Auf See. Kurs Kapverdische Inseln

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„Ich meine, dass die Magie des Schiffsraums das ursprünglich ausschlaggebende Moment bei der psychischen Bewältigung des Ozean-Außen gewesen ist… Wenn auf hoher See das Wind- und Segelgefühl aufkommt, entsteht eine eigenartige Magie, ein Ineinander von Schiffskörpergefühl und Raum-Weitegefühl, das zu den mächtigsten affektiven Agentien der Neuzeit gehören.“ Peter Sloterdijk, Die Sonne und derTod

Morgens um sechs Uhr werde ich geweckt. Wachwechsel. Zwischen 21:00 Uhr und 09:00 Uhr wechseln wir uns im Drei-Stunden-Rhythmus ab. Bordzeit ist seit gestern UTC, Universal Time Coordinated, da wir zu den Kapverden in eine andere Zeitzone fahren, haben wir eine Zeitdifferenz von minus zwei Stunden gegenüber der kanarischen Sommerzeit einzuplanen. Wir stellen also auf halber Strecke die Uhren um eine Stunde und vor der Ankunft in Palmeira um eine weitere Stunde zurück. Eine Schiffsuhr bleibt auf UTC. Alle Funkzeiten beispielsweise werden immer in UTC angegeben. Ich quäle mich aus der Seekoje (unser Salonsofa wird unterwegs zur Koje für die Freiwache) und setze den Kessel auf. Der italienische Kaffeebereiter würde bei dem momentanen Seegang trotz der kardanischen Aufhängung des Herdes schnell in der Kabine unterwegs sein. Unser Kessel hingegen hat einen schönen, weiten und schweren Boden und bleibt auch bei vier Meter Welle brav auf der Flamme stehen. Allerdings muss ich mich erst wieder an den Geschmack von löslichem Kaffee gewöhnen. Nico hat schon in der Nacht die fliegenden Fische bemerkt, die sich an Bord gesammelt haben. In der letzten Nacht zwei Stück von der Größe ausgewachsener Sardinen. Da musste er erst mal gucken gehen, was da in der Nacht angekommen ist. Er sammelt die Fische auf, weiß dann aber nichts damit anzufangen. Essen tut er sie jedenfalls nicht, was für seinen Speiseplan gar nicht verkehrt wäre. Bisherige Fliegende Fische Bilanz (Die Vorschläge beim Tippen nach fliegende sind übrigens Klassenzimmer, Teppich, Untertasse und Händler aber nicht Fische. Ich muss das Wort also selber tippen): drei große und zwei kleine. Vielleicht kann man die großen als Köder für die Schleppangel benutzen?

Mein Gummitintenfisch hat uns zumindest gestern eine Makrele gebracht. Ich vermute, dass es eine Makrele war: gelb, keine Schuppen, rötlich weißes Fleisch. Captain Cook empfielt: Die Filets in Sojasauce und gehacktem Ingwer marinieren. In der Zwischzeit Möhren, grüne Bohnen und Sellerie, gehackten Ingwer und Knoblauch mit grünem Currypulver im Wog anbraten und mit Sojasauce und ein wenig Wasser ablöschen. Chinesische Nudeln abkochen und in den Wog geben kurz mitbraten und in tiefe Schalen füllen. Im noch heißen Wog die gewürfelten Fischfilets mit der Marinade kurz anbraten und auf die Nudeln geben. Mit gehacktem frischen Koriander bestreuen und im Cockpit servieren, während man sich am hohen Seegang und dem warmen Wind erfreut.

Andere Schiffe sind irgendwo da draußen, das zeigt uns das AIS, gesehen haben wir jedenfalls nur ein Mal in der Nacht ein paar Lichter am Horizont. Der Mond geht spät auf und die Nächte sind dunkel, so dass man die Wellenberge nicht sieht, die von hinten anrollen. In den ersten Tagen war der Ozean fast glatt, nur eine leichte Dünung setzte aus Nord, so dass ich meinen Kaffeebecher nicht festhalten musste. Aufrechtes Segeln unter ausgebaumten Klüver. In der Nacht fahren wir das erste Reff im Groß und den Klüver etwas eingerollt und kommen trotzdem auf sechs bis sieben Knoten. Bis Palmeira sind es noch 245 Seemeilen und wenn wir weiter so fliegen, müssen wir morgen einen Gang zurücknehmen, um nicht in der Nacht in die Bucht einlaufen zu müssen. Laut dem nautischen Führer funktioniert keines der in der Seekarte eingezeichneten Lichter. Und nachts in einer fremden Bucht ein Ankermanöver zu fahren, ist kein Spaß. Und dann ist da noch die Sache mit dem Geschäft. Die Sache mit Nicos Geschäft. Zu früh haben wir uns gefreut, als es beim ersten Mal auf dem Vorschiff geklappt hat. In der zweiten Nacht lief es wieder unter Deck aus ihm raus. Ich konnte ihn noch gerade schnappen und ins Cockpit befördern. Dann, das dritte und vierte mal, wieder auf dem Vorschiff. Allerdings nur mit Nachhelfen. Jetzt muss nur noch das große Geschäft aus ihm raus, welches schon seit der Abfahrt wartet und sich weiter anfüllt. Nachdem Nico gestern Abend endlich erledigt hat, worum wir ihn schon seit der Abfahrt alle paar Stunden bitten, und auch nach den Gesetzen der Natur (was oben in den Hund rein geht, muss auch möglichst unten wieder aus ihm raus) unumgänglich ist, gab es unter Deck noch einen Tatort (Leipzig, mit Thomalla und Wudtke), bevor um 21:00 die erste Wache begann. Heute ein weiterer Tag auf See. Der Wetterbericht verspricht erst morgen eine Abnahme des Windes bei gleichbleibendem Seegang. Wunderbar. Toll so ein Leben auf den Meeren in Freiheit.