese alchemistische Leistung, übrigens in beide Richtungen möglich, ist der Branche grundsätzlich eigen.) Gold sollte dann auf den feinen Sandstrand und die scheinbar zahlreicheren Sonnenstunden hinweisen, die die Insel “goldiger” macht als Madeira, und um sie für Touristen und Bauspekulanten attraktiv zu machen. Leider scheint die Rechnung aufzugehen. Wir sahen an den Hängen aufragende Hälse der Baukräne. Und Ferienblocks im üblichen öden Architektureinerlei besiedeln die labilen Hänge.

Aber alles in Allem wirkt die Insel Mitte September nicht überlaufen und die Bautätigkeit hält sich (noch?) in überschaubaren Grenzen. So ist die “Sonneninsel” oder die “Goldene” durchaus eine angenehme Überraschung.

Wie immer äußerst bedauerlich sind die ruinösen Gebäudekomplexe des 19. Jhs, um die sich keiner kümmern will, so dass sie dem Verfall – vielleicht sogar mit Absicht – preisgegeben sind. Ich fand die alte Mineralwasserfabrik der Insel! Ein schöner kleiner Komplex mit der obligatorischen frei zugänglichen Quellenahalle, in der man frei das Wasser zum privaten Gebrauch abschöpfen kann. Das Wasser fließt noch und ich werde demnächst einige leere Flaschen hier wieder auffüllen. Der japanische Grüntee, der im Schapp seiner Wiederentdeckung harrt, wird damit entsprechend der Teetradition (Quellwasser + Tee) zubereitet werden können. Eine schöne Tradition – die der freien Quelle -, die ich als Fan der Mineralwasserquellen schon überall in Deutschland und Italien erfahren habe. (An dieser Stelle eine wehleidige Erinnerung an die Eifel…).

Gründungsjahr der Fabrik oder die Einfassung dieser Quelle scheint 1844 gewesen zu sein. Leider berichtet der alte DuMont-Kunstreiseführer nichts darüber, statt dessen aber über das Mineralwasser und seine Qualität aus der “Quelle des Sandes”, Fonte da Areia. Diese Quelle entspring an der Nordwestküste einem hellen Sandsteinfelsen. Es gab (oder gibt sie vielleicht immer noch) wohl mehrere medizinische Mineralwasser auf der Insel, die als “Aguas do Porto Santo” relativ bekannt gewesen sein sollten. Ihre Zusammensetzung: doppelkohlensaures Salz, Chlor, schwefelsaures Natron. “Das Wasser empfiehlt sich für die Behandlung von Hautkrankheiten und Verdauungsschwierigkeiten”, so der DuMont von 1990 (Wendula Dahle/Wolfgang Leyerer). Es soll bereits seit 1905 fabrikmäßig abgefüllt worden sein.

Ein Blick durch die dreckverschmierten Glasscheiben zeigt die alten Abfüllgeräte noch vollkommen erhalten! Aus den 1970er Jahren oder früher? Was für eine Schande. Der MM-Reiseführer von 2012 erwähnt noch eine Abfüllfabrik für das Mineralwasser der Quelle Fonte da Areia (Sandquelle), die ganz hervorragend sein soll und sogar auf Madeira in Supermärkten zu kaufen sei. Die Fabrik, die ich entdeckte, kann aber kaum nur zwei Jahre leerstehen, oder?

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Die Hauptsehenswürdigkeiten von Vila Baleira gruppieren sich um den alten Hauptplatz:

Das alte Rathaus aus dem 16. Jh., eine schöne portugiesisch-maurischer Architektur mit einer doppelläufigen Treppe flankiert von zwei Drachenbäumen – den einzigen alten Exemplaren, die ihr Ausbluten überlebt haben -, die sich nur alle 15 Jahre verzweigen sollen. Siehe zweites Foto oben.

Die Kirche Nossa Senhora da Piedade von 1430. Die südliche Kapelle zeugt noch von gotischen Ursprüngen (Gewölbe) der Kirche. Und sie beherbergt eine skurrile Gruppe von Skulpturen (schätzungsweise 16.Jh.), die das Letzte Abendmahl Christi darstellen. Da ihnen allen ein sauberer Sägeschnitt die Extremitäten ab der Hüfte abgetrennt hatte, wirken sie ein wenig wie eine Gruppe von Zwergen oder Kleinwüchsigen, die vom Wandern zurückkommen.

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Hinter der Kirche kann man ein im Ursprung noch mittelalterliches Haus aus dem 15. Jh. besichtigen, das als Casa de Columbo ausgewiesen ist. Ob dort Christoph Columbus mit seiner Braut mehrere Jahre gelebt hat, ist nicht ganz geklärt aber durchaus wahrscheinlich. Denn das an dieser stelle ursprünglich stehende Haus gehörte wahrscheinlich dem Stadthalter von Porto Santo, Bartolomeu Perestrelo, einem Verwandten des portugiesischen Königs Henrique/Heinrich der Seefahrer. 1478 heiratete Columbus die Tochter des zu dem Zeitpunkt schon verstorbenen Stadthalters, Felipa Perestrelo y Moniz, und zog mit ihr auf die Insel. Felipa war bereits 25 Jahre alt und damit eine alte Jungfer und ohne Mitgift, die in einem Kloster für adelige unverheiratete und ohne einen Bewerber dastehende Frauen leben musste. Doch Columbus suchte keine Geldmitgift, sondern nach einem Eingangstürchen zum Königshaus, um dort für sein finanzierungsbedürftiges Projekt der Seereisen nach Westen über den Atlantik zu werben. Die Brautwerbung für einen aus einfachen Verhältnissen stammenden Mann und einer Dame aus dem Hochadel konnte in der Kapelle des Klosters de Santo in Lissabon vonstatten gehen, wo die unfreiwilligen “Schwestern” täglich beteten. Die Brautwerbung war erfolgreich, nicht zuletzt weil der Lehnsherr und Vater der Braut nicht mehr sein Veto gegen die Vermählung einlegen konnte.

All das half nicht, das portugiesische Königshaus wollte dem Eingeheirateten keine Finanzierung seiner verwegenen Pläne ermöglichen. Das Paar siedelte daraufhin vermutlich für mehrere Jahre nach Porto Santo und Madeira. Möglicherweise wurde der gemeinsame Sohn, Diego Columbus, auf Madeira geboren (oder noch in Lissabon). Obwohl Felipa zu diesem Zeitpunkt einen weitaus berühmteren Namen als Columbus trug und aus einem königlichen Hochadel stammte, wissen wir nichts von ihr. Außer dass sie wenige Jahre nach der Hochzeit starb.

Zu Geschichte der Insel dann für Interessierte etwas mehr Informationen unter “La Historia”.

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