Marcel, 10. 06. 2010

Im von uns ungeliebten, weil aus Sicht eines auto- bzw. wohnmobilen Reisenden geschriebenen Peloponnes-Handbuch lesen wir, dass die ehemalige Haushälterin Sir Patrick Fermors, den die Einheimischen, sofern es noch solche gibt, die sich als Eingeborene bezeichnen können, Sir Paddy nennen, am kleinen Hafen von Kardanili eine Taverne führt. Diese ist natürlich sämtlich von “Professoren” bevölkert, wie Rod Heikell schreibt, die auf den Spuren Fermors wandern wollen, aber vermutlich zu Fuß noch nie aus Kardamili heraus gekommen sind. Das Essen ist jedoch gut. Der Wein mundet und die angebratenen weißen Bohnen mit Petersilie, Zwiebeln und Zitronensaft bieten eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Greek Salads. Der alten Dame in betuchtem Alter waren die jungen Kellner kontrastreich entgegen gesetzt, perfekt Englisch sprechend, teilweise auch so aussehend, kümmerten sie sich um die Gäste, während sie etwas abseits an einem Runden Tisch sitzend den erhabenen Blick einer Regisseurin über die Szene schweifen ließ.

In der Nacht wieder bleischwere See ohne eine einzige Welle. Von der Terrasse der Taverne beobachten wir unser Ankerlicht in der Dunkelheit. Auch am Morgen weht noch kein Lüftchen. Ohne Frühstück landen wir im kleinen Hafen an und suchen den Wanderweg, der sich zwischen Olivenhainen an der Küste entlang zu einer kleine Kapelle im Miniaturformat schlängelt. Wenige Meter weiter stehen wir zwischen dicht stehenden, knorrigen Olivenbäumen hinter Fermors Haus. In einem Zimmer sind naturkundliche Zeichnungen an den Wänden auszumachen. Pflanzen oder schlangen? Das Anwesen steht erhöht auf einer Klippe und schaut auf den Messinischen Golf hinaus. Zur linken Hand des Feldweges ein Gäste- oder Arbeitshaus. Das gesamte Anwesen scheint belebt. Vielleicht ist der Meister, der Bruce Chatwins Asche in den Bergen oberhalb von Kardamili dem Wind und dem harten maniotischen Boden übergab, zugegen.

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Nach einem Mittagessen in einer Taverne oberhalb des Hafens (selbstverlesene Oliven! von denen wir ein Glas erwerben), besuchen wir zum Abschied von diesem wunderschönen Fleckchen Erde, die vorgelagerte Insel. Auf dieser steht die Ruine einer kleinen Kapelle. Auf dem Hügel zum Meer hin stehen Olivenbäume. Darunter finden wir wilden Fenchel für unser Abendessen!

Anker auf um 1530.

Marcel, 08. 06. 2010

Um 1700 fällt der Anker vor Kardamili. Wir ankern neben dem kleinen, dem Ort vorgelagerten Inselchen, Sir Patrick Leigh Fermors Haus in Sichtweite. Die Fensterläden scheinen geöffnet, auch in der Nacht brennt noch Licht. Ist der große Fermor wirklich zugegen. Joanna zumindest scheint den Geist des Meisters zu spüren…

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Marcel, 08. 06. 2010

Die Bucht erwacht Windstill. Wir gönnen uns einen Kaffee, dann geht´s mit dem Dingi an Land. Unser Ziel: Areopolis. Der Ort hieß ursprünglich Tsimova. Der Name Areopolis leitet sich vom Kriegsgott Ares ab. In Areopolis und Limeni residierte der Clan der Lokalfürsten der Mavromichali. Petrobey Mavrochichalis war eine bedeutende Figur im Kampf gegen die Türken zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Mani selbst hat sich, wie bereits berichtet, immer eine rlative Unabhängigkeit bewahrt. Der Mani-typische Wohnturm der Mavromiachali steht in Limeni und bietet uns eine passende Kulisse.

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Nach ein paar Windungen auf segend heißem Asphalt biegen wir einen Feldweg nach rechts ab, der uns, so hoffen wir, auf kurzem Wege zu dem höher gelegenen Örtchen bringt.

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Die Abkürzung verlief dann aber schnell im Sande. Etwa 500m unterhalb einer kleinen Kapelle brach der Weg in unsere Richtung ab. Es hieß also klettern. Über jahrhundertealte Mauern kraxelten wir den Berg hinauf. Die Kapelle bot willkommenen Schatten und hielt tatsächlich einen Fahrweg nach Areopolis bereit. Das Dorf war von hier bereits in Sichtweite.

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Areopolis bietet pittoreske aufgehübschte Fassaden und Gassen.

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In einer kleinen Backstube kaufen wir frisches Brot und Paximadia. Überall im Laden liegen Backbleche mit vorbereiteten Paximadias in vorgebackenem Zustand. Daneben Berge von Broten und an den Wänden Fotos der Familie.

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Neben der Bäckerei, gegenüber einer Kirche, die leider verschlossen ist, speisen wir zu Mittag. Kaninchen, Lamm, Gemüse, Kichererbsen gewürzt mit Dill und wildem Fenchel; dazu Zaziki und Feta und natürlich Weißwein und Wasser.

Marcel, 07. 06. 2010

Wir verlassen Porto Kayio gegen Mittag und segeln bei 3bf aus West unter vollen Segeln drei Meilen nach Süden. Das Kap Tainaron, der südlichste Punkt von Festland-Europa ist zum Greifen Nah. Der Anker fällt in der Doppelbucht des antiken Tainaron  Asomato/Spilio, in der sich einer der Eingänge zum Hades befinden soll. Doch schon der Reiseschriftsteller des Altertums Pausanias spöttelt über den Aberglauben, dass Götter unter der Erde die Seelen der Toten sammeln sollen. Außerdem endet die Höhle bereits nach wenigen Metern.

Da heute zur Abwechslung das Echolot nichts mehr anzeigt, und nicht der Windmesser, der jetzt wieder funktioniert, bleibe ich zu Reparaturarbeiten auf Chulugi, während Joanna und Dietmar sich mit Retzina und Oliven ausgestattet zum Leuchtturm aufmachen. Das Aufschrauben und Abnehmen von Verkleidungen und Instrumentenabdeckungen hätte ich mir allerdings sparen können. Ein Tauchgang unter den Rumpf zeigt die Ursache des Übels: In der Einmuldung des Echolotgebers hat sich eine Luftblase gesammelt. Diese heraus gewedelt und siehe da, wir liegen auf 9 Meter Wassertiefe.

Etwas Gutes hatte es aber dann doch, dass ich an Bord geblieben bin. Das Schabgeräusch der Kette unter Deck hat es bereits angezeigt: Der Anker hat sich nicht eingegraben und schlürt über den Grund. Der Tauchgang gibt auch hier Klarheit: Der Anker liegt nur mit einer Fluke an einem Felsvorsprung verkeilt auf nacktem, felsigen Grund. Weit und breit ist kein Sand zum eingraben zu sehen.

Am Nachmittag runden wir Kap Tainaron noch unter Segeln. Das Kap liegt auf der Flugroute vieler Zugvögel auf ihrem Weg nach Afrika. Und hier noch eine weitere Anekdote: Die SS Californian, das Schiff, das die Titanic vor den ihr zum Verhängnis werdenden Eisbergen warnte, sank 1915 beim Kap Tainaron, nachdem sie von der deutschen Flotte torpediert wurde.

Den Rest der Strecke ist bei NW natürlich wieder Fahrt unter Motor angesagt. Hin und wieder, die ein oder andere Meile, können wir den Motor ausmachen und eine kurze Strecke segeln.

Um 2200 fällt der Anker im letzten Dämmerlicht des Tages in der Buch Limeni. Vor uns der beleuchtete Wohnturm der Mavromichali. Dazu später mehr. Zwei Tavernen liegen direkt am Wasser. Davor dümpeln ein paar Fischerboote in der schwarzen Dünung.

Marcel, 06. 06. 2010

Wir nähern uns der Mani über den Lakonischen Golf zwischen dem mittleren und dem östlichen Finger des Peloponnes. Der auslaufende Taigetos zeichnet sich dunkel vor dem Abendhimmel ab. Die Bergkette ist in Pastell gezeichnet, schwingt sich nach Norden in die Wolken und verschwimmt. Das Meer ist immer noch grau und glatt wie Blei. Wie in den letzten Tagen wummert der Motor. Gerne hätten wir diesen Anblick unter Segeln genossen, wenn nur das Rauschen von Wind und Wellen zu hören ist.

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Wir stehen am  Bug und beobachten das Farbenspiel von Bergen, Sonne, Wolken und Meer. Plötzlich tauchen mehrere Schwanzflossen aus dem Wasser. Wir vermuten Tunfische. Doch dann sehen wir die Rückenflossen. Eine Schule Delphine schwimmt uns vor den Bug. Die Meeressäuger schwimmen neben dem Schiff, tauchen aus dem Wasser und drehen den Kopf zu uns hinüber, so dass sie uns in die Augen sehen können. Sie tänzeln wenige Zentimeter neben dem Schiff und vor dem Rumpf umher und drehen in unserer Bugwelle ab.

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Auf die Delfine und auf die Mani. Endlich erreichen wir diese karge Landzunge. Der letzte und südlichste Zipfel Festland-Europas. Dieses noch vor wenigen Jahrzehnten vom Rest-Europa unbekannte Ende der Welt ist aus Sicht der Manioten die “Innere Mani (Méssa Mani)”. Ein Ort des Rückzugs und der Isolation. Nie von fremden Herrschern, seien es Venezianer oder Türken vollständig erobert, war dieses Fleckchen Land immer sich selbst überlassen und gebar so einen eigenen Menschenschlag, eine Architektur, die an San Giminiano erinnert und eine Kultur in der noch vor kurzer Zeit Blutrache geübt wurde (wie auch in Kreta – siehe hierzu den Film Alexis Sorbas). Eine Landschaft die schon Patrick Leigh Fermor, Bruce Chatwin und Laurence Durrell verzaubert hat, und die sie nie wieder los ließ. Bruce Chatwins letzter Wunsch war in der Mani begraben zu werden, und so schmuggelte seine Frau nach seinem zu frühen Tod die Asche zu Patrick Leigh Fermor, der noch heute, mit über 95 Jahren, hier lebt, und der sie vor einer kleinen Kapelle dem Wind und der maniotischen harten Erde übergab, mit den letzten Worten, “möge sie leicht auf ihm ruhen”.

Um 2130 erreichen wir Porto Kayio. Die Mani-typischen Wohntürme zeichnen sich auf den Hügeln ab. Ab Nordhang der Bucht lehnt sich ein Kloster an die steile Felswand. Der Anker fällt im letzten Dämmerlicht des Tages. Wir bringen das Dingi ins Wasser und betreten noch am Abend maniotischen Boden.

Joanna, 26. 05. 2010

Nikos Kazantzakis

Νίκος Καζαντζάκης

* 19. Februarjul./ 3. März 1883greg. in Iraklion, Kreta, Osmanisches Reich † 26. Oktober 1957 in Freiburg im Breisgau (an Krebs).

K. war einer der bedeutendsten griechischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Ich muß zugeben, daß Kazantzakis mir bis dato zwar als Autor des Buches »Alexis Sorbas« bekannt war, doch habe ich (bisher) nicht mal dieses Buch gelesen, sondern wie die meisten den gleichnamigen Film gesehen. Und lang ist es her…

Mittlerweile habe ich mit Vergnügen seine Autobiographie “Rechenschaft vor El Greco” (in der Bordbibliothek) gelesen – wunderbare Sprache, wenn auch etwas verschachtelt, teils pathetisch, teils beschreibungsmächtig (doch mag ich genau das). Ich bin froh diesen Autor kennengelernt zu haben und zwar genau über seine Autobiographie, die sein bewegtes Leben und einen Einblick in die Gedankenwelt des Autors freilegt!

Biographisches

Kazantzakis stammte, wie man so sagt, aus kleinen Verhältnissen und wuchs in der damals von den Türken besetzten Stadt Iraklion, die noch “Megalo Kastro” hieß (K. spricht in seiner Autobiographie von „dem Kastell“), auf.

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Haus seiner Geburt in Iraklion 1883.

»Sein Vater, Michalis Kazantzakis (1856-1932), war Händler und Grundbesitzer und stammte aus dem Dorf Barbaroi (heutiges Myrtia) aus der Provinz Heraklion. „Als wilder und unzugänglicher Mann“, herrschsüchtig und streng, auf einen unbeugsamen, moralischen Code fixiert, verlangt er von seinem Sohn, die Tradition der Familie und die kretische Herkunft zu ehren. Selten wird er ihn für welche Errungenschaften auch immer loben und noch seltener wird er ihm Zärtlichkeit zeigen. Ein Ausgleich für die väterliche Strenge wird die mütterliche Liebe sein. Als „Heilige Frau“ charakterisiert Kazantzakis seine Mutter, Maria Christodoulaki (1862-1932), die aus dem Dorf Asyrtoi der Provinz Mylopotamos in Rethymnon stammt.«

[Zitiert aus der Homepage des Kazantzakis-Museum in Iraklion]

K. studierte Rechtswissenschaft – kein ungewöhnliches Studienfach für die damalige Intelligenzija – in Athen von 1902 bis 1906. Bereits 1907 wurde er mit seinem Erstlingswerk »Der Tag bricht an« in Griechenland berühmt. 1909 ging er zum weiteren Studium nach Paris, wo er in das Collège de France eintrat und Staatswissenschaften studierte.
Daneben hörte er Vorlesungen und besuchte Seminare von keinem geringeren als dem Nobelpreisträger (allerdings für Literatur) und Philosophen Henri Bergson.  Er wurden zu seinem wichtigsten Lehrer, wie K. selbst vermerkte. In dieser Zeit entstanden weitere Romane, Dramen und philosophische Texte.
Kazantzakis schloß sein Studium mit einer Dissertation über Friedrich Nietzsche ab – in seinem Buch “El Greco” nennt er Nietzsche als seinen großen geistigen Lehrer, dem er viel zu verdanken hat – und kehrte 1909 nach Griechenland zurück. Dort lernte er die junge Intellektuelle Galatea Alexiou kennen, die er 1911 heiratete. Sie war selbst Schriftstellerin (Kinderbücher) und selbständig tätig. In dieser Zeit arbeitet K. mit seiner Frau zusammen, indem er europäische Schriftsteller ins Neugriechische übersetzte. Die Ehe scheiterte und wurde 1926 geschieden. Danach beginnt die „große Wanderzeit“ K.s, in der er viele Reisen innerhalb Griechenlands und Europas unternimmt.

Reisen: zweite Lebensphase

“Er bereist unter anderem Griechenland, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Russland, China, Japan, Italien, Ägypten, Palästina, Spanien. In einigen Ländern ist er zu Besuch, in anderen lässt er sich für eine kurze Zeit nieder. Er arbeitet als Journalist, Auslandskorrespondent, Übersetzer, Autor und engagiert sich in der griechischen Politik.
Einige Monate lang wird er Generaldirektor des Ministeriums für Soziales unter Venizelos (1919 – 1920). Er organisiert die Repatriierung von 150.000 Griechen aus dem Kaukasus. In dieser Phase seines Lebens entstehen wichtige Übersetzungen (Dantes „Göttliche Komödie“, Goethes „Faust“), das Werk „Askitiki“ und viele Reiseberichte.
Immer wieder bereist Kazantzakis die Sowjetunion. Er begeistert sich für die Ideen des Kommunismus und des Sozialismus, schreibt Drehbücher, Essays und Artikel in der Prawda. Wegen seiner politischen Aktivitäten wird Kazantzakis in Griechenland sogar kurzfristig verhaftet. Nach einiger Zeit wendet er sich jedoch enttäuscht vom Kommunismus ab. Nikos Kazantzakis hat sich in seinem Leben für viele Ideale leidenschaftlich eingesetzt. Doch schließlich sagt er selbst: „Ich war ein Küfer, ein Anwalt der Katharevousa, ein Nationalist, ein Anwalt der Demotiki, ein Intellektueller, ein Poet, ein religiöser Fanatiker, ein Atheist, ein Ästhet – und nichts davon kann mich je wieder täuschen.““

Im Jahr 1936 findet Kazantzakis zum ersten Mal eine Heimat. Er lässt sich auf der Insel Ägina nieder. Kazantzakis lebt jetzt mit seiner langjährigen Weggefährtin Eleni Samiou zusammen, die er 1945 heiraten wird. Es beginnt eine sehr produktive Zeit des Autors. Er beendet eines seiner Hauptwerke, die „Odyssee“, beginnt „Alexis Zorbas“, „Die letzte Versuchung Christi“, „Freiheit oder Tod“ und arbeitet an seinem Werk über Buddha. Außerdem ist er weiterhin in der Politik aktiv, unternimmt Reisen und arbeitet ein Jahr lang für die UNESCO.”

[Zitiert aus der Homepage “Hellenica.de”, die wiederum einiges aus Wikipedia übernommen hat]


K. und Eleni Samiou: letzte Lebensphase

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Von Eleni, seiner zweiten Ehefrau, berichtet die Biographie des Kazantzakis-Museums online:

“Die erste Begegnung Kazantzakis mit Eleni Samiou fand im Mai 1924 bei dem Wanderverein in Pendeli statt. Einige Monate später verbringen die beiden den Sommer in der einsamen Bucht von Lentas, südlich von Heraklion, daraufhin besucht „Lenotschka“ ihn im September 1925 in Ägina.

1928 fährt sie nach Moskau, um ihn dort zu treffen. Das war der Anfang ihres gemeinsamen Lebens, der auf ein gegenseitiges Versprechen absoluter Hingabe beruhte. Ihre Hochzeit fand im November 1945 statt, mit Angelos und Anna Sikelianos als Trauzeugen.

Eleni stand mit voller Treue und unermüdlich an Kazantzakis Seite. Sie folgte ihm überall hin, akzeptierte sein sprunghaftes Leben, sorgte sich um alle praktischen Probleme, kümmerte sich um das Tippen seiner Werke, antwortete auf Briefe und sammelte die Kritiken, die von der Presse veröffentlicht wurden.

Nach seinem Tod übernahm sie die Förderung seiner Werke, die Rettung des unveröffentlichten Materials, der Schreiben, Notizen und seiner Tagebücher.”

[Museum-Online]

Es ist offensichtlich, daß das Versprechen “der absoluten Hingabe” ziemlich einseitig ausgefallen ist. Und so verwundert es auch nicht, daß gerade diese Beziehung bis zu seinem Tod gehalten und hervorragend funktioniert hat. All die anderen Verhältnisse zu bedeutenden, sog. “starken Frauen”, haben ihn sicherlich viel bedeutet – temporär – für seine eigene Arbeit war aber jemand so hingebungsvolles, wie er es aus dem klassischen Verhältnis seiner Eltern her kannte, sicherlich dienlicher.

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Abb.: 1937 in Ägina und in 1954 in Antibes

“Seine letzten Jahre sind durch die Arbeit als Schriftsteller geprägt. Er zieht 1948 gemeinsam mit seiner Frau Eleni nach Antibes (Südfrankreich). Es erscheinen „Alexis Zorbas“, „Die letzte Versuchung Christi“ und „Die griechische Passion“. Die katholische und die orthodoxe Kirche verfolgen Kazantzakis aufgrund der Bücher und der darin bestehenden Auslegungen des Lebens Christi und der kritischen Darstellung der großen Kirchen. Der Papst setzt „Die letzte Versuchung Christi“ auf den Index der verbotenen Bücher (1954). Dies macht Kazantzakis endgültig weltbekannt.

Im Jahr 1953 wird bei Nikos Kazantzakis Leukämie diagnostiziert. In den letzten Jahren, die ihm verbleiben, beendet Kazantzakis die Bücher „Kapitän Michalis“, den autobiografischen Roman „Rechenschaft vor El Greco“ und „Mein Franz von Assisi“.
1956 wird ihm in Wien der internationale Lenin-Friedenspreis verliehen.

Im folgenden Jahr 1957 stirbt Kazantzakis, von den Folgen seiner Krebserkrankung gezeichnet, nach einer Reise nach China in Freiburg im Breisgau an einer zu spät therapierten asiatischen Grippe.”

[s.o. “Hellenica.de“]

Sein Grab befindet sich in Iraklion auf der Bastion.

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Die Grabinschrift lautet:

„Δεν ελπίζω τίποτα. Δε φοβʊμαι τίποτα. Είμαι λέφτερος.“
„Den elpízo típota. De fovoúme típota. Íme léfteros.”
“Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.“

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Wenn man seinen geistigen Werdegang kennt, seine Vorliebe für Buddha, Nietzsche, Franz von Assisi, dann versteht man den Sinn der Inschrift erst im ganzen Umfang.

Auf den Spuren von “Alexis Sorbas” alias Georgios Zorbas

Iraklion ist zwar die Stadt seiner Geburt, Jugend und auch die Stadt seiner letzten Ruhestätte, aber berühmt wurde er durch ein Buch, das in Teilen deutlich autobiographische Züge trägt und sich auf Máni abspielt. Kazantzakis hatte in Prastova, einem winzigen Ort auf der Halbinsel Máni, zusammen mit seinem Freund Georgios Zorbas, den er auf dem heiligen Berg Arthos kennenlernte, in den Jahren 1916 bis 1917 ein Bergwerk gepachtete und versuchte, damit ‚das große Geld‘ zu machen.
Das Bergwerk ist noch heute, wenn auch im ruinösen Zustand (ein Stollen) in der Nähe des Fischerdorfes Prastova zu entdecken. Prestova selbst, wo Kazantzakis in der Zeit wohnte, ist heute zu einem bloßen Vorort von Stoupa, einem touristisch eingenommen Ort auf Máni, verkommen. Einige Quellen berichten – oder stellen es sich recht romantisch vor -, daß Kazantzakis dort seinen Roman »Alexis Sorbas«, der ihm den internationalen Ruhm brachte, entwarf oder bereits schon daran schrieb: während er nach der getanen Bergarbeit seine Füße im Meer am Stand von Prestova kühlte… auf jeden Fall eine nette Vorstellung, und warum sollte sie nicht für uns wahr sein?

Andere Quellen sehen die Entstehung des Buches erst 30 Jahre später und zwar auf der nordgriechischen Insel Ägina (s.o.), auf der Kazantzakis von 1936 bis 1948 lebte (in einem nahe des Leuchtturms an der Nordwestecke der Insel gelegenen Haus, heute noch vorhanden). Tatsache ist wohl, daß das Buch dort auf jeden Fall vollendet wurde. (Aber K. schrieb seine Bücher mehrmals um und neu…)

Auch wenn das Unternehmen am Bergwerk aus Prastova finanziell scheiterte, so lieferten die Zustände und Erfahrungen, die K. in dieser Zeitspanne sammelte, die Vorlage für »Alexis Sorbas«. Dort ist nicht nur die geographisch-ökonomische Hintergrund – das Bergwerk – dem eigenen Unternehmen entliehen, sondern vor allem die Figur “Alexis Sorbars” und die Beziehung des Protagonisten zu einem jungen Engländer. Kazantzakis setzte damit seinem Freund und Mitpächter Georgios Zorbas, den er auf einen seiner Reisen auf dem Heiligen Berg Athos kennengelernt hatte, ein literarisches Denkmal.

Prastova ist längst ein Vorort von Stoupa (wenn man vom Norden her kommt) geworden, doch der Strand des ehem. Fischerdorfes Prastova wirbt immer noch mit der “ursprünglich gebliebenen Magie”, das auch Kazantzakis und Zorbas einnahm. Sie sollen eine kleine Hütte unter den Eukalyptusbäumen am Rand vom Kalogria-Strand bewohnt haben.

Der echte Zorbas

Hier ein Zeitungsfoto von dem echten Zorbas:

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Zorbas Leben

Georgios Zorbas (Γιώργης Ζορμπάς) wurde ca. (c. 1867 in Katafygi, West-Pieria, Makedonien, geboren, also noch zur Zeit der Türkisch-Osmanischen Herrschaft. Er war der Sohn von Fotio Zorbas, einem wohlhabenden Landbesitzer und Schafzüchter, bei dem er zunächst auf den Feldern arbeitete. Später ging er nach Palaiochori (Chalkidiki), wo er als Minenarbeiter für die französiche Gesellschaft in Gisvoro arbeitete. Er freundete sich mit dem Minenverwalter Iannis Kalkounis (Γιάννης Καλκούνης) und ehelichte seine Tochter Eleni Kalkounis. Mit ihr hatte er 13 (oder 8?) Kinder. Der Krieg und der Tod seiner Frau brachte eine negative Wende in sein Leben (lebte dort bis 1913).

Eine gewisse Zeit verbrachte er bei seinem Bruder Georgios, der ein Mönch und Arzt war. 1915 entschloß er sich, Mönch zu werden, und verließ seine Familie, um ins Kloster auf dem Heiligen Berg Arthos zu gehen. Dort traf er auf Nicos Kazantzakis und wurde sein engster Freund und der spätere Minenverwalter (oder Vorarbeiter) von Prastova. Nach den Stolleneinstürzen und der Aufgabe der Mine trennten sich die Freunde nicht sofort, denn Zorbas begleitete K. auf seiner Rettungsaktion der griechischen Landsleute aus dem Kaukasus (“Kleinasiatische Katastrophe”). Allerdings ist mir nicht ganz klar, um welche Welle der Vertreibung es sich handelt (1913, 1921, 1944). Erst danach gingen sie getrennte Wege – sie haben sich sporadisch aber regelmäßig geschrieben, gesehen haben sie sich nie wieder. K. berichtet von der eigenen Schuld an diesem Zustand: er habe immer gezaudert und abgewogen, die Reise verschoben, was er (natürlich) bedauerte.

Zorbas wanderte wiederum 1916 nach Skopje in Mazedonien (ehem. Jugoslawien) aus, dort ließ er sich nieder, übte verschiedene Tätigkeiten aus bis er schließlich ein Magnesit-Bergwerk betrieb, er heiratete erneut (er soll noch mit zwei Russinnen verheiratet gewesen sein) und bekam aus dieser Ehe Kinder. 1942 starb er und wurde in Butel, eine Gemeinde in Skopje, auf dem dortigen Friedhof beerdigt.

Kazantzaki soll die Nachricht von Zorbas‘ Tod (ein Brief eines Schullehrers aus der Ortschaft) zum Auslöser geworden sein, über seinen Freund und die gem. Freundschaft ein „literarisches Denkmal“ zu verfassen. Ein langes Kapitel in “Rechenschaft vor El Greco” macht die tiefe Bedeutung dieser Freundschaft und die außergewöhnliche Rolle, die die Person Zorbas für K. hatte, deutlich. Dieses “literarische Denkmal” für Zorbas war ein großer Entwurf, eine Art Lebensphilosophie für Kazantzakis. Er konnte nicht ahnen, daß einige Söhne und Töchter Zorbas an den Schilderungen der literarischen Figur Anstoß nehmen und als eine Ehrverletzung empfinden werden. Zu vagabundierend, zu lotterhaft, zu “frei” habe K. ihren Vater geschildert…

Zorbas und “Nachkommenschaft” heute

Dietmar Grieser – ein österreichischer Autor u.a. von “Piroschka, Sorbas und Co.” (1980) – begab sich auf die Spurensuche in der Stoupa-Gegend und hat einen schönen knappen Artikel dazu verfaßt und Online gestellt!

Online einzusehen auf der WWW.ZORBAS.DE Seite: Zorbas-heute.

Dort kann man nachlesen, wie einige der noch lebenden (griechischen) Kinder des echten Zorbas über ihren Vater und Kazantzakis’ Buch denken. Es ist nicht besonders schmeichelhaft, auch nicht besonders intelligent und vor allem verletzend für den damals schon sehr kranken Kanzantzakis, der wenige Monate vor seinem Tod einen unschönen Brief von einem Sohn Zorbas bekam.

Doch eins kann man sicherlich verstehen: den Ärger der einen noch in Stoupa lebenden Tochter darüber, daß der Vater, ein Wittwer mit 13 (oder 8) Kindern, sie alle alleine ließ und sich auf seinem abenteuerlichen Weg begab. Daß Kazantzakis an Zorbas vor allem seine freiheitsliebende Natur, seine Sicht auf die Welt, seinen Humor und seine Agilität liebte, ist verständlich. Daß er die andere aber daraus resultierende Seite – die Verantwortungslosigkeit, den Egoismus – nicht sah oder nicht sehen wollte, liegt sicherlich auch an der eigenen Lebenseinstellung und der ‘männlich-dominanten’ Erziehung.

Die Verbitterung der Kinder ist nachvollziehbar, denn wie so häufig bei berühmten Eltern, werden die Kinder nur aufgrund ihres Verwandtschaftsgrades nicht völlig der Vergessenheit überlassen. Auch war Zorbas fraglos ein ‘kalter’ Vater, der auch nach Selbstaussagen sich tatsächlich nicht um das Schicksal seiner Kinder (oder der Ehefrauen) kümmerte.

Ein weiterer lesenswerter Artikel (auf Englisch) ist unter “Zorba the Greek Unmasked. Chorba the Macedonian” (von Dr. Alex K. Gigeroff) als PDF herunterzuladen.

Hier ist die Kohlenmiene aus der Zeit von K. & Zorbas zu sehen und sein Haus in Prastova:

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Der Zugang zu der Kohlenminde existiert noch, ist aber nicht ganz einfach zu finden, versteckt in einem Olivenhain. In den 1940er Jahren hat man noch einmal versucht, die Mine zu nutzen, ohne Erfolg. Einige Gerätschaften sollen aus der Zeit noch vor dem Eingang herum liegen.

Auch das Haus, in dem Zorbas lebte, gibt es noch. Und es sieht für unsere  stahlbetongewöhnten Augen recht hübsch aus. Wenn es noch stimmt, dann hat das Haus ein deutscher Künstler gekauft, der sich – begeistert von dem “Sorbas”-Buch und der dort vermittelten Lebensstimmung – in den 1980er Jahren nach Mani aufmachte, um hier sein Glück kaum fassen zu können, als ihm dieses Haus (für wenig Geld, das aber für die damalige Mani-Verhältnisse schon Touristenpreis war) angeboten wurde. Er weiß es also sehr zu schätzen und hält es im ‚reduzierten Zustand‘, der an den berühmten Mann erinnern soll (so z.B. ein Stück Kohle, die nie verheizt wird!) Was ihn am meisten sorgt, ist die Möglichkeit, sich nicht mehr vor zudringlichen “Sorbas-Touristen“ retten zu können. … Daher überlegen wir, ob es denn ratsam ist, diesen Ort und den ruhesuchenden Bewohner aufzusuchen.

Verfilmungen

Vier Romane Kazantzakis sind bisher verfilmt worden. An erster Stelle ist der berühmt gewordene Filmklassiker “Alexis Sorbas” mit Anthony Quinn in der Hauptrolle zu nennen. Aber auch “Die letzte Versuchung Christi“ und “Der Mann, der sterben muß” sind von namenhaften Regisseuren realisiert worden. Leider ist der letztgenannte nicht aufzutreiben! “Alexis Sorbas” geht natürlich mit auf die Reise an Bord.

  • 1957: Der Mann, der sterben muss (Celui qui doit mourir; Regie: Jules Dassin) nach dem Roman Griechische Passion
  • 1964: Alexis Sorbas (Zorbas The Greek; Regie: Michael Cacoyannis; mit Anthony Quinn)
  • 1978: Höllenkommando Kreta (Dawn of victory; Regie: Dimis Dadiras)
  • 1988: Die letzte Versuchung Christi (The last temptation of Christ; Regie: Martin Scorsese), übrigens ein hervorragender Film und einer der Besten Bibelinterpretationen von Judas, die ich kenne! Mit einer hervorragenden Filmmusik von Peter Gabriel! (Marcel)

Literarische & filmische Begleitung

  • Alexis Sorbas. Abenteuer auf Kreta (1946, Βίος και πολιτεία του Αλέξη Ζορμπά, Vios ke politia tou Alexi Zorba; dt. 1952) –> bei uns in der Bordbibliothek befindet sich allerdings nur der Film.
  • Rechenschaft vor El Greco (1961, Αναφορά στον Γκρέκο, Anafora ston Greko; Berlin: Herbig)
  • Im Zauber der griechischen Landschaft (Aufsätze, dt.: 1988, A.L.G. Müller Verlag, München)

Weblinks

Historisches Museum Kreta

Kurzer Artikel mit Fotos zu Eleni

Zorbas-Homepage (privat) aus Stoupa

Joanna, 15. 04. 2010

Der absolute Gott unter meinen Reiseliteraten und überhaupt der Initiator meines Interesses für Griechenland – noch lange bevor Marcel und ich die Ägäis mit der Yacht erkundeten sollten – ist Patrick L. Fermor. Durch ihn und sein Buch »Mani« entstand bei mir der Wunsch, nach Griechenland (lange Zeit gleichgesetzt mit Máni) zu fahren. Durch ihn kam ich überhaupt dazu, „Reiseliteratur“ wert zu schätzen. Und so kam es nach und nach zu den hier versammelten anderen Autoren. Es hat gedauert, bis ich merkte, daß Fermor für viele berühmte Globetrotter gleichermaßen die Fackel vorangetragen hat. Doch er bleibt ‚meine Wiederentdeckung‘, lange bevor die deutschen Verleger Neuauflagen seiner Bücher projizierten!

Zu entdecken, daß dieser Mann mit 95+ noch lebt und zwar auf  jener ’sagenumwobenen‘ Halbinsel Máni, ließ das Herz höher schlagen.

Um so mehr wir jedoch über Máni lesen – das trifft leider auch auf fast alle Orte und Gegenden im heutigen Griechenland – desto klarer stellt es sich heraus: der Tourismus hat diese ehemals vergessene Gegend für sich entdeckt und das heißt: Straßen werden ausgebaut, zubetoniert, die Erreichbarkeit von jedem und allem ist garantiert, die Automobilleihgeschäft boomt, Hotels, Hotelketten und Bungalowanlagen sprießen aus dem Boden. Die Ruhe und Beschaulichkeit ist dahin. Und immer wieder die Sätze wie: „Viel hat sich seitdem verändert….“, „Der Autor hätte seine Gegend nicht wiedererkannt…“ Ja, das befürchten wir auch.


Sir Patrick Leigh Fermor DSO, OBE


(*11. Februar 1915 in London – lebt in Máni)

Ist ein britischer Autor und ehemaliger SOE-Agent. 1944 war er eine der Schlüsselfiguren bei der abenteuerlichen Entführung des deutschen Garnisonskommandanten von Kreta, Heinrich Kreipe.

Zunächst zu den ihn begleitenden Kürzel:

SOE = Das Special Operations Executive (deutsch etwa: „Durchführung besonderer Unternehmungen“) war eine aktive britische nachrichtendienstliche Spezialeinheit während des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde von Winston Churchill und Hugh Dalton im Juli 1940 aufgestellt, um kriegerische Aktionen ohne direktes militärisches Engagement ausführen zu können. Zuständig für Unterstützung und Versorgung von Spionage und Sabotage hinter den feindlichen Linien sowie als Keimzelle für die Formierung einer Widerstandsbewegung in Großbritannien im Falle einer befürchteten deutschen Invasion der britischen Insel.

DSO = Distinguished Service Order ist eine britisch militärische Kriegsauszeichnung. Er wird an Mitglieder der britischen Streitkräfte für ausgezeichneten und verdienstvollen Einsatz in kriegerischen Auseinandersetzungen, meist im Kampf, verliehen.

OBE = The Most Excellent Order of the British Empire ist ein britischer Verdienstorden, der 1917 von König Georg V. gestiftet wurde. Er ist der jüngste der britischen Ritterorden und der am häufigsten verliehene. Mit dem Orden werden auch zahlreiche Bürger fremder Staaten ausgezeichnet und hat die weitaus meisten ausländischen Ehrenmitgliedern.

Biographisches

Mani, eine griechische Essenz

Sommer 1952. Ein englischer Reisender macht sich zu Fuss von Sparta auf. Sein Ziel ist die Mani, jene gebirgige, schwer zugängliche mittlere Landzunge der Peloponnes, die südlichste Spitze des kontinentalen Griechenland. Sparta schmilzt in der Mittagshitze, und bevor der Fremde die Stadt verlässt, soll er ein graecoromanisches Mosaik sehen, die einzige Antiquität, die hier überdauert hat. Unter einer improvisierten Abdeckung tritt er einige Schritte hinunter und steht vor einem staubigen Fussboden. «Mit einem Schnicken des Handgelenks» leert sein einheimischer Begleiter einen Wasserkrug über die vage Fläche, und im nassen Schwall erscheinen für einen kühlen Moment Muster und Mythen: Orpheus mit der Lyra inmitten von Kaninchen und Löwen, Leoparden, Hirschen und Schlangen, Achilles, weich hingegossen, unter den Frauen von Skyros. Und während im nächsten Raum nach einem weiteren Wasserwurf Europa «schwerschenklig, langbeinig» auf dem lächelnden Stier durch die Wellen reitet, beginnen die ersten Bilder trocknend schon wieder zu verschwinden.

Der Guss über den staubigen Boden, mit dem Patrick Leigh Fermors «Mani. Reise ins unentdeckte Griechenland» beginnt, ist ein Zeichen für das initiierende Reisen und Schreiben selbst. Das Wasser setzt frei. Aus dem irdenen Krug hingeschüttet, wird es zum Wasser der Aufmerksamkeit, das im staubigen Stein jahrtausendalte Kulturen entdeckt, es wird zum Wasser des Erinnerns, das im diffusen Erleben glänzende Momente öffnet.

Partisan und Wanderer

Als Patrick Leigh Fermor 37-jährig über das Taygetos-Gebirge in das bitterschöne Land der Manioten wanderte, war er in seiner Heimat ein preisgekrönter Autor und eine Kultfigur. Gut zehn Jahre zuvor hatte er sich als britischer Offizier mit dem Fallschirm über Kreta absetzen lassen. In der Verkleidung eines Hirten agierte er zwei Jahre lang auf der von deutschen Truppen besetzten Insel als englischer Verbindungsmann unter den griechischen Partisanen. 1944 gelang ihm die spektakuläre Entführung des Wehrmachtgenerals Kreipe mitten aus dem deutschen Hauptquartier, eine Geschichte, die verfilmt wurde und in verschiedene englische und griechische Kriegslegenden einging.

Und Fermor galt als bekennender Wanderer. Achtzehnjährig war er 1933 von Rotterdam nach Konstantinopel gelaufen. Das dauerte vier Jahre und endete in Athen, wo er eine rumänische Malerin aus einer adligen Familie kennen lernte. Sie nahm den jungen Mann mit nach Moldawien auf das Familienschloss und führte ihn in die byzantinische Bibliothek. Fermor blieb zwei Jahre und las.

Seine Bücher, die von der transkontinentalen Jugendwanderung erzählen, schrieb er im Alter. «A Time of Gifts» (1977) und «Between the Woods and the Water» (1986) behandeln die ersten Etappen von Holland bis Ungarn und von dort bis in die Karpaten. Den dritten, abschliessenden Band schreibt der Autor, der heute 86-jährig in der Mani lebt, derzeit zu Ende.

Da Patrick Leigh Fermor im deutschen Sprachraum, soweit er übersetzt ist, als Sachbuchautor gilt, blieb ihm hier, anders als in England, literarischer Ruhm versagt. Ihn einen Reiseschriftsteller zu nennen, würde in die Irre führen. Auch sein nun endlich wieder aufgelegtes Buch «Mani» folgt zwar in seiner Struktur einer konkret unternommenen Wanderung, es ist aber, wie Fermor einleitend festhält, «keinesfalls ein Reiseführer, tatsächlich in gewisser Weise sein Gegenteil».

Reisen ist, wenn es gelingt, dem Schreiben vergleichbar eine Frage der Intensivierung. Der Preis ist ein persönliches Sich-Aussetzen, der Lohn kann jenes dankbare Staunen sein, wie es den Autor an einer abendlichen Bucht überwältigt: «Welch wunderbares Ding ist dies – mein Leben.» Für Fermor sind griechisches Licht und seine Schatten, griechische Ruinen und unbehauene Steine, ja noch die Luft, die er als körperhaft empfindet, essenzielle Substanzen. Sie versetzen in das Fluidum eines anderen Zustands. So verknüpft er einzelne Alltagsbeobachtungen mit kulturhistorischen Abschweifungen, etymologische und kunstkritische Studien mit lustvollen Vermutungen, die phantastisch bis in die Antike reichen können und wenn nötig – wie ein Hahnenschrei – weiter und weiter über den ganzen Erdball führen.

Gerade in der rauen, vom übrigen Griechenland durch den Taygetos abgeschnittenen Mani witterte er noch Lebensformen und Bräuche, die direkt aus dem untergegangenen Byzanz oder dem mythischen Altertum zu kommen scheinen. So kehrt in der (noch heute üblichen) aus dem Stegreif gesungenen Totenklage, wenn die Sängerin sich die Haare rauft und zerkratzt, Andromaches Trauer um Hektor wieder. Und in einem reusentragenden Fischer steht ein Nachfahre der letzten byzantinischen Kaiser am Strassenrand. Dann wieder verfolgt Fermor die durch Not und Geschlechterkämpfe immer wieder zur Auswanderung gezwungenen Manioten bis in die Toskana der Medici oder nach Korsika und entdeckt, dass der Name des Geschlechts der Kalomeros die wörtliche Übersetzung von Buonaparte ist. Warum soll Napoleon kein Maniote gewesen sein?

«Mani» ist konkret und subjektiv zugleich, geprägt durch die persönliche Anteilnahme an einem Land, das bereits im Erscheinungsjahr des Buches 1958 (sechs Jahre nach der Reise) wie die Mosaiken Spartas im Begriff war zu verschwinden. Fermor sollte zum grossen Vorbild der angelsächsischen reisenden Schriftsteller werden. Er hatte das besessene Auge des Ethnographen und den Sinn des Historikers für heimliche Traditionen. Er war ein Ästhet und Exzentriker. Er teilte die adlige Verachtung des Überflüssigen und hatte einen untrüglichen Sinn für die Qualität des Einfachen. Früh sah er die Gefahr von «unangemessenem Komfort» und den «rapiden Verschleiss Tausender Dinge, die nie mehr ersetzt werden können».

Wege in die Stille

«Mani» lesen heisst zwangsläufig über das schnelle Reisen nachdenken. Dann wird das brillant geschriebene, gelehrte, sinnliche Buch zu einem wirksamen Gegengift gegen die Kurzstrecken der Spasskultur. Wandern, buchstabierten Autoren wie Paul Theroux und Bruce Chatwin ihrem Vorbild nach, Wandern sei eine Tugend, Tourismus eine Todsünde. In diesem Sinn gibt es Autoren, die zu Pilgern werden müssen.

Fermor hat immer wieder Klöster aufgesucht. Er setzte sich dem strengen Leben aus, nicht als ein Gläubiger, sondern weil er über den Umweg ritualisierter Lebensformen «Licht», «Frieden», «Glückseligkeit» nicht zuletzt für seine Arbeit finden konnte. Wer sein nun erstmals auf Deutsch erschienenes kleines Büchlein «Reise in die Stille. Zu Gast in Klöstern» liest, kann von hier aus leicht verstehen, dass er das «unentdeckte» Griechenland der Mani betrat wie einen sakralen Raum. Noch jeder Ölzweig, der in der armen, kargen Landschaft Früchte trug, war ihm heilig. Jede Geste konnte hier Segnung sein. (Einmal gibt es die eigenartige Überblendung einer Olivenernteszene mit einer Kreuzigung.) So ist «Mani» auch ein religiöses Buch. Es umfasst Verlust und Verheissung. Sein tiefer Grund, auf dem die Farben intensiver werden, ist das klare Bewusstsein von Vergänglichkeit und Tod, sein Glücksversprechen liegt in der Hingabe an die Kostbarkeit des Lebens. Der Leser kann daran teilhaben.
[geschrieben von Angelika Overath, Neue Züricher Zeitung]

Das Haus

Fermors so unvergessliches Haus, wie viele es beschreiben, steht auf einem Grundstück, das Fermor auf das Anraten seines Freundes Georgos Katsimbalis – niemand geringerem als dem „Held“ von  „Koloss von Maroussi“ und Begleiter von Henry Miller, mit dem zusammen er Teile Griechenlands bereiste. Gekauft hat das Paar Fermor dieses Grundstück in den 1960er Jahren, das heißt nach ihrer gemeinsamen Wanderung durch das Land, das sie 1952 unternahmen und als Mani noch von niemandem entdeckt wurde.

Es liegt über der Bucht von Kalamitsi gegenüber der kleinen Merope-Insel mit einem privaten Strand, von dem aus Chatwin mit seinem Surfbrett jeden morgen ins Wasser ging, wenn er die Fermors besuchte.

Die Frau an seiner Seite:

Joan Leigh Fermor geb. Eyres-Monsell

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“The Daily Telegraph Obituary” schreibt:

Joan Leigh Fermor, who has died aged 91, created a remarkable house in southern Greece with her husband, the writer Patrick Leigh Fermor, which attracted a host of distinguished figures from the literary and social spheres.

Joan Leigh Fermor was a noted beauty, with a ready gift for company and a sharp intelligence; her friends and admirers included Maurice Bowra, Cyril Connolly, Stephen Spender, Giacometti, Lawrence Durrell, and what sometimes seemed like almost every figure from the literary and scholarly worlds who gathered around the Mediterranean after the Second World War. She was also one of the most distinguished amateur photographers of her generation, and provided the illustrations for several of her husband’s books.

Patrick Leigh Fermor’s Mani (1958), an account of his travels with his wife in the southern Peloponnese, was illustrated with Joan’s photographs; eight years later, the couple produced Roumeli, devoted to the north of the country. In addition, Patrick Leigh Fermor’s Three Letters from the Andes (1991), an account of his mountaineering expedition 20 years earlier, were addressed to his wife. They provided a picture of the gentleman traveller, stoical in the face of all hardships (other than the preparation of a hard-boiled egg at altitude).

Joan Elizabeth Eyres Monsell was born on February 5 1912 at Dumbleton, Gloucestershire. Her father was Bolton Eyres Monsell, the Tory MP for South Worcestershire who went on to become Chief Whip and First Lord of the Admiralty before being created Viscount Monsell in 1935. He had added the name Eyres on his marriage to his wife (Caroline Mary) Sybil, who was lady of the manor and patroness of the living at Dumbleton.

Joan was educated at St James’s, Malvern, and at finishing schools in Paris and Florence. Afterwards she became keen on photography, concentrating – on the advice of her friend John Betjeman – on architectural studies. The first among these were published in Architecture Review; she went on to become a contributor to Horizon.

On the outbreak of war, Joan Monsell became a nurse, and also took photographs of architectural sites which were thought vulnerable to bombing. She then joined the cypher departments of the British embassies in Madrid, Algiers and then Cairo, where she became friendly with Lawrence Durrell, Robin Fedden and Charles Johnston, and where she met Patrick Leigh Fermor. From Cairo, she managed to escape on leave in order to travel in Kurdistan, before moving to Athens, where she became secretary to the cartoonist Osbert Lancaster.

Joan Leigh Fermor was passionately fond of cats, eight of which were settled about her her bed on her last morning. She was also addicted to chess, and kittens were reprimanded only if they had the temerity to muddle the pieces. She was accommodating, too, of her husband’s derring-do – though she watched him swim the Hellespont (at the age of 69) „sitting on her hands so as not to wring them“.

She died on June 4 after a fall in the Mani, where she and her husband had settled nearly half a century before, living in tents while constructing their home. The house, centred on a great room full of books (and often also music), stands on a wild peninsula on the southernmost tip of Greece, looking out on olive groves and cypresses toward the sea, against a backdrop of mountains. There the Leigh Fermors entertained many visitors, plying them with large quantities of wine and the sea-green olive oil from their own trees.

She married, first, in 1939, John Rayner, features editor of the Daily Express; but the match did not survive the war, and was dissolved in 1947. She married Patrick Leigh Fermor in 1968.

56837542 British soldier and travel writer Patrick Leigh Fermor with Joan Rayner after their wedding at Caxton Hall, Westminster, London, 17th January 1968. (Photo by Evening Standard/Hulton Archive/Getty Images) GINS

Billa Harrod writes: Joan and I met when we were both 18 and remained great friends for more than 70 years. Neither of us was quite the sort of daughter our mothers would have hoped for (luckily they had others). We were very lucky in our backgrounds of big comfortable houses – which we did not always treat as well as we should have, once breaking off an arm of a dignified candelabrum at Dumbleton. (Though when Joan’s father was First Lord of the Admiralty and they lived at Admiralty House in Whitehall, we did appreciate the beautiful fish furniture.)

Joan had more money than most of her friends and was quietly but largely generous when she saw that it would be helpful. She was beautiful and elegant, and also a highbrow, who had the highest standards, and did not suffer fools gladly. Although her actual schooling was rather feeble, she had read a vast amount and had an excellent memory. Music and literature were her real interests, but she was also a superb cook, and taught others to be. The food in her various houses was always delicious.

Literarische Begleitung
  • Mani. Reise ins unentdeckte Griechenland (1958, Mani – Travels in the Southern Peloponnese; Otto Müller 2001)

 

 

 

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Bruce Chatwin

(* 13. Mai 1940 in Sheffield; † 18. Januar 1989 in Nizza) Beerdigt im Beisein von Fermor auf Máni.

Der Wanderer aus Leidenschaft

War ein britischer Schriftsteller, ein Reisender, ein passionierter Wanderer, ein Umstrittener, ein Dandy und Asket der Ästhetik. Das war er im Wesentlichen. Daneben machte er (allerdings eher durch seine Anwesenheit, denn Schriften darüber sind mir nicht bekannt) Máni berühmt. Verbrachte dort, in dem heutigen Hotel Kalamitsi und unweit des Hauses Fermors einige Wochen (oder Monate) und schrieb an der Endfassung seines kontrovers diskutierten, jedoch als Bestseller zu bezeichnenden Buches „Traumpfade“ (über die australischen Ureinwohner). Das war 1985 und Chatwin war schon von seiner Krankheit gezeichnet, wohl aber mit ihr abgefunden. Als Bisexueller mit wechselnden Beziehungen – zum Teil zu prominenten Liebhabern – erkrankte er an AIDS. Verheiratet blieb er seit 1965 mit der Amerikanerin Elizabeth Chanler, die er von Sotheby’s her kannte.

Biographisches

Chatwin wurde 1940 in Sheffield, Großbritannien, geboren. In den Kriegsjahren reiste seine Mutter mit ihm durch England, um bei Freunden und Verwandten vor den deutschen Luftangriffen Unterschlupf zu finden. Statt das geplante Architekturstudium zu beginnen, arbeitete er mit 18 Jahren als Botenjunge für das Auktionshaus Sotheby’s. Vier Jahre später war er bereits Direktor der Abteilung für impressionistische Kunst. Vorgeblich wegen eines Augenleidens (wahrscheinlich psychosomatisch) gab er diese Stelle auf und reiste in den Sudan (auf die Empfehlung seines Augenarztes hin). Danach studierte er in Edinburgh ein Jahr lang Archäologie, brach das Studium jedoch ab. 1973 wurde er Mitarbeiter der „Sunday Times“, zunächst als Berater für Kunst. Bald darauf widmete er sich vielfältigen Themen, reiste für Interviews und Berichte durch die Welt. Im Dezember 1974 kündigte er dort, angeblich mit dem Telegramm an die Redaktion: „Für vier Monate fort nach Patagonien“.

Eine Begegnung mit der Architektin und Designerin Eileen Gray gab den entscheidenden Anstoß zu einer halbjährigen Reise nach Patagonien, um Überreste des Brontosaurus zu suchen. Hier wurde ihm klar, dass das Erzählen und Schreiben die für ihn angemessene Beschäftigung sei. Er bereiste neben zahlreichen anderen Ländern Australien und setzte sich mit der Kultur der Aborigines auseinander. Reisebücher wie In Patagonien und Traumpfade wurden Bestseller. Die Romane Auf dem schwarzen Berg und Der Vizekönig von Ouidah wurden verfilmt, letzterer unter dem Titel Cobra Verde durch den Regisseur Werner Herzog mit Klaus Kinski in der Hauptrolle.

Andere Quellen sprechen davon, daß Chatwin ein Homesexueller war, der während seiner fünfzehnjährigen Ehe ausschließlich Verhältnisse mit Männern hatte. Die Ehe selbst zölibatär. Viele der Episoden seiner Bücher könne man nur dann richtig erfassen, wenn man realisiert, daß Chatwin mit einigen der Männer, die er unterwegs traf, auch sexuellen Verkehr hatte.  So z.B. handelt auch sein erstes bekanntes Buch Auf dem schwarzen Berg von zwei Brüdern in Wales, die über Dekaden in selben Bett schlafen. Seine Homosexualität versteckte er gleicherweise wie seine AIDS-Erkrankung. Er hatte viele ‚Namen‘ und Geschichten zu diesem Zwecke erfunden. Bspw. erzählte er, daß er eine seltene Blutkrankheit habe, die er sich auf einer seiner Reisen in China und zwar durch den Biß einer Fledermaus holte. Oder einen Virus, den er sich beim Verzehr eines hundertjährigen Eis in China holte.

Chatwin: ein manisch-depressiver „aber viel netter“ als ihn sein Biograph darstellt, so berichtet Elizabeth Chatwin.

Schwer von seiner Krankheit gezeichnet lebte er die letzten Jahre, gepflegt von seiner Ehefrau, in Südfrankreich in dem Haus von Shirley Conran (Schriftstellerin), der Mutter seines Ex-Liebhabers Jasper Conran, dem bekannten Modedesigner.

Elizabeth Chatwin berichtet:

“Kevin [Volans, s.u.] was with me in France when Bruce died. The Mellys were there, and Shirley Conran – we were staying in her house. It was very nice having Kevin there, even though he’s a terrific worrier. He worries and worries but he’s got a very strong character and you feel he’s very steady. And he’s very funny. He makes me laugh a lot and, for me, that’s the criterion.”

1989: Der Tod

Bruce Chatwin stirbt am 18. Januar im Alter von achtundvierzig Jahren im Krankenhaus in Nizza, nachdem man die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet hat.

Am 14. Februar findet der Gedenkgottesdienst in der griechischen Kathedrale Saint Sophia in Bayswater (London) statt. Chatwin war zum orthodoxen Glauben konvertiert. Anwesend waren u.a.

Am nächsten Tag fliegt seine Frau Elizabeth nach Griechenland und begräbt seine Asche an einem seiner Lieblingsorte: den Trümmern der byzantinischen Kapelle Agios Nikolaos am Rand des Dorfes Kato Chora hoch über Kardamili:

„Der Boden war zu hart, um sie einzugraben. Deshalb hoben wir unter einem Olivenbaum sehr dicht bei der Kirche mit dem Spaten ein Loch aus, schüttelten Bruce‘ Asche hinein, gossen Retsina als Trankopfer hinzu und sprachen ein griechisches Gebet: „Möge die Erde leicht auf ihm ruhen, und möge die Erinnerung an ihn ewig andauern“, so berichtet Paddy Leigh-Fermor.

Auf der wunderbaren – nicht nur für Kunsthistoriker aber auch für diese – Internetseiten von John

ist die Kirche genau beschrieben und folgender Vermerk zu lesen:

“Bruce Chatwin, the mercurially brilliant and self absorbed English travel writer often visited Mani during the late seventies and early eighties and wrote „The Songlines“ in Kardamili where he stayed near Paddy and Joan Leigh Fermor at Kalamitsis. St. Nikolaos in the Chora was a favourite location of his – for walks or al fresco picnics. When he died of AIDS in 1989 one of his wishes was to have his ashes scattered near this church. He had, late on, converted to Orthodoxy and was of the opinion that the Greeks chose the sites of their places of worship with care for the sublimity of their locations. This is probably a left over from the siting of ancient shrines and temples and the area around Ag. Nikolaos is reputedly, and if you look carefully, observably, rich in marble and stone fragments of the ancient period.

Chatwin’s wife Elizabeth brought his ashes to Kardamili in March 1989 and they were taken by Patrick Leigh Fermor and others to just below the church and scattered, with a generous libation of retsina, in the olive groves Bruce so loved. As Elizabeth related, „It was a picnic“, something Chatwin would have loved. This is related in Nicholas Shakespeare’s splendid biography of Chatwin (Bruce Chatwin. Cape. 1999 and later paperback versions) and Paddy Leigh Fermor was seen in Shakespeare’s BBC documentary „In the Footsteps of Bruce Chatwin“ (broadcast 3/4 April 1999). As Paddy makes clear he’s not quite certain exactly where they buried the ashes – but if any Chatwin fans do make the pelegrinage don’t search – just stop and stare at the view and take in the silence.”

[Siehe unter: John Chapman: Mani]

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Ein Artikel aus Neue Zürcher Zeitung — „Nomadentum als Alternative“ von  Georg Sütterlin

Verstreute Schriften von Bruce Chatwin

Bruce Chatwin starb 1989 im Alter von 48 Jahren. Er hatte verbreitet, er leide an einer seltenen Pilzerkrankung, die das Rückenmark zerstöre und durch den Verzehr eines mehrhundertjährigen Eies in China ausgelöst worden sei. Diese Mystifikation war typisch für jemanden, dessen Leben und Persönlichkeit alle, die ihn lasen, zum Träumen brachte und dessen Enthusiasmus allen, die ihn kannten, die Welt aufregender und interessanter erscheinen liess.

Laufbahn

Mit 18 Jahren wurde Chatwin Laufbursche bei Sotheby’s, mit 22 Direktor der Impressionistenabteilung – einer der jüngsten Direktoren, die das Auktionshaus je hatte. Auf eine vorübergehende psychosomatische Erblindung folgte eine Reise nach Sudan, wo Chatwin eine Art Bekehrung erlebte. Er quittierte seine Stellung und begann, prähistorische Archäologie zu studieren. Und er arbeitete an einem Buch, das immer dicker und immer unpublizierbarer wurde. Währenddessen schrieb er als freier Journalist für die «Sunday Times». 1975 sandte er das inzwischen mythische Telegramm an den Redaktor: «Bin nach Patagonien gefahren.»

Von dort brachte Chatwin das Material für sein erstes und bekanntestes Buch, «In Patagonien» (1977), mit. Künftig schrieb er für die angesehensten englischen und amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften. Fünf weitere Bücher folgten; sie sind so verschieden, als stamme jedes von einem anderen Autor, wäre da nicht eine gewisse Einheit des Stils, der Obsessionen, der Weltsicht. «Was mache ich hier?», eine Sammlung von Kurzprosa und journalistischen Texten, hatte Chatwin noch selbst zusammengestellt; sie erschien wenige Monate nach seinem Tod an Aids. Dann übernahmen die Verleger.

Zweifelhafte Nachlassverwaltung

Chatwin hat rund 50 schwarze, kleinformatige Moleskin-Hefte mit Reisenotizen hinterlassen. Auszüge daraus erschienen im Bildband «Auf Reisen» (1993), der zeigte, dass Chatwin auch mit dem Photoapparat umzugehen verstand. Diese Notizen aus Mauretanien, Westafrika und Afghanistan sind nicht uninteressant, aber es sind eben Notizen. Man fragt sich, ob Chatwin, ein besessener Stilist, einer Publikation zugestimmt hätte. Und jetzt haben Verleger und Nutzniesser von Chatwins Werk die Zitrone weiter ausgepresst: «Anatomy of Restlessness» (1996), auf deutsch unter dem pathetisch-raunenden Titel «Der Traum des Ruhelosen» veröffentlicht, ist eine Sammlung verstreuter, mehrheitlich journalistischer Texte. Einige fanden sich bereits in «Was mache ich hier?» und werden jetzt rezykliert.

Als ich Chatwin 1987 in London besuchte, arbeitete er gerade an seinem letzten Roman, «Utz» (1988). Er wohnte in Belgravia in einer kleinen Wohnung im obersten Stock; das winzige Schlafzimmer hatte ein Glasdach, auf das der Regen prasselte. In diesem Pied-à-terre, karg ausgestattet, hell und luftig, hielt sich einer auf, der dauernd auf dem Sprung war und ohne Neigung, sich im Kokon einer saturierten Häuslichkeit einzuspinnen. Wie Chatwin in den Besitz dieser Wohnung gekommen war und was sie ihm bedeutete, erfährt man im Text «Ein Ort, wo man seinen Hut aufhängen kann».

Nach einem Monat am selben Ort werde er unruhig, nach zwei Monaten unausstehlich, schrieb Chatwin. Er begeisterte sich für Nomaden und ihre Kultur und wollte über das In-Bewegung-Sein ein Buch schreiben, das er seinem Verleger in einem ausführlichen, im vorliegenden Band enthaltenen Brief erläutert und das «Die nomadische Alternative» heissen sollte. Ein Kapitel dieses schliesslich aufgegebenen Projekts ist in «Der Traum des Ruhelosen» abgedruckt; es erschien ursprünglich im Katalog zu einer Ausstellung in New York über die Kunst der Nomaden, die Chatwin 1970 mitorganisiert hatte. Erfrischend darin sind Chatwins breites Wissen und sein Enthusiasmus, der ihn zu Thesen inspirierte, denen die Wissenschaft nicht unbedingt zustimmte. Chatwins ausgeprägt persönlicher Blickwinkel macht alle seine Gelegenheitstexte lesenswert. Wenn Chatwin etwa den autobiographischen Band «Mountain, Marsh and Desert» von Wilfred Thesiger rezensiert, der sein Leben unter afrikanischen und arabischen Nomaden verbrachte, erfährt man soviel über Autor und Buch wie über Chatwin selbst. Das Reisen ist der rote Faden im Leben und Werk Chatwins, wobei der gelegentliche Überschwang seinen Blick für den Unterschied zwischen echtem Nomadentum und seinem eigenen, durch materiellen Überfluss ermöglichten Umherziehen nicht trübt.

Horizonte

Ich fragte Chatwin damals, was ihm das Reisen bedeute: «In der Schule brachte man uns bei, dass ein Mann nicht nur Ingenieur oder Anwalt werden kann, sondern auch Beamter in den Kolonien. Es gab ein Empire, eine ganze Welt jenseits des insulären England. Irgendwie glaubten wir, die Welt sei Englands Hinterhof. Diese Vorstellung hielt an bis zur Suezkrise 1956, als Harold Macmillan die veränderte Situation im berühmten Diktum ‹The winds have changed› zum Ausdruck brachte. Für uns Junge war Reisen damals nicht Selbstzweck, es gehörte einfach dazu. Man konnte nach London, aber ebensogut in die Südsee gehen. Diese Vorstellung hat mich bis heute nicht verlassen. Wenn ich meine Sachen packe, nehme ich mir nicht vor, eine Reise zu unternehmen. Ich gehe einfach weg.»

«Der Traum des Ruhelosen» ist in fünf Abteilungen gegliedert: Autobiographisches, Erzählungen, Texte zum Nomadentum, Buchrezensionen, Texte zur Kunst. Im letzten Kapitel beeindruckt ein Aufsatz über Capri und die «Narzissten» Munthe, Malaparte und Adelswärd-Fersen, die auf dieser Insel lebten und sich in einem übersteigerten architektonischen Rahmen selbst inszenierten. Aufschlussreich ist auch Chatwins ikonoklastischer Vortrag, gehalten 1973 anlässlich einer Benefizauktion zugunsten des Roten Kreuzes. Er zeigt, wie tief sein Dégoût vor dem Kommerz mit der Kunst war, als er 1965 Sotheby’s, einer brillanten Karriere und den Artefakten den Rücken kehrte und sich der Askese und dem Unterwegssein zuwandte.

Atmosphärisches

Wie eine Rezension in Chatwins Hand zu Literatur werden kann, demonstriert sein Aufsatz über Osvaldo Bayers Studie «Die Rächer des tragischen Patagonien». Geschrieben, als er «In Patagonien» abgeschlossen hatte, vermittelt der Text eine geraffte Darstellung der Anarchistenaufstände auf den britischen Schaffarmen Südpatagoniens in den zwanziger Jahren. Geschichte und eigene Erlebnisse und Begegnungen, Kritik und einen stupenden Sinn fürs Atmosphärische verbindend, lässt Chatwin hier das Bild einer fremden, grausamen, melancholischen Welt entstehen, so halluzinierend, dass die Fakten, die Namen und die Daten den Eindruck von Irrealität nur noch verstärken.

Und die Frau des berühmten Mannes?

Elizabeth Chanler

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Eine Frau aus einem amerikanischen „guten Hause“, aus einer reichen Oststaatenfamilie. Geboren 1939 in Kalifornien. Sie hat keine Kinder, dafür aber eine Menge Tiere und Hunde, deren Haare im ganzen Haus fliegen. Sie lebt im ländlichen Oxfordshire und zeitweise in ihrer Londoner Wohnung.

Ob sie wohl mit jener Elizabeth Chanler verwandt ist, die John Singer Sargent wundervoll porträtierte? Immerhin möglich, denn auch die Porträtierte entstammte einer angesehenen und wohlhabenden New Yorker Familie im späten 19. Jh. Und eine gewisse Ähnlichkeit ist auch vorhanden…

Sargent, Elizabeth Winthrop Chanler 1893Sie ist eine Radcliff-Absolventin und Kunsthistorikerin. Wie Chatwin so war auch sie bei Sotherby’s tätig – als Sekretärin? als wissenschaftliche Mitarbeiterin? Mit dem Millionär John Jacob Astor (eine deutschstämmige Familie, die nach Amerika auswanderte) verwandt hatte sie eine reiche Mutter, aber nur ein schmales persönliches Einkommen von $8000 im Jahr.

Ihre Ehe mit Chatwin war für alle offenbar eine Überraschung – weil sie um seine Homosexualität wußten?

Besonders tolerant, überaus gebildet und mehrsprachig begabt, zurückhaltend in bezug auf eigenen Bedürfnisse und offenbar sehr aufopfernd, war sie eine ideale Begleitung für einen egoistischen Autor. Während Chatwin in der Weltgeschichte reiste und unzählige homosexuelle Beziehungen hatte, kümmerte sie sich um die Tiere auf der gemeinsamen Farm und war auch dazu gezwungen, als Bedienung in einem Gartenladen für  £45 in der Woche zu arbeiten. Jederzeit bereit, alles stehen und liegen zu lassen, um Chatwins Ruf zu folgen und ihn irgendwo in der Welt zu treffen. Chatwin war der Meinung, daß ihre Ehe am besten unterwegs funktionierte. Als er todkrank war und nicht mehr für sich selbst sorgen konnte, fand er dann zu ihr zurück.

Und sie? Sie soll die Homosexualität ihres Mannes akzeptiert haben. Nur einmal, in den 1980er Jahren, soll sie eine Scheidung gewollt haben und das gemeinsame Haus verkaufen wollen. In seinen letzten Jahren hat sich das Ehepaar offensichtlich versöhnt.

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Sie selbst berichtet: Die Ehe war wenn auch nicht in die Kategorie „normal“ einzustufen, so doch eben eine Ehe mit allem drum und dran. “Er war eben die beste Gesellschaft, der ich je begegnet bin.”

Die „Frau des schönen, schwulen, toten Dichters“ ist eine, die erzählen kann, die sich weiterhing „herumtreibt“ in der Weltgeschichte, die eine seltene Rasse Schafe hält, die heilige Männer und Mönche aus Buthan bei sich in London aufnimmt. Die sich darüber freut, daß sie über Chatwin interviewt wird. Aber sie ist eben eine, die keine Schreibleidenschaft verspürt. Sie hat was anderes zu tun, sagt sie.

Nachzulesen in einem Interview der FAZ [http://octolan.com/journey/upload/chatwin.pdf]

Kevin Volans, der berühmte Komponist, der die Chatwins 1987 besuchte, weil er den Roman Song Lines als Oper umsetzen wollte, berichtet folgendes:

“The first thing that strikes you is that she talks continuously. When we got back, Bruce was already ill and in bed and he said: „Elizabeth, fetch Kevin some Champagne“ – which I thought very stylish. She went away and he began to talk. When she came back, she was talking too. I discovered that the two of them held simultaneous conversations with you all the time, on completely different topics, totally disregarding each other. It was quite difficult to respond to both politely.

Elizabeth has a phenomenal memory. When it comes to geography, history, botany, she knows all the names; I find it hard to remember the names of my best friends.

She may describe herself as a shepherd but really she’s a globetrotter, that’s what her passport should say. We made a deal that if she took me to the Himalayas I’d show her South Africa. Both trips were a great success – but in South Africa, when I was driving, she went straight to sleep and missed the scenery. When it was her turn to drive, she’d light a cigarette, switch on the radio and pull out into traffic, all at once: frightened the life out of me.

Elizabeth is one of those people you don’t need to see often. You know you could take up your relationship just where you left it. She’s a friend for life.”

Nachzulesen im Interview “How we met: Elizabeth Chatwin & Kevin Volans”, interview von Sue Gaisford, 1999: www.independent.co.uk

Und noch ein Interview zum Abschluß:


Coda

Bruce Chatwin verwendete auf seinen zahlreichen Reisen stets Moleskine-Notizbücher; noch heute wird diese Tatsache werbewirksam vermarktet.

Verfilmungen

  • 1987: Cobra Verd, Regie: Werner Herzog (mit Klaus Kinski)
  • 1988: Black Hill (On the Black Hill)
  • 1991: Nach Patagonien
  • 1991: Utz, mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle

Literarische Begleitung

  • What am I doing here? (eine Sammlung von Aufsätzen, die Chatwin vor seinem Tod noch selbst zusammengestellt hat)
  • Der Traum des Ruhelosen (nach seinem Tod veröffentlichte Aufsätze)


Weblinks Fermor

Schule der Langsamkeit

~~> Zeit-Artikel zu Reiseliteratur

SZ-MANI

~~> pdf Artikel über Fermor und Mani aus der SZ

http://www.welt.de/welt_print/article3081973/Moege-die-Erde-leicht-auf-ihm-ruhen.html

~~> österreichische Schriftsteller Rudi Palla reist zum Grab von Bruce Chatwin

http://www.dumbletonvillage.co.uk/Peopleinhistory/TheEyresMonsellfamily/JoanLeighFermor/tabid/150/Default.aspx

http://www.impalapublications.com/blog/index.php?serendipity[action]=search&serendipity[searchTerm]=dervla

http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article1003269/Besuch_beim_Haudegen_des_Peloponnes.html

http://www.independent.co.uk/news/obituaries/joan-leigh-fermor-548272.html

http://patrickleighfermor.wordpress.com/

http://patrickleighfermor.wordpress.com/tag/joan-leigh-fermor/

http://www.flickr.com/photos/insyros/3063680310/

http://license.icopyright.net/user/viewFreeUse.act?fuid=ODU1Nzc2Mg%3D%3D

Weblinks Chatwin

http://bruce-chatwin.virtusens.de/chatwin_texte.php ~~> Textauszüge

http://octolan.com/journey/upload/chatwin.pdf ~~> Interview mit Elisabeth Chatwin.

http://www.newcriterion.com/articlepdf.cfm/chatwin-meyers-2707 ~~> Rezension der Chatwin-Biographie

http://www.welt.de/welt_print/article3081973/Moege-die-Erde-leicht-auf-ihm-ruhen.html

~~> österreichische Schriftsteller Rudi Palla reist zum Grab von Bruce Chatwin

Ein Ausschnitt aus diesem Artikel hier:


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