Marcel, 30. 05. 2010

Am Donnerstag werden wird von Agios Nikolaos und somit auch von Kreta Abschied nehmen. Wir segeln entlang der touristisch bis ins letzte Dorf erschlossenen Nordküste nach Westen. Dann werden wir auch die Insel Kreta verlassen, auf der man etwa die Hälfte der illegalen Waffen in Griechenland vermutet; man nimmt an, aus traditioneller Vorstellung von einer wehrhaften und stolzen Sippe. Immerhin stand die Insel von 1645 bis 1913 unter osmanischer Herrschaft und Kretas Geschichte ist an blutigen Auseinandersetzungen, die bis in den zweiten Weltkrieg reichen, nicht arm. In Anbetracht der voll besetzten Party-Boote, die die Ruhe in den Buchten empfindlich beeinträchtigen, können wir unwillkürliche Reflexe zu den Waffen zu greifen, nur schwer unterdrücken und verstehen die archaische Neigung der Kreter zu undiplomatischen Konfliktlösungen. Die Party-Boote kommen noch einmal davon, denn wir haben keine Waffen an Bord.

Unser erstes Ziel auf der Reise in das Ionische Meer ist die kleine Halbinsel Akroti. Der „Hafen“ des Klosters Katoliko soll einen hervorragenden Schnorchelspot abgeben. Aufgrund der laut Seekarte großen Wassertiefen >15m müssen wir dieses Vorhaben jedoch vom aktuellen Wetter und er vorherrschenden Windlage in der nächsten Woche abhängig machen. Die dort ins Meer mündende Schlucht führt zu dem bereits erwähnten Kloster und zu Einsiedlerhöhlen. Siehe hierzu unsere Routenplanung und die von Joanna gewünschte Wanderung zu dem Kloster.

Auf dem Wege nach Akroti gibt es noch einige Stadthäfen, die wir anlaufen könnten. Malia kommt dabei, auf Grund der Nähe zu Agios Nikolaos eher nicht in Frage. Aber wer weiß, wir hatten auch schon mal 8 Windstärken aus West. Dann wären wir vermutlich genauso schnell in Santorin, wie in Malia. Etwa drei Kilometer vom Küstenort entfernt befindet sich eine bedeutende minoische Ausgrabungsstätte. Stadt und Ausgrabungsgelände werden wir wohl an Backbord liegen lassen.

Iraklion liegt auf dem Landweg etwa 35 Kilometer weiter westlich. Und sollte Aeolus einmal auf unserer Seite stehen, werden wir wohl auch Iraklion im Kielwasser hinter uns lassen. Knossos, ganz in der Nähe der Stadt, der bedeutendsten minoischen Ausgrabung Kretas, wird eine Anmutung wie Disneyland nachgesagt. Wir hatten bei Wein und Abendessen in Köln hierzu schon umfangreiche Fachberatung durch einen befreundeten Archäologen aus Berlin.

Auf dem weiteren Weg nach Akroti finden wir noch einige kleine Ankerbuchten, von denen die meisten nach Norden offen sind. Auf der Ostseite schließt die Halbinsel Akroti mit dem „Festland“ Kretas einen Naturhafen ein, der jedoch zum Großteil als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen ist. So wäre es für uns ein Umweg in diese Bucht einzulaufen. In der ausladenden Bucht östlich der Halbinsel befindet sich Chania. Auch hier wollen wir aber nur einlaufen, wenn das Wetter uns keine andere Wahl lässt und eine Nacht vor Anker unmöglich ist.

Unsere Hoffnung liegt also in ruhigem Ankerwetter um der Halbinsel Akroti einen Besuch abzustatten. Vor Stavros, dem Ort, der durch die Alexis Zorbas Verfilmung zu Weltruhm gelangte, gibt es mehrere gute Ankermöglichkeiten bei unterschiedlicher Wetterlage. Stavros befindet sich nur wenige Meilen weiter westlich des kleinen „Hafens“ des Klosters Katoliko.

Der letzte Tag vor Kretas Küsten ist dann der Lagune von Balos, bzw. Gramvousa gewidmet. Die Lagune ist eine der großen Naturattraktionen Kretas. Hierzu mehr siehe Routenplanung. Am Samstag wollen wir dann Kreta endgültig den Rücken, bzw. das Heck zukehren. Die Inseln Kithyra und Antikythira, die auf Halber Strecke zum Peloponnes liegen, werden schon zu den Ionischen Inseln gezählt.

Marcel, 01. 04. 2010

Um 0345 werfen wir die Leinen los. Geschlafen haben wir aufgrund des immer noch in den Hafen stehenden Schwells eh kaum. Der Wind hat sich gelegt und bietet mit 1-2bf nicht genug Kraft zu segeln. Also motoren wir durch die Nacht. Zum Sonnenaufgang bekommen wir auf 3-4bf zunehmenden Wind aus West, wie vorhergesagt. Für unsere umgeplante Route perfekt. Ich setzte alle Segel, während Joanna mit Oropax in der Koje liegt und froh ist, als der Motorlärm verschwindet.

Lifeaboard. Mittagessen auf See. Es gibt Kartoffelsalat mit gerösteten Paprika und Kapern dazu Olivenbrot mit Käse aus Astipalaia (wie Ricotta – sehr lecker). Gegen Mittag haben wir die halbe Strecke geschafft. Noch gut 40sm liegen vor uns. Der Wind flaut leider im Laufe des Nachmittags wieder ab, so dass wir die letzten 25sm wieder unter Motor fahren müssen.

Um 1925 sind wir in Sitía fest. Drei griechische Fischer (der eine gibt sich als ehemaliger Kapitän und Freizeitskipper für Charteryachten aus) weisen uns einen letzten freien Liegeplatz längsseits zu, helfen uns beim Anlegen am Kai und nehmen die Leinen entgegen. Die Griechen hier sind überaus freundlich und wenn man die ersten Worte gewechselt hat auch geschwätzig. Nachdem wir an Bord alles klariert haben gehe ich mit ein paar Dosen Mythos, dem lokalen Bier, hinüber. Man nimmt das Gastgeschenk mit Freude entgegen und beginnt einen Plausch auf Englisch.

Marcel, 29. 03. 2010

Um 1130 starten wir Richtung Westen. Vorbei an Mandraki. Die antike Stadtmauer sehen wir auf der Erhebung im Westen der kleinen Ortschaft, die wir gestern erwandert haben.
Nach einer Stunde frischt der Wind auf bis zu 30kn (7bf) auf und schwankt zwischen 21 und 30kn. Die See ist extrem kabbelig – fast wie auf der Waddensee im Modus „Strom gegen Wind“. Erst als wir am frühen Abend Astipalaia (hier gibt es zahlreiche lateinische Schreibweisen) erreichen, wird die See ruhiger und der Wind nimmt auf 4bf ab. Hinter dem venezianischen Kastell verschwindet die Sonne hinter den Hügeln.

Marcel, 27. 03. 2010

Der Morgen beginnt sonnig und mit einer Menge Wind. 4-5bf – später zunehmend 6bf aus NW sind für heute angesagt. Die Richtung stimmt. Um 0800 mache ich mich auf den Weg zum Hafenamt. Kalimera. Bei der griechischen Küstenwache scheint es eine enorme Frauenquote zu geben. Sowohl in Rhodos, als auch in Kos trifft man auf die in dunkelblau Uniformierten. Ich lasse mir die Stempel in das griechische Pleasure Craft Traffic Document geben. Port of Destination: Nissiros. Die freundliche Dame bestätigt mir den oben erwähnten Wetterbericht. Kastros, der geschwätzige Supermarktbesitzer in der Marina, warnt vor der offenen See und den Winden aus der nördlichen Ägäis. Wieviel Fuss unser Boot hätte? 40 Fuss, 14 Tonnen! Ok. No problem. Dem geschäftigen Griechen kann man auch nicht ausreden extra den Gemüsemann kommen zu lassen, um uns einen Obst- und Gemüsekorb für die Reise zusammen zu stellen. Denn die Gemüseregale im Marinasupermarkt sind noch leer. Während ich auf den Gemüsemann warte, gönne ich mir noch den einen oder anderen Kaffee und schreibe diese Zeilen. Dann geht´s an die Arbeit: Segel anschlagen, Großsegel klar machen, Landstrom einholen, Bordcomputer startklar, Abmelden in der Marina…

Marcel, 08. 01. 2010

Die letzten Seemeilen liegen vor uns. Für die nächsten Tage sind Stürme mit 8 bis 9 bf aus Nord vorhergesagt. So sind wir froh, dass trotz der ungeplanten Verzögerungen während der Reise unser Ziel, die Kos Island Marina, zum greifen nahe rückt. Wir erreichen das Ostkap von Kos zum Einbruch der Dämmerung. Gewitterwolken ziehen auf, die den Sturm der nächsten Tage ankündigen. Wir melden uns über Funk bei der Marina an, und werden schon an der Einfahrt in den Hafen von einem Dingi in Empfang genommen. Wieder die Sache mit dem rückwärts einparken… Das will noch geübt werden. Der lange Kiel erfordert Übung bei Manövern im Hafen, vor allem Rückwärts unter Motor zieht das Heck in ungewollte Richtungen aus dem gewünschten Kurs. Korrektur kaum möglich. Es bleibt nur ein erneuter Versuch. Die Mitarbeiter der Marina bugsieren uns mit dem Dingi an den Steg. Dort stehen bereits Nachbarn und Leute der Marina und nehmen die Leinen in Empfang. Wir haben es geschafft!

Wir lernen Giacomo kennen, einen Venezianer, der in einer 13m langen Holzketch im Mittelmeer unterwegs ist. Er half uns bereits beim Anlegen. Am letzten Abend verbrachten wir einige Stunden bei Wein uns Whisky unter Deck. Er schickte uns das Foto, welches er ein paar Tage nach unserer Abreise aus seinem Salon aufgenommen hat.

320sm in 8 Tagen – inklusive einem Hafentag – liegen hinter uns; eine Platzwunde am Auge, ein gequetschter Finger (Vorsicht beim Zusammenklappen des Cockpittisches); Flaute und Sturm – eine in zwei Teile gerissene Fock, zwei schöne Wanderungen… wir freuen uns auf die nächsten Törns.