Wir ankern zwischen Sal Rei, der Haupstadt von Boavista und der kleinen, vorgelagerten Insel Ilhéu de Sal Rei. Etwa eine halbe Meile flaches Wasser mit Sandbänken und Riffen trennt die Inseln voneinander. Angeblich scheint auf den Kapverden immer die Sonne und angeblich regnet es (fast) nie. Doch wenn wir auf Boavista, der Insel mit den längsten, schönsten und weißesten Stränden, mit den höchsten Dünen und dem türkisfarbensten Wasser (falls es einen Superlativ von türkisfarben gibt) einen Badestopp einlegen wollen, bevor wir nach São Nicolao weiterfahren, dann ist es tagelang bewölkt und es regnet immer wieder. Die Dünung am Ankerplatz nimmt zu, arbeitet sich von zwei Seiten um die kleine Insel herum, bricht sich über dem vorgelagerten englischen Riff und bildet vor dem Strand einen Surf, der sofort die Wellenreiter aus den Verstecken lockt. Wir entscheiden also, die Chulugi nicht aus den Augen zu lassen und verschieben den Stadtspaziergang bis sich die Lage etwas beruhigt, obwohl wir bei dem Sandgrund eigentlich keine Angst haben, dass der Anker ausbricht. Doch man weiß nicht, wie sich die brechenden Wellen entwickeln, falls sich die Dünungsrichtung ändert, und das ist auch unabhängig von der Windrichtung möglich und kann beeindruckend schnell gehen.
Doch ein Hundetaxi zur Ilhéu muss eingerichtet werden – drei mal täglich Pendeverkehr zur Ilhéu und zurück. Obwohl noch immer weitgehend wasserscheu, egal ob von oben, unten oder als Getränk, muss unser Kleiner immer während der Fahrt auf den Schläuchen des Dingis rumturnen und Ausguck (beziehungsweise Ausriech) gehen. Obgleich er schon mehrmals unfreiwillig baden gegangen ist, bleibt die Anziehung groß, während der Fahrt immer wieder oben auf dem Rand zu stehen wie eine Galeonsfigur. Blicke von Einheimischen und Touristen sicher auf seiner Seite.
Nico freut sich nach dem schmuddeligen, winzigen Strandabschnitt vor Palmeira, über die vielen Strände hier auf Boavista. Er kann rennen, fetzt den Strand rauf und runter und – traut sich sogar mal bis zur Brust ins 28 Grad warme Wasser. Und das beste ist, die Eltern die Wurst-Angel mit an Land nehmen. Nico kriegt das schon bei der Vorbereitung mit und wird unruhig, will sich die Wurst schnappen und „töten“. Im Dingi ist er kaum zu halten und am Strand muss man ihn mit zwei Händen am Geschirr festhalten, um ihn zu beruhigen. Er ist kaum zu bändigen, wenn es um die Wurst geht, rennt sogar durchs Wasser und kommt so außer Atem, dass wir bald das Spiel abbrechen müssen, um das kleine Herzchen zu schonen. Und das kann er einfach nicht verstehen, dass die Wurst weggepackt wird, er sucht und kramt im Dingi bis er die Wurst gefunden hat, rennt sogar zurück, wenn wir uns schon auf dem Weg zur Ruine des Forte Duque de Bragança befinden und schleppt die Wurst samt Angel hinter uns her. Was geht in diesem kleinen Köpfchen vor?
Das Fort mit sechs massiven Kanonen bestückt ist im Jahre 1818 gebaut worden, nachdem es im Jahr zuvor mehrfach Angriffe südamerikanischer Schiffe gegeben hat. 1817 gab es in Brasilien eine Rebellion gegen die Kolonialmacht Portugal, die jedoch schon bald blutig niedergeschlagen wurde, sich aber bis auf die Kapverden ausdehnte, die ebenfalls unter portugiesischer Hoheit standen.
Ein schmaler Fußweg führt vom Strand den seichten Hügel hinauf, auf dem das Fort errichtet wurde. Der Weg, alle schönen Picknickplätze und die Dünen hinter dem Strand sind gespickt mit Müll und Scherben. Was uns schon in Palmeira aufgefallen ist, sehen wir leider auch hier und wird durch einen unserer Reiseführer bestätigt:
Das Umweltbewusstsein ist generell wenig entwickelt. Wer an den Strand fährt oder sonst wo in der freien Natur ein Picknick macht, lässt alle Abfälle hinter sich stehen und liegen. Bierflaschen zertrümmert man gern unmittelbar, ohne sich darum zu kümmern, dass die Scherben den Platz fast unbenutzbar machen. Auf die Idee, seine Abfälle mitzunehmen und zu Hause zu entsorgen, kommt niemand. Wenn Europäer das machen, dann ernten sie meist nur einen ungläubigen und wenigverständnisvollen Blick. Irgendwie kann man die Kapverdianer sogar verstehen: Wenn es zu Hause keine geordnete Müllabfuhr gibt, warum dann den Müll mitnehmen? Peter Schaller: Entdeckung für Andersreisende: die Kapverdischen Inseln.
Es ist wie überall auf unserer Reise, sei es im Mittelmeerraum oder auf den atlantischen Inseln, Plastikmüll ist ein ständiger Begleiter und wo er nicht liegen gelassen wird, da wird er angespült, denn die Meere und Ozeane sind ebenso voll davon; wir haben es sogar unterwegs, auf hoher See, gesehen. Es wundert nicht, wenn die Menschheit daran zugrunde geht, wenn der Planet unbrauchbar und unbewohnbar wird. Und da fällt uns ein: Wir brauchen dringend eine neue Membran für unseren Wassermacher, um zumindest die vielen Wasserflaschen zu vermeiden. Unsere Membran ist jetzt fünf Jahre alt und in den ersten Jahren wenig benutzt worden, so dass der Selbstreinigungseffekt gering war. Das Ergebnis ist im Moment zum Kochen, Waschen und Zähneputzen gut geeignetes Wasser, doch im Kaffee, Tee oder pur bleibt ein Hauch von Salznote. Wir nehmen gerne das teure Wasser in Kauf, wenn wir darauf verzichten können, ständig Wasserflaschen aufs Schiff zu transportieren und – den Müll wieder zurück an Land, wo die Entsorgung fragwürdig ist. Meistens wird der Müll, wenn er überhaupt abgeholt wird, in irgendeine Schlucht gekippt und sich selbst überlassen. Wir haben auf Porto Santo erlebt, dass dadurch die einzige und als Heilquelle ausgewiesene Wasserquelle der Insel vergiftet und ungenießbar wurde.