Berge, Äpfel und Wein – Besuch bei Likya Şarapları in Elmalı, dem Südtirol Lykiens

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Wer unser Logbuch schon länger verfolgt, der erwartet weiße Strände und blaues Meer. Hier kommen zur Abwechslung einmal weiße, schneebedeckte Berge vor blauem Himmel – und das nur wenige Kilometer von unserer derzeitigen Heimatmarina in Finike entfernt. Mit dem Mietwagen geht es etwa 70 Kilometer landeinwärts nach Elmalı (Das ı hat keinen Punkt und wird wie ein kurzes, abgekacktes e gesprochen.). Elmalı liegt auf einer Hochebene auf etwa 1.050 bis 1.150 Metern über dem Meer und ist umgeben von schneebedeckten Berggipfeln, die bis auf 3.000 Meter aufragen. Wer auf Google Übersetzer den Namen der Stadt eingibt, bekommt die Übersetzung „mit Apfel“, und genau das ist es, was Elmalı charakterisiert: Die Hochebene bietet beste klimatische Voraussetzungen für den Anbau von Äpfeln – und für Wein. Berge, Äpfel, Wein – Elmalı ist quasi das Südtirol Lykiens.

Da hinten geht es heute hin. Die Straße führt durch das noch im Schatten der Morgensonne finstere Tal hinauf auf die Hochebene.
Und oben angekommen, erwartet uns ein ganz anderes Licht. Alles ist klarer und kühler. Die Temperaturen liegen nur knapp über null Grad.
Die umgebenden Gipfel der westlichen Ausläufer des Taurusgebirges.
Man mag es kaum glauben, dass diese Landschaft nur wenige Kilometer von der Küste entfernt liegt.
Obstbaumplantagen bestimmen das Landschaftsbild. Diese Exemplare hier warten auf ihren winterlichen Beschnitt.
Am frühen Nachmittag steht die Sonne bereits tief und zeichnet mit den Schatten der Bäume die Landschaft nach.
Und wir wären nicht in Lykien, wenn es nicht doch irgendwo ein paar Überreste aus der Antike gäbe.
Die Lykier waren besonders gut darin, für ihre Städte spektakuläre Orte auszuwählen.
Berge
und Schnee
Unserer Fahrer

Auf der Hochebene rund um Elmalı entsteht also „cool climate wine“, im Gegensatz zu den Weingütern, die nahe an der Mittelmeerküste liegen. Kalte Winter und nicht zu heiße Sommer bestimmen das Klima sowie starke Unterschiede zwischen Tages- und Nachttemperaturen. Seit 2007 gibt es Likya Şarapları, das heute eine Jahresproduktion von etwa 500.000 Litern aufweisen kann. Das Sortiment reicht von „easy drinking“ Weinen bis zu „sophisticated stuff“ – holzfassgereift und lagerfähig. Likya hat dabei einige ausgefallene Rebsorten im Sortiment, die das Weingut zu etwas Besonderem im Land machen. Unter den internationalen Rebsorten sind Malbec und Pinot Meunier zu nennen. Doch eine genauere Betrachtung verdienen die autochthonen Rebsorten der Region, die schon so gut wie ausgestorben waren: Acıkara, Merzifon Karası und Fersun. Die Weine sind in der „Arkeo“-Serie zusammengefasst.

Der Eingang zur Kellerei „Likya“ in Form eines lykischen Sarkophags.
Hier reifen die frischen Weine, wie der fruchtig-würzige Patara.
Abfüllung und Etikettierung. Die Maschinen stammen aus Italien.
Hier lagern und reifen die bereits abgefüllten Weine in Flaschen.
Narince, eine autochthone, weiße türkische Rebsorte in 225-Liter-Fässern (Barriques) aus französischer Eiche. 225 Liter ist die klassische Bordeaux-Größe. Im Burgund werden Fässer mit 228 Litern Fassungsvermögen verwendet.
Der „Likya Atesi 2022“ soll zum 100. Jahrestag der Türkischen Republik im Sommer 2023 auf den Markt kommen.
Narince im Edelstahlbehäter.
Alle Fässer kommen aus Cognac, Frankreich. Seit fast 100 Jahren stellt die Küferei Tonnellerie Vicard Fässer für die Weinbereitung her. Die Bezeichnung „Classique“ bezieht sich auf die mittelfeine Körnung des verwendeten Holzes. G170 bezeichnet den Grad der Toastung, d. h. des Ausflammens des Holzes im Inneren des Fasses. Sowohl Körnung als auch Toastung haben einen entscheidenden Einfluss auf den Geschmack des gereiften Weines – wie beim fassgelagerten Boğazkere mit „smoky and woody notes“.
Unsere charmante Führerin. Wenn sie nicht gerade neugierigen Touristen die Kellerei zeigt, arbeitet sie als Laborantin und ist für die Analysen der Weine zuständig.
Vom Restaurant aus genießen wir ein 180°-Bergpanorama.
Und was isst man in den Bergen: Zicklein aus dem Ofen.
Und endlich gibt es auch ein paar Weine zur Verkostung. In diesem Falle sechs Weine aus einheimischen, autochthonen, edlen Rebsorten (Vitis vinifera). Es muss ja nicht immer Cabernet und Merlot sein. Einige davon, unter anderem eine Rebsorte aus der Region um Elmalı, waren fast verschwunden und sind vom Likya-Weingut wiederentdeckt und kultiviert worden.
Verkostungsnotizen: Es ist wie beim Betrachten von Bildern oder Anschauen von Filmen: Man sieht, schmeckt, riecht, was man weiß. Letztendlich muss man es aber mögen. Im besten Falle kann man dann sagen, warum man einen Wein mag. Vielleicht diesen Rosé aus der Rebsorte Tilki Kuyruğu, was übersetzt Fuchsschwanz bedeutet, und der auch ohne den Einsatz von getoastetem Holz mittelfeiner Körnung einen „slightly smoky touch“ aufweist. Passt auf jeden Fall ausgezeichnet zu unseren Lachsschnittchen mit Avocadocréme, die wir als Vorspeise bestellt haben.

Schlussbemerkung. Man sollte darüber nachdenken, neben der Weinkellerei in Elmalı eine Brauerei für Apfelcider, Elma Şarapları, aufzumachen. Bei den heißen Sommern wird das bestimmt das neue Trend-Getränk an der Türkischen Riviera. Dazu fällt mir eine alte Folge der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ ein, in der die Familie bei einem Besuch einer Apfelmost-Herstellung auf ihren nervigen Nachbarn Ned Flanders trifft. Ned haut Homer in die Rippen und erklärt gut gelaunt: „Weißt du, die meisten Leute kennen den Unterschied zwischen Apfelmost und Apfelsaft nicht, aber ich schon! Da gibt es einen ganz einfachen Trick, um sich das zu merken: Ist er gelb und klar, ist es Saft, wunderbar! Doch ist er braun und trübe, kippst du dir Most in die Rübe!“ Prost.