Die Ilha Anchieta heißt auch Ilha dos Porcos – Schweineinsel, obwohl die namensgebenden lustigen Tierchen, die Wasserschweine, Capivara oder Capybara, eigentlich Nagetiere sind (verwandt mit den Meerschweinchen). Wie auf der Ilha Grande befand sich auch auf dieser kleineren Insel eine Strafkolonie.
Die Eingangsgebäude der Strafkolonie beherbergen ein Auditorium und Wirtschaftsräume, sowie Büros der Nationalparkverwaltung.
I Praia do Engenho
Wir Ankern in der großen, nach Norden geöffneten Enseda das Palmas vor der kleinen Praia do Engenho. (Ja, auch hier gibt es wieder einen Strand dieses Namens. Portugiesen und Spanier übertreffen sich immer wieder mit der Einfallslosigkeit in der Namensgebung ihrer okkupierten Länder. Immer irgendetwas mit Kreuz oder Palmen, oder den üblichen Heiligen. Engenho, Maschine, war für uns neu, wird aber trotzdem wiederholt.) Ein kleiner Bach mündet in der Bucht. Von einer Maschine nichts zu sehen. Am Strand machen sich die Geier über einen Schildkrötenkadaver her, der einen unangenehmen Geruch verbreitet. Am frühen Vormittag und am späten Nachmittag hat man den Strand mit den Geiern ganz für sich alleine. Dann sind alle Schooner und Tagesausflügler noch nicht da oder wieder verschwunden. Für die Brasilianer ist die Natur lediglich Kulisse für laute Musik, permanentes Gequassel und Churrasco. Während des Tages kommen einige Motorboote angerauscht und ehe der Anker richtig gegriffen hat, ist bereits der Grill an Deck angefeuert.
Mahlzeit! Lecker Schildkrötenkadaver.
Am Morgen Yoga, Schwimmen und Duschen am Strand.
Keine Hunde?! Das glaubt Nico nicht. Am Strand wird trotzdem gespielt.
Idyllischer Ankerplatz. Solange noch keine Motorboote und Jetskis da sind.
Meine Yoga-Plattform mit Aussicht.
Wurzeln der Weißen Feige.
II Das Gefängnis
Das erste Gefängnis wurde 1902 auf der Insel errichtet und zwölf Jahre später wieder geschlossen. Während der Diktatur Getúlio Vargas wurde die Anlage ab 1928 zur Unterbringung politischer Gefangene genutzt. In dieser Zeit erfolgte die Umbenennung der Ilha dos Porcos in Ilha Anchieta – nach dem Jesuitenpadre José de Anchieta, der in der Zeit der Entdeckungen im 16. Jahrhundert hier wirkte und 2014 von Papst Franziskus heilig gesprochen wurde.
1952 ereignete sich eine Rebellion unter den Gefangenen. In einer kriegsähnlichen Operation entkam dabei die Hälfte der Gefangenen, während ein Großteil der Gebäude durch Feuer zerstört wurde. 1957 wurde das Gefängnis dann geschlossen und die Insel war über Jahrzehnte verlassen.
Heute sind die Eingangsgebäude restauriert und beherbergen Einrichtungen der Nationalparkverwaltung, sowie ein Auditorium. Die Ruinen der anderen Gebäude sind dahinter um einen rechteckigen Platz angelegt. Obwohl an diesem Wochenendtag einige Schooner und kleinere Motorboote Besucher brachten, sind wir die einzigen, die sich für die Ruinen interessieren. Die meisten Brasilianer schleppen ihr mitgebrachtes Mittagessen und kaltes Bier an einen der Strände, bleiben dort, lärmen herum und trotten nach dem Hupen der Schiffe wieder zurück zur Anlegestelle. Lediglich eine Familie zeigt kurzzeitig Interesse an der Geschichte der Insel, was sich dadurch äußert, dass sich die Frau neben der lebensgroßen Statue José de Anchieta fotografieren lässt.
Der von Besuchern verwaiste Innenhof, um die die einzelnen Gebäude gruppiert sind.
Fotostrecke: Die Ruinen des Gefängnisses.
Fotostrecke: Erinnerungen an die Zeit des Gefängnisses.
Die vor einigen Jahren wiedereröffnete Kapelle Bon Fim – Gutes Ende.
III Die Tiere
Unkontrolliertes Jagen dezimierte in der Zeit, nachdem das Gefängnis geschlossen und die Gebäude verlassen wurden, fast die gesamte Tierwelt auf der Ilha Anchieta. Erst 1981 wurde ein Programm zur Regeneration der Ökologie aufgelegt. Heute ist die Insel Nationalpark und es tummeln sich so einige pussierliche Tierchen, so dass man sich fast vorkommt wie in einem Streichelzoo. Ein Gürteltier wuselt und schnüffelt zu unseren Füßen, während wir die Ruinen der einzelnen Gebäude besichtigen. Über unseren Köpfen hopsen und fiepen die kleinen Äffchen mit den puscheligen Öhrchen, die wir schon von der Ilha Grande kennen. Neben dem Gefängnis hat man einen Grillplatz für das für Brasilianer unverzichtbare Churrasco angelegt, mit Pavillions, Toiletten und Duschen. Zwischen den Tischen schleichen die Capivara umher und mähen das Gras. Um diesen Artikel auch in die Rubrik Gastronautisches einsortieren zu können sei zu erwähnen, dass schon die Indianer die Tiere jagten und das Fleisch gegessen haben. In Argentinien und Uruguay sollen noch immer Würste aus dem Fleisch hergestellt werden. Joanna winkt schon jetzt dankend ab. Ach ja, auch die Gürteltiere sollen sehr wohlschmeckend sein.
Einige braune Waschbären(?) mit gestreiftem Schwanz machen sich über die Mülltonnen her. Sie schaffen es sogar, die Deckel anzuheben und verschwinden in den Tonnen. Kurz darauf fliegt der Deckel auf und die Waschbären machen sich mit der Beute davon. Einige Mülltonnen liegen umgestürzt herum. Und dann gibt es noch diese kleineren Dinger, die so ähnlich aussehen, wie die Capivara – Was seid ihr denn? Kleine Capivara oder noch andere Nager?
Ein Gürteltier wuselt vor unseren Füßen.
Bist du ein Capivara?
Du bist auf jeden Fall einer.
Hier noch mal beide nebeneinander. Zum Vergleich.
Drauf geschissen!