Marcel, 12. 09. 2012

Um es gleich vorweg zu sagen: Dies war eine der schönsten Wanderungen, die wir seit den Schluchten von Kreta unternommen haben. Weite und tiefe Ausblicke wechseln sich ab mit dicht bewachsenen und wilden Flusstälern, die man im Sommer über Trittsteine queren kann. Die Ufer säumen Oleander und Schilf, Feigen- und Walnussbäume. Überall huschen kleine Echsen über die Steine und Wege und hier und da sehen wir auch Schlangen, die sich im Gebüsch verstecken. Eine Wasserschlange schwimmt elegant ans andere Ufer, Gott sei Dank nicht da, wo wir unsere müden Füße im kühlen Nass baden. Oben am Hang hört man unter sich den Fluss rauschen, von unten blickt man hinauf zu den vorgeschichtlichen Nekropolen, die wie Bienenwaben die steilen Hänge durchsetzen. Die Höhlen sind mehr als 3000 Jahre alt. Unten im Tal ist die Trasse einer alten Bahnlinie zu einem Wanderweg ausgebaut worden. Eine der Bahnstationen dient als kleines Museum, das wir jedoch verschlossen vorfinden. Es gibt Furten und Wasserfälle, an denen das Wasser aus unsichtbaren Quellen oder Adern aus dem Hang tritt. Dort wachsen Farne unter den Felsüberhängen. Etwas weiter oben finden wir ein wenig abseits vom Wanderweg eine Öffnung im Fels. Nähert man sich hört man aus der Unterwelt ein tiefes Grummeln. Ein unterirdischer Flusslauf kommt aus der Tiefe des Berges und macht kurz vor dem Höhlenausgang eine Biegung nach rechts und verschwindet wieder in der Schwärze der Höhle. Vorbei an einem alten Gehöft geht es durch ein weiteres Flusstal hinab und gerade noch rechtzeitig – die Sonne senkt sich schon hinter die Anhöhen der Bergkette – erreichen wir unser Auto. Ein unglaubliches Erlebnis. Eine atemberaubende Kulturlandschaft, die wir fast ganz für uns alleine hatten.

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Marcel, 12. 09. 2012

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Das Tal der Tempel von Agrigent ist eigentlich ein leichter Hügelrücken, doch liegt es unterhalb der Altstadt, der Akropolis, wie ein Tal von Ost nach West ausgebreitet. Die Dimensionen der Tempel sind, oder vielmehr waren, gewaltig. Denn nur wenige Reste stehen wieder aufgerichtet und erheben sich majestätisch in der heißen Mittagssonne. Man muss die Phantasie und Vorstellungskraft bemühen, um sich die ehemals verputzten, gekalkten und bemalten Fassaden vor Augen zu führen, wenn man die fast roten, verfallenen und angefressenen Sandsteine vor sich sieht. Steht man vor den Trümmerhaufen des Zeustempels erkennt man noch die ein oder anderen Reste der riesigen Kapitäle der dorischen Halbsäulen, die von solchen Ausmaßen waren, dass sich ein Mann in die Kanneluren hineinstellen konnte. Zwischen den Säulen standen auf halber Höhe der Wand über sieben Meter hohe Gebälkträger. Die einen sagen abwechselnd männliche und weibliche, die anderen sprechen von den Telamonen mit und ohne Bart. Eine der Figuren wurde geschlechtsneutral rekonstruiert und liegt rücklings wie ein Käfer neben den Trümmerfeldern. Der gesamte Tempel war 113 zu 57 Meter groß, bevor er – die Dummheit der Menschen ist so unendlich wie die Größe der einstigen Götter – als Steinbruch für die Molen von Porto Empedocle diente.

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Am späten Nachmittag schleppen wir unser Gepäck durch die Gassen der Akropolis hinauf zum Monastero di Santo Spirito. Die Nonnen betreiben hier eine kleine B&B Pension, in der wir ein Zimmer reserviert haben. Die Kirche selbst stammt ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert, jedoch ist mehr als die Fassade und einige Räume des Klostertraktes nicht erhalten, so dass den Besucher im Inneren wieder einmal ein barockes Gotteshaus empfängt. Wir fragen eine der Nonnen, ob wir die Kirche besichtigen könnten. Diese verweist uns an einen etwas grummeligen Hausmeister, der uns dann aber freundlich die Einrichtung und die Besonderheiten des Innenraums erläutert.

Marcel, 11. 09. 2012

In der Nacht kommen wir in Syrakus an. Hinter und neben uns türmen sich Gewitterwolken auf. Doch mehr als ein paar Tropfen erreichen uns nicht. Vereinzelte Blitze über Land und wieder einmal kein Wind von vorne. In den nächsten zwei Tagen werden wir mit dem Auto in das Landesinnere vorstoßen. In Agrigent haben wir ein Zimmer in einem Kloster reserviert. Der Wetterbericht verspricht sonnige Tage und ab übermorgen besten Segelwind aus West.

Marcel, 10. 09. 2012

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Der Berg ruft, doch versteckt sich immer vor uns. Wir starten unsere Bergexpedition an der Nordostflanke des Etna, im 1.700 Meter hoch gelegenen Basislager Refugium Citelli. Schon während der Fahrt von Catania hinauf ist von einem Berg nichts zu sehen. Diesige Luft, ein Himmel, von dem man nicht sagen kann, ob er jetzt bewölkt ist oder nicht. Schon um zehn Uhr morgens haben wir unten am Meer 28°C, doch die Temperaturen fallen mit jedem Meter, den wir an Höhe gewinnen. Am Rifugio steigen wir bei 15°C aus dem Auto.

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Marcel, 31. 07. 2012

20120809-122328.jpg"Catania war groß und finster, ein Ort, wie ihn wohl nur ein Mafioso ertragen konnte, und das allein wegen der Möglichkeiten, Geld aus ihm zu schlagen. Die Küste war nichts als meilenweite, enorme Hässlichkeit: Öltanks, petrochemische Fabriken, Raffinerien und Zementwerke." Paul Theroux, Die Fähre Torres nach Sizilien, in: An den Gestaden des Mittelmeers (1996)

Soo schlimm ist es auch wieder nicht. Catania ist ein echter Phönix-aus-der-Asche: entweder hat der Ätna mit seinen Lavaströmen die Stadt zerstört oder es waren die Tyrannen selbst, die die Bevölkerung mordeten oder an andere Orte ‘umsiedelten’. Vulkanische Erdbeben, insbesondere das von 1693, haben Catania (und die ganze Region) verwüstet und wie auf dem Bild zu sehen ist, hat (nicht nur) ein Vulkanausbruch sie beinahe zur Hälfte unter Lava begraben. Den Lavaausläufer sieht man immer noch am westlichen Teil der einst am Wasser liegenden Burg (links im Gemälde). Die Lavamassen haben sich ins Meer vorgeschoben und so “Neuland” geschaffen. Auch der Dom wurde vom Lava und Erdbeben zerstört. So haben die Cataner eben aus dem Lava Baumaterial gewonnen und ihre Stadt im barocken Stil wieder aufgebaut. Was dazu beiträgt, dass sie im Sommer noch heißer wird… Entstanden ist die Stadt, so wie sich sich im alten Stadtzentrum präsentiert im 18. Jh. nach den Plänen des Architekten Giovann Battista Vaccarini – danach kam die Zerstörung durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs.

20120809-121733.jpg "Der Platz auf dem das Wahrzeichen der Stadt steht – ein reizender, opernhafter Elefant und ein Lavaobelisk -, besaß großen Charme, und wir nahmen uns vor, dort nach dem Abendbrot ein wenig herumzubummeln…" Lawrence Durrell (1977)

Der Obelisk ist aus Ägypten – nicht aus Lavastein – aber bei dem (Lava-) Elefanten hat Durrell recht, er ist ganz reizend und strahlt eine Heiterkeit aus, die sich auf den ganzen Platz (wenn nicht auf Catania, die mehr unreizvolle Ecken hat, als einem Touristen lieb ist) auswirkt. Seine Bedeutung oder auch nur Herkunft ist unklar, Edrisi nennt ihn einen “Talisman” der Stadt.

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Das Grabmal des berühmten Sohnes des Statt, nach dem so vieles in Catania benannt ist: Giardino Bellini, der Komponist von “Norma”, der nach Paris ging, um dort früh und unglücklich zu sterben, um dann als Urne nach Catania zurückzukommen…
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Marcel, 30. 07. 2012

20120730-091646.jpg„They called her [the Etna] the Pillar of Heaven, the Greeks. It seems wrong at first, for she trails up in a long, magical, flexible line from the sea’s edge to her blunt cone, and does not seem tall. She seems rather low, under heaven.“ D. H. Lawrence, 1921

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So taucht der Etna aus dem Dunst des Morgens auf. Aber der Reihe nach: Wir hatten uns für das Kreuzen der seit der Antike berüchtigten Straße von Messina auf einiges gefasst gemacht. Der Wetterbericht hatte irgendetwas zwischen 4-5 und 6-7bf aus NW prognostiziert. Unterschiedliche Modelle ergeben ganz andere Wetterlagen. Dann tuckerten wir bei absoluter Windstille (ich übertreibe nicht, der Windmesser zeigte 0,7bf) auf Sizilien zu. Gerade hatte ich mich in die verdiente Freiwache verzogen, das weckt mich Joanna zum Segel setzen. Plötzlich war da Wind aus NW. 12 Knoten macht 4bf. Sehr gut. Segel setzen. Mit dem Klüver zögern wir – zurecht. Ein paar Minuten später bläst es mit bis zu 25 Knoten – gute 6bf. Also das Großsegel reffen. Und hier mache ich einen entscheidenden Fehler: Wir gehen durch den Wind, lassen die Fock back stehen und werfen die Großschot los. Alles so weit, so gut für einen Beilieger. Doch ich gebe Joanna das Kommando das Ruder gelegt zu lassen, anstatt es hart nach Luv zu legen. Gerade sagt Joanna, dass wir uns weiter drehen, da bemerke ich schon, wie das Großsegel zum Überkommen ansetzt. Zu spät. Mit voller Wucht reißt der Baum auf die andere Seite. Ich kann mich noch ducken, werde aber von der Großschot am Hals mitgerissen, stütze mich unglücklich mit dem Daumengelenk auf. Daumen gestaucht, ein paar rote Striemen am Hals, Schürfwunden auf den Fingergelenken und irgendwie auch das ungute Gefühl, einen Beilieger so miserabel versemmelt zu haben, der ja eigentlich dazu da sein soll Ruhe in den Karton zu bringen. Das machen wir nicht noch mal, genausowenig wie ich noch einmal meine Hand (auch wieder die rechte) in den Windgenerator halten werde. Harte Lektionen.
Während dem Rest der Nacht wechseln sich die Winde ab. Mal 25 Knoten, mal nur 5, und eine lange Dünung von achtern baut sich auf. Wir bleiben im zweiten Reff und versuchen Skylla und Charybdis nicht weiter anzustacheln. Circe warnte Odysseus vor „der Zurückgebenden“ Skylla und „der Einsaugenden“ Charybdis. Skylla, die auf der Ostseite der Straße in einer Höhle haust, hat zwölf unförmige Füße und sechs Schlangenhälse mit einem scheußlichen Kopf mit dichten Reihen von Zähnen, mit denen sie ihre Opfer zermalmt. Ihr Leib soll in die Felskluft eingesenkt sein, mit ihren Hälsen fischt sie in der Straße nach Delfinen, Schwertfischen, Tunfischen und Seeleuten.
Gegenüber haust Charybdis, ein gewaltiger Strudel mit gierigem Rachen, der die Schiffe verschlingt, die ihm zu nahe kommen.
Wir haben Skylla und Charybdis mit reichlich Abstand passiert, und sind gerade noch mit dem Schrecken davon gekommen.