Die Mitte des Mittelmeers
Marcel, 12. 08. 2012

Wenn man uns fragt, wohin wir eigentlich fahren, sagen wir meistens, wir wären nach Westen unterwegs – Gibraltar, die Azoren… Und in der Tat teilt man das Mittelmeer meistens in ein westliches und ein östliches Becken, seltener in drei Teile, dann befänden wir uns im zentralen Mittelmeer. Zieht man zwei Linien, die eine von Süd nach Nord, von Lybien nach Trieste, die andere von Ost nach West, von der Türkei nach Tarifa, an der Straße von Gibraltar, so kreuzen sich diese Linien etwas unterhalb der kalabrischen Küste auf 16 Grad und 16 Minuten Nord und 38 Grad und zwei Minuten Ost. Über diesen Punkt verlief unsere Kurslinie am Abend des 29. Juli. Wir befanden uns genau in der Mitte des Mittelmeeres, im Zentrum dieses einzigartigen Universums, dessen äußere Grenzen gerne durch die Linie charakterisiert wird, hinter der die Ölbäume mit dem Klima nicht mehr zurecht kommen, sei es zu heiß, zu kalt oder zu feucht oder zu trocken.
Wir können also ein neues Kapitel unseres Logbuchs aufschlagen und gleichzeitig noch einmal einen Bogen schlagen zum ersten Teil unserer Reise, der geprägt war durch das Erbe eines Groß-Griechenlands. Sizilien war der wichtigste, westlichste Außenposten dieses Reiches. Und hier begegnet uns Lawrence Durrell wieder, der, nachdem er im Dokekanes, Zypern und Ägypten gelebt hatte, seine letzten Jahre in der Provence verbrachte und von dort im Jahre 1977 eine Reise nach Sizilien unternahm, die er in dem Buch Sizilianisches Karussell beschrieb: „Alle meine Reisen beginnen mit einem Anfall von Angst und Zweifel – man fühlt sich plötzlich wie eine Waise. Man beugt sich über die Reling und beobachtet, wie das Land hinter dem Horizont verschwindet – dann schüttelt man sich wie ein Hund und wendet sich wieder der Realität zu. Man richtet sein Trachten auf das Sichten eines unsichtbaren Landes. Sizilien! … Das Eiland sah gewaltig und traurig und etwas verärgert aus, wie ein minoischer Stier – und sofort hakte die Erinnerung ein: Kreta! Zypern! Es war, wie sie, eine Insel, die mitten in der Strömung lag – ein Bollwerk gegen die gewaltigen Seen des von Afrika her anstürmenden Meeres.“