Santa Cruz de La Palma

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Von den “Heiligen Kreuzen” (Santa Cruz) und von “Palmen” (La Palma, Las Palmas) wimmelt es nur so auf den Kanaren. Die Conquistadores hatten eben keine besonders große Phantasie, was die Namensgebung ihrer Eroberungen angeht. Auf der Insel La Palma gibt es  aber tatsächlich recht viele “Heiligkreuze” und selbstverständlich die damit zusammenhängende Kreuzverehrungen. Im Mai, am Gedenktag der (angeblichen oder tatsächlichen) Auffindung des Kreuzes, an dem Jesus hingerichtet wurde, gibt es auf La Palma an zahlreichen Stellen – Kirchen, Plätzen, Weggabelungen, Hausfronten etc. etc. – geschmückte Kreuze und Kreuzaltäre. Feierliche Prozessionen und Messen begleiten diese Kreuzschmückung. Früher konkurrierten die Haushalte, Vereine u.a. um die schönste Ausschmückung – ob das immer noch so ist, kann ich nicht beurteilen. Zu viel Veränderungen in zu kurzer Zeit. Ob ein solcher unausgeschriebener Wettbewerb noch jemanden reizt?

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Aber ich greife vor, denn am Anfang steht unsere Begegnung mit dem Hafen und damit mit der Stadt bei der Ansteuerung von La Palma.

Wir wären wahrscheinlich ein wenig enttäuscht gewesen, hätten wir nicht vorher irgendwo gelesen, man solle sich nicht von dem ersten Eindruck täuschen lassen. Und den ersten Eindruck bestimmen – neben den großen Kreuzfahrtschiffen und Fähren im Vorhafen – vor allem, schon wieder, die Hochhäuser, die die Skyline der Stadt vom Meer her verunstalten. Nun waren sie aber hier auch nicht so arg schlimm wie in Las Palmas (Gran Canaria) oder in Santa Cruz (schon wieder!) auf Teneriffa. Die Marina am Ende der langen Hafeneinfahrt machte jedenfalls einen netten Eindruck und so haben wir auch uns positiv auf die Stadt eingestimmt. Die Altstadt ist gleich hinter der Marina, es muss nur eine kleine Straße überquert werden und eben nicht eine Stadtautobahn (wieder ein großer Pluspunkt auf das Konto von La Palma)! Es fällt dann nicht schwer, den McDonald-Drive-Inn mit einem ausgedehnten Parkplatz für Hunderte von Autos zu ‘übersehen’. Und es gibt tatsächlich eine Altstadt, die des Wortes wert ist! Die große Enttäuschung bzw. die Bestätigung dessen, was uns schon vorab kolportiert wurde, ist jedoch, dass die ansonsten nett, klein und adrett wirkende Marina von einem unterirdischen Schwell heimgesucht wird, der nicht auszuhalten ist. Anfänglich war sie ‘nur’ schwellig, jetzt aber, wo ich gerade am Salontisch sitze und schreibe, rollen wir von links nach rechts, vor und zurück, an allen zu den Schwimmstegen gelegten Leinen zerrend. Es sind insgesamt 11 Festmacherleinen! Und es ist nur den eingeflochtenen Ruckdämpfern (vier Stück, zu wenig für diese Marina) zu verdanken, dass wir in die Leinen nur ‘ein wenig’ reinrucken… Ich hasse es! Man versteht dann auch besser, warum es hier nur ein Schiff in eine Box kommt, die eigentlich für zwei ausgelegt ist. Man braucht den Platz, um Leinen auszulegen, die das Schiff davon abhalten sollen, an den Stegen kaputt zu gehen (siehe Fotos).

Leider können wir hier nicht weg, denn wir haben stürmisches Wetter und da draußen auf dem uns umgebenden offenen Atlantik pustet es ganz schön mit entsprechenden Wellenhöhen.

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Die angenehmste Überraschung ist aber die ruhige Inselhauptstadt Santa Cruz de La Palma. Sie ist nur vereinzelt ganz verdorben durch unverhältnismäßige häßlich-einfallslose Hochhäuser, die die Kanaren überall (außer vielleicht noch auf Lanzarote) verschandeln, aber offenbar dem hispanischen “way of live” gut gefallen.

Keine Schnellstraßen oder gar Autobahnen verschandeln sie, so dass man in der Altstadt tatsächlich fast ohne Autos, auf kleinen, zum Teil noch original mit runden Steinen gepflasterten Straßen in Ruhe schlendern, in Cafés sitzen oder auch shoppen kann, ohne dass man von Lärm, Gestank und der Angst, angefahren zu werden, gestresst wäre. Auch die Geschäfte haben Waren im Angebot, die geschmacklich weit über dem liegen, was wir bisher gesehen haben. Manches erinnert an Berliner Läden, vor allem die selbstdesignten Bekleidungsstücke.

Und wundert es einen, dass die Stadt – und die Insel – scheinbar von deutschem Tourismus beherrscht wird? Es sind vor allem gediegene Wanderer und deutsche Aussteiger bzw. ‘Siedler’, die das Straßen- und Inselbild bestimmen. Ich habe mich manchmal gefragt, ob es hier Spanier gibt. Festlandspanier sollen, so erfahren wir, im Sommer kommen.

Eine Stadt der Superlative? Es scheint beinahe so, zumindest im Vergleich zu den bisherigen kanarischen Inseln auf unserer Route. Das mag vielleicht daran liegen, dass die Insel, nachdem sie lange Zeit sehr wohlhabend und international war, anschließend den tiefen Sturz erlebte und bis in die 1990er Jahre mehr oder weniger arm blieb. Geprägt ist sie nicht nur von den für die Kanaren typischen, von Hungersnöten bestimmten Auswanderungswellen nach Kuba und Venezuela, sondern auch von den später Zurückkommenden, den sogenannten “Indios”, tatsächlich nicht selten wohlhabend gewordenen Palmeros, die ein Stück weit den Wohlstand auf ihre Insel (zurück) brachten. Von früherem Wohlstand und der ehemaligen Internationalität von Santa Cruz zeugen noch einige Prachtbauten, Kirchen und nicht zuletzt auch ausländisch klingende Straßennamen. Es waren vor allem Portugiesen (!) und Flamen, aber auch bereits damals vereinzelt Deutsche, die sich in Santa Cruz de La Palma niederließen.

Wie der arme Kölner Unternehmer Jacob Groenenborch, der zunächst nach Antwerpen zog, sich dort Groenenberghe nannte, und sich schließlich als Geschäftsmann in Santa Cruz de La Palma niederließ, wo er zu den Flamen gezählt wurde. Fortan nannte er sich Jácome de Monteverde. 1513 kaufte er für eine deutsche Gesellschaft Zuckermühlen von Tazacorte auf “und trug damit wesentlich zur Steigerung der Zuckerexporte bei. Einer seiner Söhne wurde Generalkapitän der Insel, ein anderer Regidor. Er selbst, der unter anderem die Hauptkapelle des kunsthistorisch so bedeutenden Franziskanerklosters der ‘Immaculata Concepción’ in Santa Cruz de La Palma gestiftet hatte, starb nach rund zwanzigjährigem Wirken auf La Palma an Leib und Seele gebrochen in einem Sevillaner Geheimgefängnis der spanischen Inquisition.” (Willi Kerl, “Die Kanarischen Inseln”)

Historisches

Santa Cruz ist nicht die erste spanische Gründung. Die Conquistadores landeten am Strand des heutigen Puerto de Tazacorte. Aber bald danach bestimmte man die natürliche Ausbuchtung an der Ostseite der Insel zum geeigneten Platz für eine Hafenstadt. Diese “Ausbuchtung” ist – wie sollte es anders sein auf dieser Insel – eine ins Meer teilweise abgerutschte Caldera! Die anderen Vulkanflanken sieht man noch recht deutlich als Schutz über dem Hafen aufragen. So entstehen hier Fallwinde, die in die Marina herunter brausen, aber auch ein Mikroklima, der Santa Cruz Sonnenschein beschert, auch wenn es drumherum regnet.

Karl V. gab Santa Cruz neben Sevilla und Antwerpen das alleinige Recht zum Handel mit den neuentdeckten ‘indischen’ Gebieten in Amerika.1558 hatte hier das oberste Gericht für die spanischen Kolonien in Amerika seinen Dienstsitz. 1564 gab Philipp II. das Dekret heraus, demnach sich alle nach Amerika fahrenden Schiffe in Santa Cruz registrieren zu lassen hatten, weil die Insel “die wirtschaftlich bedeutendste” sei (nach Willi Kerl).

Der Reichtum der Stadt (und der Insel) war immens, bedenkt man, dass hier die mit Silber und Gold beladenen Schiffe aus Amerika auf Reede gingen! Und das war dann ihr Verhängnis, denn auch die Piraten, die ständig die Insel des Archipels heimsuchten, nahmen Kenntnis von dem Reichtum. Francois Le Clerq und seine 700 Mann überfiel die Stadt 1553 mit verheerenden Folgen: Da er keine reichen Schiffe vorfand plünderte und brandschatzte er die Stadt vollständig. Angeführt wurde dieser Überfall von einem ehemaligen hugenottischen Bürger dieser Stadt und dauert neun Tage.Danach musste die Stadt von Grund auf neu aufgebaut werden. Und noch im gleichen Jahr begannen die Bürger mit der Errichtung von Befestigungswerken, die es bis dahin nicht gab. Man richtete die Häuser neu, noch größer, noch schöner, mit offenen Balkonen und geräumigen Patios nach portugiesischer Art. Als der englische Freibeuter Francis Drake 1585 den Freibrief der Königin von England bekam, die Stadt auf gleiche Weise auszunehmen, mit 30 Schiffen und 4000 Mann anlanden wollte, wurde von den drei neuerrichteten Forts wohl empfangen. Er musste unter Verlusten sein Vorhaben aufgeben.

Erst im 19. Jhd. verlor die Hauptstadt, und mit ihr die Insel, an Bedeutung. Grund war die Konkurrenz auf Teneriffa und Gran Canaria, sowie die Kriege des Mutterlandes mit England, aber auch die auf den Antillen geschaffene Konkurrenz für den europäischen Markt, wo Rohzucker wesentlich billiger angebaut werden konnte.

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Eine Stadtwanderung

Ein vielfotografiertes Motiv der Stadt und touristisches Markenzeichen ist die alte Häuserzeile an der Avenida Maritima, an der zum Meer hin offenen Stadtseite, mit ihren schönen Holzbalkonen, mal geschlossen mit Fenstern als eine Art Wintergarden, mal offen und mit Pflanzen geschmückt. Diese Häuser sind portugiesische Baukunst, denn die ersten Bauten der Spanier mit ihren nach außen hin in Gänze geschlossenen Fassaden und Kastenbalkonen, sind durch den Piratenüberfall des bereits erwähnten Franzosen vollständig zerstört worden. Die wohlhabenden Portugiesen haben danach die Architektur der Stadt bestimmt. Flamen brachten die Kunstwerke für die Kirchenstiftungen mit. So dass La Palma wie keine andere Insel des Archipels tatsächlich spätmittelalterliche und Renaissance-Kunst vorzuweisen hat, die, kunsthistorisch betrachtet, wertvoll und beachtenswert ist.

Die historische Straße am Meer ist in Resten – direkt neben der Häuserzeile – erhalten. Man sieht den alten Straßenbelag, die runden Kopfsteinpflaster in schöne Ornamente gelegt. Und man erkennt, dass das Straßenniveau sich wesentlich erhöht hat, darüber hinaus, dass das Meer bzw. die Bucht ganz nah an den Häusern und ehemals Fischerbuden verlief. Jetzt hat man Neuland gewonnen und darauf eine breite Straße mit Parktaschen gebaut, so dass das Meer weit weg erscheint. Zur Verschönerung des Straßenübels – und um den Touristen ‘was anzubieten’ – startet man nun ein Millionenprojekt, der daraus besteht, einen enorm breiten Strand anzulegen… So entfernt sich das Meer immer mehr von der Hafenstadt.

Gleichzeitig muss man um die Existenz der “Balkon-Häuser” bangen. Die Mehrheit steht verlassen und ist in einem maroden Zustand. Die Fassaden sind mit Netzen überfangen, damit sie nicht gänzlich runterkommen. Traurig ist es, denn man sieht rechts und links davon, was ihnen blüht: Abriss und Hochhäuser an ihrer Stelle. Schließlich sind die Touristen auch mit den dreien Fotomotiven zufriedenzustellen: Noch ist es nicht zu spät. Wie überall auf den Kanaren so verfallen auch hier die schönsten Häuser in erster und zweiter, erst recht in dritter und vierter Reihe, dort also, wo kaum ein nicht wandernder Tourist hinkommt. Es bleibt zu hoffen, dass der eine oder andere aus der großen Zahl von Deutschen, die diese Insel schon seit den 1980er Jahren bevölkern, das eine oder andere Stadthaus aufkauft und renoviert! Überseht die Missstände nicht, möchte man jedem Touristen zurufen, der den typischen blinden Fleck für alles, was nicht Fotomotiv ist, entwickelt. Was hier “pittoresk” genannt wird, wäre zuhause eine “Schande”. Ein Kultur-Erhaltungs-Topf braucht die EU, den kann sie anstelle der Infrastruktur setzen. Auch ein breiter, schwarzer Sandstrand an der Hauptstraße ist vielleicht weniger sinnvoll…

So genug der Kritik! Schließlich ist Santa Cruz die bisher erste Stadt der Kanaren, die ich unumwunden jedem empfehlen würde! Auch als Wohnsitz – kauft vor allem die alten Häuser.

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Anzumerken sei, dass Santa Cruz ein sehr schönes Kino hat und angeblich die schönste monumentale Renaissancefassade an einem Sakralbau! … ich behaupte, das Kino zieht an der Fassade vorbei.

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Und immer wieder Columbus – nein, auf La Palma war er nicht, denn als er auf seiner ersten Entdeckungsreise im Hafen von Gran Canaria ankam, war La Palma noch nicht unterworfen. Dennoch hinderte es die Stadtväter nicht, in Santa Cruz ein Schiffsnachbau der “Santa Maria” hinzustellen, in dem das Maritime Museum untergebracht ist.

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