Schwere See, mein Herz
Marcel, 04. 11. 2012

Die Erinnerung an den gestrigen Tag auf See ist nur schemenhaft. Die meiste Zeit habe ich versucht zu schlafen, um die Magenkrämpfe zu beruhigen. Es überkam uns alle schon in der ersten Nacht. Und das war vermutlich Fehler Nummer eins und zwei. Schlechtes Essen und Bier in einer seltsamen Pizzeria oder Bar in Fertilia. Der Name bedeutet Fruchtbarkeit und bezieht sich in diesem Fall wohl auf das, was das servierte Essen später mit einem macht. Fehler Nummer zwei war wohl ein zu schneller Aufbruch bereits am Abend ohne sich zu akklimatisieren. Allerdings, wären wir erst am Morgen gestartet, hätte dies eine Nachtansteuerung bedeutet. Der direkte Kurs auf Maó war nicht zu halten, weswegen wir in Addaia gelandet sind. Und hier ist eine Nachtansteuerung für Ortsunkundige unmöglich. Fehler Nummer drei war ungenügende Vorbereitung von leichter Nahrung und warmen Getränken. Ist man erst einmal im Modus der Seekrankheit angelangt, ist eine Konzentration auf die Zubereitung von Speisen nicht mehr möglich.
Bei mir kam es so: Dietmar hatte mich in seiner Wache an Deck gerufen, da sich ein schlagendes Segel nicht mehr bändigen ließ. Ein Blick auf das viel zu tief hängende Schothorn des Klüvers machte schnell deutlich, dass entweder das Fall oder der Segelkopf gerissen war. Ich musste also wohl oder eher übel bei hohem Seegang und in voller Fahrt aufs Vorschiff, um den 40m2 großen Klüver zu bergen und im Wind zu bändigen. Der Bug bewegte sich dabei munter und mit unglaublicher Beschleunigung auf und nieder. Ein weiterer Fehler: Unter Fock und Groß hätten wir in einen Beilieger gehen können um Ruhe ins Schiff zu bringen.
Nachdem ich ohne sonstige Blessuren wieder heil im Cockpit angekommen war, drehte sich mein Magen zur Belohnung einmal im Kreis und knotete sich zusammen. Das war es dann für mich. Die restliche Nacht, ein Tag und eine weitere Nacht sind aus meinem Gedächtnis gelöscht. Natürlich gibt es auch keine Bordbucheinträge, denn dies hätte unnötige Konzentration abverlangt.
Der zweite Tag auf See brachte mich auf den Weg der Besserung. Das Segeln machte wieder Spaß, die Aufnahme von salzigen Keksen funktionierte ohne inneren Widerwillen und auch 30 Knoten Wind am Nachmittag auf Amwindkurs konnten mir nichts mehr anhaben. Trotzdem bin ich froh, nach 205 Seemeilen sicher im Hafen von Addaia zu liegen. Meiner Crew geht es wohl ebenso. Dietmar hat mit Mühe alles bei sich behalten können und Joanna – na ja – einmal musste auch sie den Fischen was zu essen bringen.

Merkst du denn
Wie weit der Horizont sich neigt
Das leise Zittern, wenn das Schiff ganz langsam in die Höhe steigt
Wie eine alte Frau, die sich mit Mühe aus dem Sessel hebt
Wie alles um uns bebt und ächzt und stöhnt
Als ob es lebt

Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz

Der kleine Hund
Den du neulich erst gefunden hast
In dessen Maul, das nie zu stopfen war
Ein jeder Käse, Fisch und Kuchen drückte
Der mit seiner Niedlichkeit das ganze Schiff entzückte
Der ging gerade über Bord
Eben noch lustig
Jetzt schon fort

Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz

Und während ich schon krank bin
Und den Fischen was zu essen bringe
Nimmst du das Gabelfrühstück ein
Kaust krachend Brot und halbe Heringe
Trinkst Wein und lachst so laut
Als ob du´s extra machst
Ist das so?
Tust du das?

Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz

Jetzt wirst auch du ganz blaß
Und krallst dich in die Reling
Dein Blick ist starr und deine Augen matt
Wer´s einmal hat, dem geht es nie mehr aus den Knochen raus
Krall dich an mich und danke, daß du mir vertraust
Ich will dein fester Boden sein
Obwohl ich selber schwanke
Obwohl ich selber schwanke

Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz
Schwere See, schwere See, mein Herz

Element of Crime, Schwere See