Es war ein sehr kaltes aber sonniges Wochenende, wo Marcels La Familia zu Besuch nach Venedig kam. Wenn ich mich nicht täusche, war das für alle, die aus Hattingen und Berlin angereist kamen, das erste Mal, in Venedig zu sein.
Abgestiegen wurde in dem Hotel “Priuli” und zwar in dem Haupthaus, und nicht so wie wir vor Jahren (zu Marcels Geburtstag) in dem kleinen Haus neben an einquartiert wurden!
Nach einem Abendessen in “La Mascareta” sind wir alle recht spät in unsere Kojen.
Am nächsten Tag – es war der 09. Dezember 2011 – ging es dann früh zum ältesten Sestiere der heutigen Stadt: San Polo.
Verschwommenes Venedig auf der Rialto-Brücke, wo unsere kurze Führung begann. Rio alto/rivo alto = hohes Ufer, oder hoher Fluß, bestand ursprünglich aus einer Reihe kleinster Inselchen, auf denen die Menschen vom Festland (auf der Flucht vor den Langobarden und anderen nordischen Usurpatoren) ansiedelten. Erste Dokumente bezeugen ihre Ansiedlungen ab dem 9. Jh. Rio Businiaco, der heutige Canal Grande, wurde an der Stelle der heutigen, berühmt gewordenen Rialto-Brücke durch einer Zugbrücke aus Holz überquert und auf diese Weise zum ersten Mal mit den Inselchen der anderen Flußseite verbunden. Das war erst am Ende des 11. und beginnenden 12. Jh. Lange Zeit war dies die einzige Brückenverbindung über den gesamten Businiaco. Um diesen Bezirk der heutigen Brücke herum entstanden Handels- und Umschlagsplätze, siedelten sich Händler und wohlhabende Familien, so entstand das ursprüngliche Zentrum des frühsten Venedig. Heute bezeugt das nicht minder geschäftige Treiben der Käufer und Verkäufer die ungebrochene Tradition, wenn auch nicht mehr im gleichen großen und internationalen Stil. Obwohl es an chinesischer Ware weiß Gott nicht mangelt…
Eine der ursprünglichen Rialtobrücken – eine Zugbrücke aus Holz – auf dem Gemälde von Vittore Carpaccio: Il miracolo della reliquia della Santa Croce (1494), “Das Wunder der Reliquie des Heiligen Kreuzes” (Ausschnitt).
So sah die Brücke um 1882 auf einem Albuminfoto von Carlo Naya. Erbaut wurde die Brücke 1588-91 aus Stein, da die vorherigen Holzbrücken alle entweder verrotteten oder abbrannten. Die letzte dieser Holzbrücken stürzte 1444 zusammen, als eine große Menschenmenge von hier aus die Hochzeitszeremonie des Marchese di Ferrara verfolgte.
Der Bauzuschlag ging an Antonio da Ponte (nomen est omen), der Entwürfe von Palladio, Michelangelo und Sansovino ausstach, denn die Republik entschied sich für einen Bau der “gut zu Venedig passte” und sicherlich nicht so kostspielig war.
Und schließlich die Brücke, wie sie heute erscheint:
Fondaco dei Tedeschi (Fondaco im venezianischen Dialekt aus dem Arabischen “Funduk” für Warenbörse): Die Deutsche Handelsniederlassung. Gleichzeitig Warenumschlagplatz, Stapelplatz und Herberge für alle aus Nordeuropa kommenden Völker, wenn auch vor allem für Deutsche und von Deutschen Kaufläuten am meisten frequentiert. Dazu gehörte jenes berühmte Handelshaus der Familie Fugger aus Augsburg. Erste Erwähnung 1228, abgebrannt ist das Haus 27./28. Januar 1505 und 1508 wiederaufgebaut, woran sich die Stadt Venedig beteiligte. Den Entwurf lieferte Frà Giovanni Giocondo unter der Bauleitung von Antonio Abbondi. Die Fassade gestaltete Tizian und Giorgione – von den Fresken ist jedoch nichts erhalten.
Durch die offenen Arkaden im Erdgeschoss lud man Waren ein und aus. Die Bewohner mussten einer Bruderschaft beitreten und standen unter venezianischer Aufsicht. Man traute vor allem den Protestanten nicht. 1870 bis 2011 hauste hier das Hauptpostamt von Venedig und hat angeblich so einige Räumigkeiten ruineirt. 2008 kaufte es die Benetton Group. Wie man jüngst in der FAZ lesen konnte, wird der niederländische Stararchitekten Rem Koolhaas das historische Gebäude erbamungslos in ein Einkaufs- und Ausstellungszentrum umbauen. Daß diese Pläne bei der Bevölkerung auf Widerstand stossen und daß dennoch nichts daran geändert wird, liegt gleichermaßen auf der Hand.
Damit werden unwiederbringlich auch die wenigen Spuren der deutschen Händler verschwinden, die die italienische Post nicht ausgetilgt hat: an Wänden und Geländer eingeritzte Damespiele oder Mühle, Namen und ähnliche “I was here”-Inskripte, wie wir sie noch heute kennen, Zahlen, Rechnungen etc.
Über die Rialto-Brücke gelangen wir in den Sestiere San Polo und den kleinen Platz mit der Kirche, die in ihren Grundmauern zu den ältesten Venedigs gehört: Man beachte auch die 24-Stunden-Uhr im Turm. Die weitaus geachtete ist die auf dem Marcus-Platz, dem Tore dell’Orologio.
Es hat sich nur wenig geändert, doch ist die Stimmung eine andere, die Canaletto auf diesem Bild festhielt (Gemäldegalerie Dresden).
Kunst- und Kulturführung – nicht jedermann Sache :)
Der Campo di Rialto, Mercà, die Märkte von Rialto – vor allem der berühmte Fischmarkt:
Und überall: “Le gondole Signori! Le gondole, le gondole!"
Museum hatte leider zu und das Palazzo des Signor Fortuny war eingerüstet…