Man liebt sie und kommt immer wieder, oder man hasst sie und reist nur einmal an… liest man häufig zu Fuerteventura.
Nicht von ungefähr, wie ich meine, denn das, was wir 2014 zu sehen bekommen, ist die verspätete aber durchaus ambitionierte Entwicklung einer von Sanddünen, Basaltgeröll und einigen Vulkanen geologisch geprägten Insel hin zu einer Touristeninsel ersten Ranges. Die hier entstehenden Hotelburgen und tote Feriendörfer tarnen sich in Beigefarben, Ochsenblut oder Gelb, so als ob sie sich ihrer Eintönigkeit und Einfallslosigkeit selbst schämen würden. Sie sind riesig!
Alle Strände Fuerteventuras getestet vom Beach-Inspector
Wie anders zeigt sich Fuerteventura als Lanzarote! Sicherlich liegt es daran, dass der allgegenwärtige Künstler César Manrique in der ersten Phase der touristischen Aufbereitung der Insel in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren ziemlich viel Mitsprache bezüglich der Gestaltung der Insel hatte. Der Grund dafür – oder wenn man so will, sind es zwei – lag in seiner Freundschaft zu dem damaligen Inselpräsidenten Pepin Ramírez, Manriques faschistische oder sagen wir mal, rechtskonservative, Gesinnung (ehem. Anhänger Francos) kam ihm sicherlich dabei zugute. Wenigstens der Insel hat es bestens bekommen, auch wenn die ehemaligen Bestimmung offensichtlich nicht mehr so greifen, siehe die neuen riesigen Ferienanlagen im Süden der Insel. 1968 wurde zum Schutze der Natur und Kultur der Insel und Insulaner bestimmt, dass grelle und großflächige Reklametafeln entfernt wurden, neue Häuser im lanzarotenischen Stil zu bauen waren (Manrique fuhr durchs Land und überzeugte die Leute persönlich davon) und nicht höher als zwei Stockwerke sein durften. Die Naturattraktionen wurden behutsam(-er) so ausgebaut, dass sie Touristenmassen verkrafteten. Hauptinitiator der Umbauten: C.M.
Genug der Rückblende, nun sind wir auf Fuerteventura. Und Fuerte hat keine klugen Künstler oder Architekten und schon gar nicht Politiker, die sich um die Kultur und Natur der Insel Gedanken machen würden. Dabei nimmt man an, dass in prähistorischer Zeit beide Inseln eine einzige Urlandmasse bildeten, die irgendwann auseinandergebrochen ist. Tatsächlich ist die Wassertiefe zwischen Lanzarote und Fuerteventura recht gering, wohingegen 2000 Meter Tiefe Fuerte von Gran Canaria im Westen trennen.
Angesichts dieser Naturzerstörung aber auch kultureller Ödnis im Vorbeifahren mache ich mir so meine Gedanken. Wo wollen wir (als Menschheit) hin? Was haben wir für Ziele jenseits unserer Türschwelle? Was ist eine “Spaß-Gesellschaft” und für wen Spaß? Hat jeder das Recht auf Sonne-Strand-Meer-“All You Can Eat”, das dann zu kleinen Preisen für jeden zu haben sein muss?
Haben wir noch ein Verantwortungsbewußtsein oder nur ein Spaßbewußtsein?
Die Marinas, die von den Langzeitseglern angefahren werden, haben immer eine Tauschecke, in der vor allem Bücher zum Tauschen bereitstehen. Ich habe vor kurzem ein Buch im Tausch genommen, das vor längerer Zeit die Bestseller-Liste anführte. Vielleicht hat der eine oder die andere es auch damals gelesen, es handelt sich um “Sofies Welt” von Jostein Gaarder. Ein Roman für Jugendliche, aber wie so oft, sehr gerne von Erwachsenen gelesen. Nun, dieses Buch will vor allem junge Leute dazu anregen, sich über sich selbst und die Welt Fragen zu stellen – sich selbst hinter-fragen. Und somit die Frage-Aller-Fragen aktualisieren: Wozu bin ich auf der Welt und wer bin ich eigentlich?
Angesichts dessen, wie wir unsere (Um-) Welt gestalten und unsere Kinder das fortführen lassen, finde ich, sind diese Fragen aktueller denn je. Aber auch unbequemer denn je. Es ist tatsächlich nicht nur eine bloße “Jugendliteratur”.
Man könnte zum Beispiel damit anfangen, sich bei dem nächsten Urlaub in einem solchen oder ähnlichen Resort oder “Feriendorf” zu fragen, woher die Tonnen an Essen herkommen. Aus dem jeweiligen Urlaubsland? Nein, leider. Sie werden importiert. Das heißt, dass die Insel abhängig ist vom Tourismus, dem fremden Geld, und vom Festland, von wo aus die Tonnen an Verbrauchsgütern für die Touristenindustrie importiert werden. Die eigene Produktionswirtschaft verkümmert bzw. ist inexistent. Außer der Bauwirtschaft. Eine totale Abhängigkeit also von einem ‘Arbeitgeber’ und auf diesen angewiesen. Bleibt der Tourist als ‘Masse’ aus, so bricht alles zusammen. Damit kann man die Kritiker dieser Art der Monokultur mundtot machen.
Fuerteventura und Lanzarote waren schon immer karge Vulkaninseln, doch sie waren nicht so ‘verwüstet’ wie jetzt. Das lag daran, dass die ursprüngliche Vegetation (Bäume, Flächten und Büsche) die Nässe gehalten und als Kondensation immer wieder auch mitproduzierten. Abgeholzte Wälder wurden von den Siedlern und dann von der Bevölkerung bis in die 1970er Jahre durch Nutzpflanzen und Agrarwirtschaft teilweise ersetzt, die gleicherweise noch eine gewisse Menge an Feuchtigkeit produzierten (auch wenn sie mehr verbrauchten als die ursprüngliche Vegetation davor).
Und jetzt? Sieht irgendjemand noch Felder und Feldfrüchte auf Fuerte, die die Massen an Bevölkerung ernähren könnten? Nein. Und so verödet das Land, da man auch anstelle der Felder keine Bäume pflanzt, sondern Siedlungen baut.
Und wohin fließen die Tonnen an Fäkalien, die die Touristen und die gewachsene Bevölkerung täglich produzieren? Kläranlagen haben wir keine gesehen und wenn, dann waren sie nicht an den Resorts und auch nicht ausreichend dimensioniert.
Und woher kommt das Süßwasser, das man in der Ferienanlage verschwendet? Und der Strom, der für alles mögliche notwendig ist? Sonnenkollektoren haben wir keine gesehen. Nur vereinzelt Windräder – übrigens im Naturschutzgebiet. Hingegen haben wir in einigen Buchten, in denen noch alte Fischerhäuser in der kanarischen Bauweise stehen, gehört wie Generatoren die halbe Nacht liefen. Aber die Autobahn hat hier eine sehr gute Straßenbeleuchtung bekommen.
Wird eine Hotelanlage, ein Resort oder eine Feriensiedlung gebaut, so entsteht sie hier nicht aus bereits gewachsenen Strukturen heraus, sondern wird aus dem “Nichts” erschaffen. Aber was heißt das im Konkreten?
Fuerte hat beispielsweise eine besondere, einmalige Natursehenswürdigkeit von unglaublicher Schönheit. Das sind die Dünen oder die eine riesige Düne im Süden der Insel, die von Westen noch Osten über die gesamte Breite der Insel verläuft. Das sind Dünen von der Größe von Bergen aus goldenen Sand! Natürlich sind Hunde in diesem als Wandergebiet ausgeschilderten Terrain verboten, aber Autobahnen und Massen an Touristen, die man offenbar von einem Ende der Insel an das andere Ende zu karren gewillt ist, die wiedersprechen ganz offensichtlich nicht der spanischen Vorstellung von “Natur”.
Man baut dort eine Feriensiedlung neben der anderen, wo früher einfach nur Sand von rechts nach links durch Wind und Welle geschaufelt wurde. Wie geht das, wo dieses Areal unter Naturschutz steht? Ganz einfach, man erklärt nur die touristisch uninteressanten Zonen – winzig klein im Vergleich zu dem anderen Gebiet – für schützenswert.
Bevor diese Horrorurlaubsorte entstehen, muss zunächst die Infrastruktur her und das heißt Straßen, Abwasserkanäle, Strom usw. Massen an Menschen müssen vom Flughafen bis in dieses Niemandsland gekarrt werden, das bis in das Jahr 2000 noch tatsächlich kaum berührte Landschaft war. Eine Straße reicht da natürlich nicht. Jetzt wird dort eine riesige Autobahn gebaut mit zig Auf- Und Abfahrten und natürlich voll beleuchtet. Und die wunderschöne Düne? Ja, die ist nicht mehr so schön. Aber was sollst, man fährt da auch nur schnell durch…
Das ganze Desaster würde vielleicht etwas kleiner Ausfallen, wenn die EU nicht ihre beschränkte Finanzierung- und Unterstützungspolitik für sogenannte “Entwicklungsregionen” hätte. Was wir bereits auf Lanzerote gesehen haben, ist auf Fuerte potenziert zu beobachten: Autobanen oder einfach nur neue Straßen, wo daneben neuaussehende zweispurige Straßen bereits bestehen.
Genug geschimpft! Ich werde diesen Zustand leider nicht ändern können, würde mir dann aber doch wenigstens wünschen, dass wir alle mit offeneren und kritischen Augen unsere Reisen unternehmen und das eine oder andere einfach sein lassen (auch wenn die Billigpreise locken). Oder in Privatpensionen gehen. Wir arbeiten schließlich alle an diesen Straßen und trostlosen Siedlungen mit, die wunderbare Naturlandschaften zubetonieren.
Fuerteventura, der Auftakt
Fuerte verfügt über eine große Anzahl an Orten mit besonders klingenden oder ungewöhnlichen Namen. So auch die heutige Hauptstadt der Insel Puerto del Rosario. Wir steuerten den Hafen an, um dort zu übernachten. Die Marina ist zu klein, um dort anzulegen, aber im Vorhafen kann man ankern. Das taten wir zusammen mit einem kleinen polnischen Segelboot, das offensichtlich ein Einhandsegler bewohnte. Unserer Anker hielt nicht so gut auf dem Steingrund und slippte immer wieder leicht. Das Wetter war aber – ausnahmsweise – windstill.
Angesichts der Stadtkulisse habe ich es vorgezogen, an Bord zu bleiben, während Marcel und Nico anlandeten (erstes Foto).
In der netten Buch von Pozo Negro hatten wir unsere Ruhe, bis der Schwell uns vertrieb. Hier gab es übrigens den schlechtesten frischen Fisch, den wir bisher gegessen haben. Pozo Negro ist noch nicht zugebaut bzw. nur von einem Fischerdorf und einer skurrilen Wohnwagensiedlung besetzt. Sehr verwunderlich aber natürlich auch erfreulich. Es ist ein etwas seltsamer Ort nicht ohne gewissem Charme mit einem weißen und einem schwarzen Strand, teilweise alten Fischerhäusern im original kanarischen Baustil und einem Campingplatz, dessen Wohnwagen von dem Meer durch grüne Sichtplanen getrennt waren… Vielleicht alles ehemalige Fischer, die vom Meer demonstrativ nichts mehr wissen wollten.
Ridley Scott und die Insel
Ridley Scott, der britische Regisseur von bspw. “Blade Runner”, drehte letztes Jahr unter anderem auf Fuerteventura seinen neuen Film “Exodus” – eine weitere Bibelverfilmung, dieses Mal soll es um die Vertreibung der Israeliten aus dem Gelobten Land gehen, mit Moses in der Hauptrolle so zu sagen. An die fünfzehn Locations soll Scott auf Fuerte für den Film sich ausgeguckt haben, u.a. den kleinen Fischerort El Cotillo an der Nordwestküste. Dort war seine Crew – neben den Schauspielern waren unter anderem an die 400 Techniker da – in einem Zelt-Container-Lager neben dem Fußballplatz untergebracht.
Heute waren wir auch da. Nicht so sehr wegen Scott, sondern weil dieser Ort als ein von Hotelmonstern und toten Urlaubssiedlungen freigeblieben angepriesen wird. “Verschlafen”, “ursprünglich” ist er – um es an dieser Stelle gleicht zu sagen – leider nicht mehr. Alte Bausubstanz, die typischen kanarischen Häuser aus Lavagestein, verfallen und daneben entstehen eintönige Betonbauten, die durch weiße Tünche und blaue Thermopanefenster ihre ‘Internationalität’ kaschieren wollen. Baukräne sind schon vor Jahren hier angekommen (oder erst seit kurzem?) und haben zwar keine Monsterhotels gebaut, dafür aber geradezu siloartige Ferienanlagen, die um das Vielfache den kleinen ursprünglichen Kern des Weilers (ca. 3 Straßen und zwei Fischerhäfen) übersteigen.
Und dennoch, der Ort hatte heute einiges Schönes zu bieten: Es war sehr windig und relativ kalt, da vor einem Tag eine Kaltfront in ihren Ausläufern Fuerte berührte. Es gab nicht mehr viele Urlauber, vielmehr die üblichen deutschen “Individualreisende” und natürlich die Surfer, für die der Ort eigentlich gemacht zu sein scheint.
Wir schauten uns im Ort um, alle Geschäfte und Galerien hatten mittags bereits zu, also waren wir auch schnell fertig, und entschieden uns für ein Restaurant direkt am ehemaligen Fischerhafen, in dem nun die Wellen des Atlantik brodelten. Die Besitzer des Lokals “Die Blaue Kuh” hatten nicht nur eine wunderbare Location, sondern auch ein Herz für Hunde, die trotz der obligatorischen Verbote, Straßen, Strände und Lokale nicht zu betreten, ihren Hund unter dem Tisch im Restaurant schlafen ließen. Das Essen – ein Fischeintopf – , das wir dort wählte, war einfach herausragend!
In diesem Ort drehte nicht nur Scott, sondern gründete auch Wim Geimaert das Project “Clean Ocean”, das die Küsten von Plastik und sonstigen Errungenschaften unseren Lebens freihält, und auf die Bedrohung der Meere durch diese Abfallprodukte aufmerksam macht. Zu Finanzierungszwecken verkauft er sehr hippe Surferbekleidung – leider auch dieses Geschäft geschlossen, sonst hätten wir Marcels Garderobe aufgefrischt und das zum guten Zweck.
Der Heilige Berg Tindaya. Angeblich ist seine geomorphologische Herkunft immer noch nicht klar zu bestimmen. Er ragt singulär aus dem Meer an teils verwitterter Lavaströme (basaltische Verwitterungsebene) heraus. Die Landschaft hier im Norden der Insel macht einem ausgedörrten, sandigen bis basaltischen Eindruck. Ich frage mich erneut, ob die Insel nicht ein gänzlich anderes Gesicht im Früher hat…
Alte Salinen im Ort Las Salinas in der Nähe des Fischerdorfes Pozo Negro.
In den trostlosen Ort mit dem bombastischen Namen Gran Tarajal wehte uns der Schwell hinein, der vor Pozo Negro das Ankern unmöglich machte. Hier wollten wir das Wetter mit seinen 30 Knoten Windstärke aus Süd (sehr ungewöhnlich für die vorherrschende Nordostpassatwinde) abwettern. Der Ort war wohl so schön, dass ich offenbar keine Fotos davon habe. Von hier aus haben wir ein paar Autoausflüge ins Landesinnere gemacht.
Betancuria ist die älteste Stadt der Insel, gegründet 1404 von Jean de Béthencourt, dem normannischen Eroberer der Insel im Dienste der spanischen Krone. Betancuria ist auch die Hochburg der Touristenausflüge, da sie als die schönste angepriesen wird, wegen der vielen alten kanarischen Häuser und der ersten (und einzigen) Kathedrale aus dem ursprünglich 15. Jh. aber 1593 von arabischen Piraten vollständig zerstört (da kann man sich ungefähr vorstellen wie alles andere nach so einem Überfall aussah) und 1620 neu eingeweiht (Bischofsitz).
Ja, der Ort hat was zu bieten vor allem an Souvenirgeschäften. Die ‘Altstadt’ besteht aus ca. 400 Metern altes Pflaster und entsprechend viel oder wenig von alter Bausubstanz. Alles, wo der Tourist nicht hin soll, und das ist, wie man sich vorstellen kann, sehr viel von Betancuria, verfällt und wird durch Neubauten aus Leichtbetonsteinen ersetzt. Manchmal kaschiert durch Steinklinker. Besonders zu beachten sind die überdachten Holzbalkone, die wie Nester an den Steinhäusern kleben. Davon gibt es mittlerweile nur sehr wenige. Typisch sind auch die Innenhöfe mit hölzernen Umgängen auf der ersten Etage und das alte Kopfsteinpflaster. Einige Häuser haben vereinzelt noch gotische Elemente im Fenster- oder Türsturz. Das war’s dann aber auch.
Wir hatten einen alten und einen neuen Fuerte-Reiseführer. Der alte empfahl ein Restaurant, das wir als nicht mehr existent glaubten. Wie so häufig. Der neue Reiseführer ist “The Lonely Planet – Canary Islands”, der meiner Meinung nach für junge Engländer gedacht ist, und entsprechendes für “sehenswert” hält. Dieser empfahl ein mittlerweile sehr teures Restaurant eines Souvenir-Imperiums in der Touristenmeile. Aber, oh Wunder, wir stolperten beinahe wörtlich über das alte! Innenraum sehr hmm… witzig mit einer überdimensionierten Gitarre an der Wand und einem Balkon-Zitat ausgestattet, mit der man hier im 16. Jh. die herrschaftlichen Häuser baute. Wir mussten wegen dem Hund draußen auf einer sehr unansehnlichen Miniterrasse in praller Sonne essen. Aber, es hat sich gelohnt. Ich hatte ein sehr bäuerliches Gericht, dass ich zunächst fälschlicherweise als das “Nationalgericht” von Fuerte (oder ganz Kanaren) zu identifizieren glaubte, Sancocho, aber es war am ende dann doch ‘nur’ geschmortes/gekochtes Ziegenfleisch mit Gemüse und Kartoffeln, hier in Form von Pommes. Was sich so einfach anhört, kann sehr köstlich sein, wenn das Fleisch zart und von eigenem Geschmack ist. Marcel hatte quasi das gleiche in rot nur als Kanincheneintopf. Nico hatte ein Stück Rindfleisch, mit dem er nicht so klar kam. Und natürlich wurden wir wegen Nico ausgefragt. Kurzzeitig wechselte also die Hauptattraktion, nämlich die Kathedrale (die wir übrigens nicht besichtigen konnten wegen Siesta) zu Nico der “guapo”!
Zwei Highlights der Insel
Ein der drei sehenswerten Orte, die wir aufgesucht oder wenn man so will, gefunden haben, ist für mich die Ruine eines Franziskanerklosters vor den Toren des Betancuria.
Das zweite Highlight war für mich der beinahe vergessene Ort “am Ende der Welt”, heißt auf der Nordwestseite der Insel. Nach Cofete führt (noch) nur eine lange, lange Sandpiste, die wir nur deswegen mit unserer alten Karre machten, weil wir Glas- und Bodenversicherung abgeschlossen hatten.
Der Strand davor ist unglaublich! Bevölkert von einigen Nudisten und mit einem Friedhof voller Sand versehen. Der Ort selbst ist eine Ansammlung von vielleicht fünf barackenähnlichen Behausungen – alle bewohnt –, einer bar gebaut wie eine Festung, einer Skulptur (Hirte ? und Hund) sowie einer schlossähnlichen Villa mit dem Hinweisschild “Casa Winter”, einsam am Berghang zum Meer hin gebaut. Ihr Name und ihre Größe an diesem sonst so bescheiden-schönen Ort in wilder Windlandschaft war so skurril, dass ich es nachschlagen musste.
Erstaunt stellte ich fest, was es alles dazu gibt! Und wir haben sie nicht besuch, wie schade.
Um diese Villa ranken sich wohl viel Gerüchte – erbaut ist sie von dem deutschen Ingenieur Gustav Winter.
“Das 1936 errichtete Haus besteht aus zwei Stockwerken, einem Turm in nordöstlicher Richtung und einer teilweise verschlossenen Unterkellerung. In manchen Reiseführern wird es auch als „Feriendomizil eines deutschen Generals“ erwähnt.
Gustav Winter arbeitete seit 1915 in Spanien und war an verschiedenen Projekten auf Gran Canaria und Fuerteventura beteiligt. Die gängigen Spekulationen über die Aufgaben des Gustav Winter und die Funktion der Finca in Cofete sind:
- Errichtung eines geheimen U-Boot-Hafens während des Zweiten Weltkrieges
- Vorübergehende Unterbringung von Nazigrößen und deren Transport nach Südamerika zum Ende bzw. nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Alle seriösen Recherchen deutscher und spanischer Journalisten haben keine dieser variantenreichen Spekulationen beweisen oder aber widerlegen können. Alle Indizien wie angeblich überdicke Wände, „heidnische“ Schnitzereien, überdimensionierte Stromleitungen und wunderliche Turmbauten lassen sich auf normale zeitgenössische Bauweisen eines deutschen Ingenieurs sowie damalige technische Verfügbarkeiten zurückführen. Insbesondere im Dachgeschoss finden sich typisch süddeutsche Holzkonstruktionen, wie sie damals im Schwarzwald üblich waren und in dieser Form auf den gesamten kanarischen Inseln einzigartig sind.
Angaben Winters in einem 1971, kurz vor seinem Tod, der Illustrierten „Stern“ gegebenen Interview nähren jedoch seither die Spekulationen: darin gab er als Erbauungszeitpunkt der Villa das Jahr 1958 an. Als Begründung der extrem abgelegenen und schlecht erreichbaren Lage führte er an, ein Naturliebhaber zu sein. Auch seine Bestrebungen, eine Tomatenplantage errichten zu wollen, erscheinen aufgrund der Unwirtlichkeit der Gegend und des natürlichen Wassermangels zumindest fragwürdig. Keine Erklärung wurde für das etwa 7,5 km südwestlich gelegene Flugfeld gefunden.
Alle von Zeitzeugen belegten und heute noch nachvollziehbaren Motive sind landwirtschaftliche Aktivitäten an der West- und Ostküste. Des Weiteren zeichnete Winter für den Bau einer Straße von der Ostküste, beginnend zwischen der Costa Calma und Jandía, in Richtung Westküste verantwortlich. Der Bau dieser auch heute noch befahrbaren, teils asphaltierten Straße, die sich heute auf Privatgrund befindet, wurde aber nur bis zum Sattel des Bergzuges ausgeführt. Ein Abstieg nach Westen wurde nicht realisiert.
In wessen Eigentum die Villa Winter und die umliegenden Ländereien heute stehen, ist wegen der eigentümlichen spanischen Registerbestimmungen nicht genau nachvollziehbar. Die Villa wurde in den 1990er Jahren von der spanischen Baugesellschaft Lopesan S.A. erworben. Die Rechtmäßigkeit der Verträge ist strittig, da Nachfahren von Gustav Winter ebenfalls Anspruch auf das Land sowie die Villa anmelden. Diese gehen davon aus, dass die Villa und die umliegenden Ländereien auch über die Lebenszeit Gustav Winters hinaus vererbbar sind.
Die Gemeinde Pajara hat das Anwesen den Winter-Erben mittlerweile abgekauft und inzwischen teilweise zur Besichtigung frei gegeben. Besichtigt werden kann der Innenhof und ein Teil des Gebäudes. Hier werden allerlei landwirtschaftliche Gerätschaften ausgestellt, die u. a. zur Herstellung von Ziegenkäse verwendet wurden.” (aus Wiki)
Für Interessierte hier ein paar weiterführende Links:
– Artikel im “Stern”
http://www.villawinter.com/site-new2.htm
– Artikel in der “Süddeutschen”
http://www.sueddeutsche.de/reise/fuerteventura-das-geheimnis-der-villa-winter-1.250357
– Eigene Homepage zur Villa
– Mythen schön zusammengetragen
http://www.causa-nostra.com/Rueckblick/Die%20Geheimnisse%20von%20Jandia_r1212a02.htm
Übrigens stellt die Skulptur gar keinen Hirten dar, sondern Herrn Winter und seinen schwarzen Hund dar! Es ist schon alles etwas eigenartig.
Cofete selbst hat zwar keine geheimnisumwitterte Geschichte (oder dann doch?), aber dennoch ist es interessant zu erfahren, dass der Weiler sich ursprünglich in vollkommener Einsamkeit aus einer Ansammlung von wenigen Behausungen zu einem kleinen Ort von ca. 30 Hütten entwickelte. Weiß Gott wie die Leute dazu gekommen sind, sich auf dieser Windseite der Insel niederzulassen. Es heißt, dass es zuerst Hirten waren, die hier ihre Herden seit “Urgedenken” grasen ließen. (Es muss im Früher hier anders aussehen, denn auch Ziegen essen keine Steine.) Seit dem 18. Jh. siedelten hier Menschen, die die Berghänge zwischen Strand und Berg urbar machten, indem sie hier Felder anlegten, Gemüse, Weizen, Roggen und einige Obstbäume anbauten. Zusätzlich kamen saisonal Sammler der begehrten Flechte (Roccella-Arten, span. orchilla) aus der man den roten Farbstoff gewinnen konnte (man erinnere sich an Herrn Béthencourt und sein Handelsmonopol damit), Orchilleros genannt. Dieser Job schien jedenfalls recht gefährlich gewesen zu sein, was man immer wieder liest, denn die Sammler seilten sich offenbar mehrere Meter tief in die Schluchten oder Steilhänge hinab, um an diese Flechten heranzukommen. 1834 lebten bereits 67 Menschen hier. Aber Ende des 19. Jahrhunderts brach eine große Dürre über Cofete ein und vernichtete die gesamte Ernte und das Vieh. Die Dorfbewohner siedelten nach Jandia und Puerto de la Cruz um. Nur noch 6 Familien lebten im Jahr 1950 in Cofete, betrieben etwas Landwirtschaft und brannten Kalk in den noch vorhandenen großen Kalköfen. Kurz danach verschwand das Dorf Cofete aus der offiziellen Registrierung.
Heute sind die Behausungen wahrscheinlich ähnlich wie damals, ähnlich ärmlich aber dennoch, das entsprechende Statussymbol steht auf dem campo, auf dem die Ziegen frei herumlaufen dürfen: der große Landrover. Ich habe gelesen, dass die Gründung des Ortes auf Gustav Winter zurückgeht… ob es wahr ist? Wahrscheinlich nicht, oder doch? Verschwiegen wird allerdings auf der sonst ausführlichen Infotafel vor dem Friedhof, dass das gesamte Gebiet in den 1930-40er Jahren zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurde und alle umgesiedelt wurden – alle außer Herrn Winter.
Natürlich hat auch Scott hier gleicherweise gedreht.
Wenn die Piste zu einer Straße ausgebaut wird, ist es vorbei mit dieser Idylle. Und auch Schluß mit dem Aussetzen von Schildkröteneiern, da man die Meeresschildkröten hier wieder ansiedeln möchte, nachdem man sie ausgerottet hat. Die Eier bezieht man im Übrigen aus Kap Verden und sie werden an einer geheimen Stelle in den Sand gesetzt, damit die Touristen sie nicht ausbuddeln.
Ach ja, von dem dritten Highligt wird dann Marcel demnächst berichten.
Katja Hupatz
Liebe Joanna, lieber Marcel, eine treue Leserin dankt für die detaillierten Einblicke in Eure Reiseerlebnisse! Ich verfolge Eure Etappen, Erkundungen und Wanderungen weiter mit großem Interesse, freue mich immer über neue Kapitel und bewundere die Fotos: grandiose Landschaften, Farbstimmungen und ein toller Blick für Motive oder Bildausschnitte, die nicht den landläufigen Sehgewohnheiten entsprechen. Auch die Dramaturgie ist gekonnt: wenn z.B. die Dokumentation von Umweltsünden den Leser traurig macht, wird die Stimmung durch eine Schwärmerei über einen kulinaschen Genuß wieder gehoben… Liebe Grüße aus Köln! Katja
Marcel
Liebe Katja.
Es freut uns sehr, dass Du uns auf unserer Reise begleitest und wir eine so eifrige und aufmerksame Leserin haben. Die Dramaturgie der Erzählung spiegelt natürlich die Dramaturgie der Reise, der Wechsel zwischen lauter Stadt und Wanderung in den Bergen, zwischen ruhigen Buchten und quirligen Marinas. Von den Unterschieden lebt die Aufmerksamkeit. Und wenn die Fotos gefallen, freut uns das um so mehr, dann scheint die Schule des Sehens, die Schule der Aufmerksamkeit und des Unterscheidens, doch Früchte zu tragen.
Grüß uns unser altes Veedel in Köln. Bis bald.
Marcel & Joanna