Marcel, 24. 08. 2010

Der Tag beginnt früh. Um 0500 klingelt der Wecker. Nach einer Tasse Kaffee werfen wir um 0555 die Leinen los und verlassen Orikum in Richtung Vlore. Der Morgen beginnt ungewöhnlich frisch. 20°C ist nach den Temperaturen der letzten Nächte schon deutlich zu kalt.

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Morgens um 0600 vor Vlore.

Die Fahrt unter Motor wird hinter Vlore monoton. Die Luft wird heiß, die Landschaft verwandelt sich von hohen Bergen zu Sumpfland und flachen Wäldern.

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Alleine ein kleiner Zwischenfall brachte etwas Adrenalin in unsere durch die Hitze und die langsame Fahrt eingelullten Blutbahnen. Es war als mitten in den Weiten des Adriatischen Meeres die Logge eine abnehmende Tiefe anzeigte, um dann blinkend auf 1,40 Meter stehen zu bleiben. Die bange Frage war, ob wir gleich auf Grund, Felsen, einen Wrack oder ähnliches auflaufen. Ein schnelles Motoranlassen und nach Backbord abdrehen brachte den Kreislauf wieder in das gewohnte Dümpeln am Oberdeck.

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Durrës – obwohl eindeutig ein Hochhaus- und Touristenmolloch – doch reizvoll aus Entfernung und bei einem solch prachtvollen Sonnenuntergang.

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Und auf der anderen Bootsseite der aufgehende Mond.

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Das war für uns Durres…

Marcel, 18. 06. 2010

Die letzten 20 Meilen liegen vor uns, das Südkap von Korfu oder Kerkyra 5 Meilen voraus. Wir haben endlich nach langer Zeit wieder 100m² Segelfläche gesetzt – Groß, Fock und Klüver stehen im Wind. Bei moderaten 3 bf Wind aus NW machen wir 3,7kn. Das ist keine Rekordgeschwindigkeit, aber wir wollen die letzten Stunden auf See so gut nutzen, wie es geht. Auch auf die Gefahr hin, wieder einmal im Dunkeln in Gouviá anzukommen. In beleuchteten Marinas ist das Anlegen bei Nacht nicht so problematisch, wie in stockfinsteren Buchten nach einem geeigneten Ankerplatz zu suchen. Zumal man sich auch auf die elektronischen Seekarten nicht immer verlassen kann. Der Peloponnes zieht an steuerbord an uns vorbei. Paxos verschwindet achtern zwischen diesigem Himmel und azurblauem Meer.

Hinter dem Südkap von Korfu verschwindet auch der Wind wieder zur Gänze und kommt dann plötzlich aus E, leider nicht ausreichend zum segeln. Unter Motor legen wir die letzten Meilen nach Gouviá zurück. Aus dem Dunst taucht vor uns Kerkyra-Stadt auf. Die Akropolis und die Altstadt im Sonnenuntergang ist ein letztes kleines Highlight unserer zweieinhalbwöchigen Reise.

Im Nordosten tauchen in der feuchten, heißen Luft des Abends die Berge der albanischen Küste auf. Kurz vor dem Ziel packt uns schon jetzt das Fernweh und der Wunsch, am nächsten Morgen die Leinen wieder los zu werfen. In Gedanken sind wir schon auf unserer nächsten Fahrt nach Albanien, Montenegro und Kroatien.

Um 2045 erreichen wir im letzten Licht des Tages die riesige Gouviá Marina. Nach 518 Seemeilen, 4 Breiten- und 5 Längengraden. Insgesamt haben wir seit dem 1. Januar diesen Jahres 1.045 Seemeilen mit Chulugi zurückgelegt!

Marcel, 07. 06. 2010

Wir verlassen Porto Kayio gegen Mittag und segeln bei 3bf aus West unter vollen Segeln drei Meilen nach Süden. Das Kap Tainaron, der südlichste Punkt von Festland-Europa ist zum Greifen Nah. Der Anker fällt in der Doppelbucht des antiken Tainaron  Asomato/Spilio, in der sich einer der Eingänge zum Hades befinden soll. Doch schon der Reiseschriftsteller des Altertums Pausanias spöttelt über den Aberglauben, dass Götter unter der Erde die Seelen der Toten sammeln sollen. Außerdem endet die Höhle bereits nach wenigen Metern.

Da heute zur Abwechslung das Echolot nichts mehr anzeigt, und nicht der Windmesser, der jetzt wieder funktioniert, bleibe ich zu Reparaturarbeiten auf Chulugi, während Joanna und Dietmar sich mit Retzina und Oliven ausgestattet zum Leuchtturm aufmachen. Das Aufschrauben und Abnehmen von Verkleidungen und Instrumentenabdeckungen hätte ich mir allerdings sparen können. Ein Tauchgang unter den Rumpf zeigt die Ursache des Übels: In der Einmuldung des Echolotgebers hat sich eine Luftblase gesammelt. Diese heraus gewedelt und siehe da, wir liegen auf 9 Meter Wassertiefe.

Etwas Gutes hatte es aber dann doch, dass ich an Bord geblieben bin. Das Schabgeräusch der Kette unter Deck hat es bereits angezeigt: Der Anker hat sich nicht eingegraben und schlürt über den Grund. Der Tauchgang gibt auch hier Klarheit: Der Anker liegt nur mit einer Fluke an einem Felsvorsprung verkeilt auf nacktem, felsigen Grund. Weit und breit ist kein Sand zum eingraben zu sehen.

Am Nachmittag runden wir Kap Tainaron noch unter Segeln. Das Kap liegt auf der Flugroute vieler Zugvögel auf ihrem Weg nach Afrika. Und hier noch eine weitere Anekdote: Die SS Californian, das Schiff, das die Titanic vor den ihr zum Verhängnis werdenden Eisbergen warnte, sank 1915 beim Kap Tainaron, nachdem sie von der deutschen Flotte torpediert wurde.

Den Rest der Strecke ist bei NW natürlich wieder Fahrt unter Motor angesagt. Hin und wieder, die ein oder andere Meile, können wir den Motor ausmachen und eine kurze Strecke segeln.

Um 2200 fällt der Anker im letzten Dämmerlicht des Tages in der Buch Limeni. Vor uns der beleuchtete Wohnturm der Mavromichali. Dazu später mehr. Zwei Tavernen liegen direkt am Wasser. Davor dümpeln ein paar Fischerboote in der schwarzen Dünung.

Marcel, 06. 06. 2010

Wir nähern uns der Mani über den Lakonischen Golf zwischen dem mittleren und dem östlichen Finger des Peloponnes. Der auslaufende Taigetos zeichnet sich dunkel vor dem Abendhimmel ab. Die Bergkette ist in Pastell gezeichnet, schwingt sich nach Norden in die Wolken und verschwimmt. Das Meer ist immer noch grau und glatt wie Blei. Wie in den letzten Tagen wummert der Motor. Gerne hätten wir diesen Anblick unter Segeln genossen, wenn nur das Rauschen von Wind und Wellen zu hören ist.

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Wir stehen am  Bug und beobachten das Farbenspiel von Bergen, Sonne, Wolken und Meer. Plötzlich tauchen mehrere Schwanzflossen aus dem Wasser. Wir vermuten Tunfische. Doch dann sehen wir die Rückenflossen. Eine Schule Delphine schwimmt uns vor den Bug. Die Meeressäuger schwimmen neben dem Schiff, tauchen aus dem Wasser und drehen den Kopf zu uns hinüber, so dass sie uns in die Augen sehen können. Sie tänzeln wenige Zentimeter neben dem Schiff und vor dem Rumpf umher und drehen in unserer Bugwelle ab.

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Auf die Delfine und auf die Mani. Endlich erreichen wir diese karge Landzunge. Der letzte und südlichste Zipfel Festland-Europas. Dieses noch vor wenigen Jahrzehnten vom Rest-Europa unbekannte Ende der Welt ist aus Sicht der Manioten die “Innere Mani (Méssa Mani)”. Ein Ort des Rückzugs und der Isolation. Nie von fremden Herrschern, seien es Venezianer oder Türken vollständig erobert, war dieses Fleckchen Land immer sich selbst überlassen und gebar so einen eigenen Menschenschlag, eine Architektur, die an San Giminiano erinnert und eine Kultur in der noch vor kurzer Zeit Blutrache geübt wurde (wie auch in Kreta – siehe hierzu den Film Alexis Sorbas). Eine Landschaft die schon Patrick Leigh Fermor, Bruce Chatwin und Laurence Durrell verzaubert hat, und die sie nie wieder los ließ. Bruce Chatwins letzter Wunsch war in der Mani begraben zu werden, und so schmuggelte seine Frau nach seinem zu frühen Tod die Asche zu Patrick Leigh Fermor, der noch heute, mit über 95 Jahren, hier lebt, und der sie vor einer kleinen Kapelle dem Wind und der maniotischen harten Erde übergab, mit den letzten Worten, “möge sie leicht auf ihm ruhen”.

Um 2130 erreichen wir Porto Kayio. Die Mani-typischen Wohntürme zeichnen sich auf den Hügeln ab. Ab Nordhang der Bucht lehnt sich ein Kloster an die steile Felswand. Der Anker fällt im letzten Dämmerlicht des Tages. Wir bringen das Dingi ins Wasser und betreten noch am Abend maniotischen Boden.

Marcel, 05. 06. 2010

Wir starten nach einer ruhigen Nacht und gemütlichem Frühstück an Deck gegen 1100 von Kissamos. Kurz bevor wir ablegen wollen, möchte ein Beamter der Küstenwache doch noch gerne unser Pleasure Craft Document stempeln. Nach Kos ist das erst der zweite Stempel in dieser übergroßen Stempelkarte.  Über den Felsmassiven die an der Halbinsel Gramvousa steil ins Meer fallen hängen kleinere Regenwolken wie graue Watte. Nach kurzem motoren gegen einen mäßigen Wind aus N (versprochen hat man uns W bis SW) können wir am Kap Gramvousa dann auf unseren Kurs nach Kythira abfallen und setzen Groß, Fock und Klüver. Endlich pflügen wir unter voller Besegelung mit 6 bis 7 Knoten Fahrt auf Kurs 320° der Insel Kythira entgegen, wo der Sage nach die Göttin Aphrodite aus dem Meeresschaum entstiegen ist. Es tut gut, das Wummern der Maschine nicht mehr zu hören, das uns die letzten zwei Tage (und die erste Nacht) begleitet hat. Unter Deck schläft man wie in Abrahams Schoß, hört draußen das Wasser an der Bordwand gluckern. Die Bullaugen im Salon sind bei Rauschefahrt von den Wellen überspült.

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Gegen Mittag lassen wir Kythiras kleine Schwesterinsel Antikythira an Backbord liegen. Zum Mittagessen bereitet der Smutje einen griechischen Salat mit Paximadia, dem harten griechischen Zwieback und einem lokalen Weichkäse, der an den italienischen  Ricotta erinnert. Dazu ein Gläschen kretischen Weißwein. Was will man mehr? Der Wind hat auf 3bf abgenommen. Wir gleiten aber immer noch mit 5 Knoten durch die ägäische See. Keine Fischer, keine Frachter, keine anderen Segler sind zu sehen.

Marcel, 04. 06. 2010

Vorbei an Stavros, dem Drehort von Alexis Sorbas fahren wir unter Motor weiter wir in Richtung Chania um dort Diesel zu bunkern und einen Ersatzschäkel (den mittlerweile zweiten) für das Großfall zu kaufen.

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Am Nachmittag legen wir von Chania wieder ab. Wir haben 193 Liter Diesel gebunkert und den Schäkel des Großfalls ersetzt. Der Ort wird im Winter eine angenehme Atmosphäre haben. Viele alte Häuser reihen sich um den Hafen und schmiegen sich eng aneinander. Die Fassaden sind in Ocker- und Rottönen getüncht. Dazwischen stecken einige moderne Bauten, die sich jedoch unauffällig zwischen die Fassaden mischen. Jetzt zur Hauptsaison war jedoch an einen ruhigen Stadtbummel nicht zu denken, und zumindest in der Altstadt rings um den Hafen wurde nur Tünnef und Nippes feilgeboten.

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Der Hafenmeister war äußerst zuvorkommend. Als er unsere Enttäuschung auf die Information bemerkte, dass es Diesel erst wieder am nächsten Morgen und dann nur bis 1100 werden kann – eine Anordnung der Hafenpolizei –, organisierte er doch noch, dass der Tankwagen zu uns an die Pier kam. Auch den Schäkel des Großfalls konnten wir fünf Minuten vor Ladenschluss noch erwerben.

Endlich können wir ein paar Meilen segeln. Doch auch dieses Vergnügen scheitert am frühen Abend am Gegenwind. Um noch halbwegs im hellen einen Liegeplatz anzusteuern, entscheiden wir uns, Balos wegen der Westwindlage auszusparen, und Kissamos anzusteuern. Doch auch dort kommen wir bei Dunkelheit in dem kleinen Hafen an und gehen am schiffs- und menschenleeren Betonpier längsseits. Der Hafen wirkt für die zwei großen Ausflugsboote nach Balos und ein paar Fischer etwas zu überdimensioniert. Riesige Betonmolen mit hell erleuchteten Parkplätzen empfangen uns hier. Eine Taverne mit übellaunigem Wirt und eine verschlossene Zollstation deuten auf mehr Aktivität hin. Doch auch am nächsten Tag haben wir den Eindruck als dass der Hafen schon bessere Zeiten gesehen hat .

Marcel, 04. 06. 2010

Wir starten am frühen Nachmittag von Agios Nikolaos bei (zu) leichtem Wind aus Nordwest. Dicke Wolken hängen über den Bergmassiven und Hochebenen im Hinterland von AN. Manche der Berghänge verschwinden im Nebel. Die dunklen Schatten der Wolken lassen manche Dörfer düster erscheinen. Doch je weiter wir aus der weit geöffneten Mirabello-Bucht in die Süd-Ägäische, die Kretische See fahren, desto sonniger wird es. Am Johannis-Kap setzen wir Segel, kommen aber bei 8kn Wind nicht wirklich gut voran, so dass wir uns entscheiden unter Motor weiter zu fahren.

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Es gibt also im Verlauf des Nachmittags nichts weiter zu tun, als alle 15 Minuten einmal den Blick ringsum schweifen zu lassen. Ansonsten genießen wir den Blick auf die Küste, die an Backbord an uns vorbeizieht, lesen oder halten ein Nickerchen. Bis zur nächsten Landmarke, einem kleinen, Iraklion vorgelagerten Inselchen sind es noch gute 5 Stunden. Gleich wird es Zeit für ein Glas Wein oder ein Fahrtbier, welches man sich bei diesem Wetter durchaus gönnen kann. Der Wetterbericht verspricht zwar zum Abend eine weitere Windstärke für uns, aber wir bleiben skeptisch. Und so motoren wir auch noch Stunden später der untergehenden Sonne entgegen.

Gestern Abend hatten wir auf der Fahrt vom Flughafen nach AN noch die Sonne im Rücken. Der Transfer wurde unerwartet komfortabel. In einer mit weichem hellbraunen Leder, ich vermute edelstes Kalbsleder, ausgestatteten S-Klasse Limousine wurden wir vom Flughafen zur Marina chauffiert. Wir standen an der Bushaltestelle und warteten auf den schon mehrere Minuten überfälligen Überlandbus nach AN als ein schickes Taxis neben uns hielt und uns fragte, ob wir nach AN wollten. Für 20€ würde er uns alle drei mitnehmen! 20€? Wir waren erstaunt. Und auch nach mehrmaligem Nachfragen ob der Preis pro Person gelte oder für alle drei, versicherte der Fahrer, uns für den Betrag, den sonst die Busfahrt gekostet hätte, nach AN zu bringen. (Das ‘Geheimnis’: Der Taxifahrer hatte zuvor Fahrgäste zum Flughafen gebracht und würde sonst leer nach AN zurückfahren.)

Am frühen Abend erreichen wir die kleine, Iraklion vorgelagerte Insel Dia, ein karges, felsiges Eiland. Auch hier finden sich ein oder zwei Tavernen für Tagesausflügler und, wie auf jedem, noch so kleinen, griechischem Inselchen, eine Kapelle. Die Seekarte verspricht guten Ankergrund auf 10m Wassertiefe. Die felsige Küste fällt jedoch steil ins Meer ab. Wir loten zwischen 20 und 45m Wassertiefe in den Buchten. Eigentlich war hier das Abendessen geplant. Nun heißt es, unterwegs zu kochen. Das “Gulasch”, welches von Joanna gewünscht wurde, misslingt mir gründlich. (Ja, das ist leider überhaupt nicht untertrieben; JB.)

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Das Motoren durch die Nacht wird anstrengend und monoton. Wachwechsel im 2-3 Stunden-Takt. Wache, Bereitschaft, Freiwache. Um 0700 erreichen wir endlich nach exakt 80 Seemeilen die Seeräuberbucht. Die Crew ist noch matschig von der im Halbschlaf verbrachten Nacht. Wir ankern ungeschützt vor einer rauen Bergkulisse auf 16m Wassertiefe. Wind ablandig 1bf, später auflandig drehend, jedoch weiterhin schwach. Joanna lässt es sich nicht nehmen, mit dem Dingi anzulanden und die Schlucht, die direkt über der schmalen Einfahrt beginnt, zu erklimmen. Dietmar und ich bleiben an Bord. Über unseres Handfunkgerät bleiben wir mit Joanna in Kontakt. Die Handys haben hier keinen Empfang.

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Verschlafene Matrosen beim Sonnenaufgang.


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J. unterwegs zu der Seeräuberbucht (im Bananaboot).

Zur Wanderung siehe: „Wanderung-Akrotiri“

Marcel, 30. 05. 2010

Am Donnerstag werden wird von Agios Nikolaos und somit auch von Kreta Abschied nehmen. Wir segeln entlang der touristisch bis ins letzte Dorf erschlossenen Nordküste nach Westen. Dann werden wir auch die Insel Kreta verlassen, auf der man etwa die Hälfte der illegalen Waffen in Griechenland vermutet; man nimmt an, aus traditioneller Vorstellung von einer wehrhaften und stolzen Sippe. Immerhin stand die Insel von 1645 bis 1913 unter osmanischer Herrschaft und Kretas Geschichte ist an blutigen Auseinandersetzungen, die bis in den zweiten Weltkrieg reichen, nicht arm. In Anbetracht der voll besetzten Party-Boote, die die Ruhe in den Buchten empfindlich beeinträchtigen, können wir unwillkürliche Reflexe zu den Waffen zu greifen, nur schwer unterdrücken und verstehen die archaische Neigung der Kreter zu undiplomatischen Konfliktlösungen. Die Party-Boote kommen noch einmal davon, denn wir haben keine Waffen an Bord.

Unser erstes Ziel auf der Reise in das Ionische Meer ist die kleine Halbinsel Akroti. Der „Hafen“ des Klosters Katoliko soll einen hervorragenden Schnorchelspot abgeben. Aufgrund der laut Seekarte großen Wassertiefen >15m müssen wir dieses Vorhaben jedoch vom aktuellen Wetter und er vorherrschenden Windlage in der nächsten Woche abhängig machen. Die dort ins Meer mündende Schlucht führt zu dem bereits erwähnten Kloster und zu Einsiedlerhöhlen. Siehe hierzu unsere Routenplanung und die von Joanna gewünschte Wanderung zu dem Kloster.

Auf dem Wege nach Akroti gibt es noch einige Stadthäfen, die wir anlaufen könnten. Malia kommt dabei, auf Grund der Nähe zu Agios Nikolaos eher nicht in Frage. Aber wer weiß, wir hatten auch schon mal 8 Windstärken aus West. Dann wären wir vermutlich genauso schnell in Santorin, wie in Malia. Etwa drei Kilometer vom Küstenort entfernt befindet sich eine bedeutende minoische Ausgrabungsstätte. Stadt und Ausgrabungsgelände werden wir wohl an Backbord liegen lassen.

Iraklion liegt auf dem Landweg etwa 35 Kilometer weiter westlich. Und sollte Aeolus einmal auf unserer Seite stehen, werden wir wohl auch Iraklion im Kielwasser hinter uns lassen. Knossos, ganz in der Nähe der Stadt, der bedeutendsten minoischen Ausgrabung Kretas, wird eine Anmutung wie Disneyland nachgesagt. Wir hatten bei Wein und Abendessen in Köln hierzu schon umfangreiche Fachberatung durch einen befreundeten Archäologen aus Berlin.

Auf dem weiteren Weg nach Akroti finden wir noch einige kleine Ankerbuchten, von denen die meisten nach Norden offen sind. Auf der Ostseite schließt die Halbinsel Akroti mit dem „Festland“ Kretas einen Naturhafen ein, der jedoch zum Großteil als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen ist. So wäre es für uns ein Umweg in diese Bucht einzulaufen. In der ausladenden Bucht östlich der Halbinsel befindet sich Chania. Auch hier wollen wir aber nur einlaufen, wenn das Wetter uns keine andere Wahl lässt und eine Nacht vor Anker unmöglich ist.

Unsere Hoffnung liegt also in ruhigem Ankerwetter um der Halbinsel Akroti einen Besuch abzustatten. Vor Stavros, dem Ort, der durch die Alexis Zorbas Verfilmung zu Weltruhm gelangte, gibt es mehrere gute Ankermöglichkeiten bei unterschiedlicher Wetterlage. Stavros befindet sich nur wenige Meilen weiter westlich des kleinen „Hafens“ des Klosters Katoliko.

Der letzte Tag vor Kretas Küsten ist dann der Lagune von Balos, bzw. Gramvousa gewidmet. Die Lagune ist eine der großen Naturattraktionen Kretas. Hierzu mehr siehe Routenplanung. Am Samstag wollen wir dann Kreta endgültig den Rücken, bzw. das Heck zukehren. Die Inseln Kithyra und Antikythira, die auf Halber Strecke zum Peloponnes liegen, werden schon zu den Ionischen Inseln gezählt.

Joanna & Marcel, 15. 05. 2010

Der Morgen in Mochlós beginnt mit bedecktem Himmel und ruhiger See. Wir diskutieren darüber, ob wir in Mochlos bleiben (auf Grund der, laut Reiseführer, „hervorragenden Tavernen, insbesondere Fischtavernen“), oder ob wir in der der Insel Spinalonga vorgelagerten Buchten fahren sollen. Wir beschließen in Mochlós ein spätes Mittagessen einzunehmen und dann nach Spinalonga aufzubrechen. Dann, im Laufe des Vormittags, fallen immer mehr heftige Böen von den Hängen und peitschen über die Bucht. Auf dem felsigen Grund beginnt der Anker zu slippen. Ich stecke 50m Kette, doch die Kette vibriert weiter. Unsere Alternativen: Den Anker an anderer Stelle einfahren oder nach Spinalonga aufbrechen. Wir entscheiden uns für die Weiterfahrt.

Der Anker ist oben.

Und an dieser Stelle vergißt Marcel zu erwähnen, daß das Manöver nicht ohne war, weil natürlich dann, wenn wir losfahren wollen, die Böen heftiger werden! Dann einen Anker zu lichten, ohne Schrammen für das Bug, finde ich nicht ganz ohne. Darüber hinaus zeigten unsere elektronischen Seekarten, daß die Durchfahrt zwischen der heutigen Insel und dem Dörfchen bis über 10 Meter ‚frei‘ ist. Ich war schon vorher skeptisch, denn das Wasser an diese Stelle sah sehr hell aus. Außerdem sollte dort die ehem. Verbindung zwischen Land und Insel gewesen sein – auch Fotos zeigen dort noch sichtbare Mauern…

Wir steuern auf die Meerenge zwischen der Mochlos vorgelagerten Insel und dem Örtchen zu, als uns eine winkende und wild gestikulierende Menge am Ufer auf die Untiefen aufmerksam macht. Das Echolot zeigt plötzlich nur noch zwei Meter – noch 50cm Wasser unterm Kiel. Die Maschine heult wild achteraus. Das ist noch einmal gutgegangen!

Dann stecken wir nur eine halbe Meile vor der Küste in einem Windloch. Die Segel schlagen. Der restliche Wind nutzt den vollen Umfang der Kompassrose. Also wieder den Motor starten.

Als wir aus dem Schatten der vorgelagerten Inselchen in die Mirabello-Bucht einfahren sehen wir bereits die weißen Schaumkronen der Wellen. Und hier erwischt es uns mit voller Wucht. Den großen Klüver (das Vorsegel ist 2 Quadratmeter größer als das Großsegel) bekommen wir mit Mühe eingerollt. Um vom ersten ins zweite Reff zu gehen bleibt keine Zeit, da uns bei über 30 Knoten Wind das Bimini in Stücke reißt. Die Reste bekommen wir noch notdürftig angebändselt als der Windmesser bis zu 38 Knoten Wind anzeigt. Das sind gute 8 Windstärken. Die Wellen bleiben moderat, da der Wind von Land weht und die Wellen noch jung sind. Trotz des ersten Reffs (das zweite wäre mir lieber gewesen), lässt sich das Schiff perfekt steuern und surft mit über 9 Knoten über Grund über die Wellen.

Bei diesen Böen steuert Marcel. Ich gebe es auf, nachdem es immer ungemütlicher und nasser wird, und sitze unter dem schützenden Dach. Außerdem krängt das Schiff ziemlich und das macht mich (immer noch) sehr nervös… Ich habe nicht dieses enorme Vertrauen oder auch einfach nicht das entsprechende Wissen und Können der Seglermaterie.

Natürlich gibt es davon keine Fotos…

In Anbetracht der Wetterlage erscheint es uns sicherer, die Lagune anzulaufen und die vorgelagerte Bucht auf der Rückfahrt nach Agios Nikolaos anzusteuern. In der Lagune liegen wir mit moderaten Fallwinden zwischen 3 und 4 bf über Nacht ruhig vor Anker.

Diese verdammten Wetter- und vor allem Windumschwünge! Hier ganz ruhig, paar Meter weiter bläst es mit 38 Kn einem um die Segeln, worauf man (=wir) gar nicht eingestellt war… Das hat schon so viele Besichtigen-, Tavernen- und Wanderpläne vereitelt!

Angekommen und siehe da, über der versunkenen Stadt Elunda ein zarter Sonnenuntergang.

Und herrliches Wetter am nächsten Tag.

Für weitere (wenige) Fotos hier:

~> Bucht von Spinalonga nach dem Unwetter