Osterprozession auf Hvar (und Hintergründe)
Joanna & Marcel, 21. 04. 2011

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[Wir haben eine sehr schöne Anlegestelle in der Marina des Ortes Vrboska auf Hvar zugewiesen bekommen. Es ist ein sehr schöner, unaufgeregter Ort mit sehr netter ACI Marina. Das ist eine Seltenheit! Dazu später mehr.]

Angekommen, einklariert und gleicht auf den Weg – den Passionsweg – zur Kirche St. Laurencius bzw. Sv. Lovre gemacht. Diese ca. 20 bis 25 km lange Prozession, die eigentlich an 3 verschiedenen Orten der Insel Hvar begonnen wird, ist mittlerweile auf die UNESCO Liste der IMMATERIELLEN KULTURGÜTER aufgenommen worden. Damit hat die Insel Hvar bereits zwei UNESCO Eintragungen – wenn das nicht rekordverdächtig ist! (Siehe Ager-Felder zwischen Stari Grad und Vrboska. ) Allerdings fragt man sich, ob gerade die List der „Immateriellen Kulturgüter“, die sie auszeichnet, nicht ein wenig inflationär gehandhabt wird, so daß zu befürchten ist, daß diese Liste bald keine Aussagestärke mehr hat (Stichwort: Deutsches Brot… nicht schlecht, aber sollte das nicht eher eine Selbstverständlichkeit sein statt „immaterielles Kulturgut“ der ganzen Welt? Und vom Verschwinden bedroht ist es ja auch nicht.)

Zurück zu der Ostern-Kreuzprozession – Wir starteten also in der Kirche Sv. Lovre, in die übrigens die Gemälde aus der Wehrkirche Sv. Marija übertragen wurden. Dazu zählen vor allem jene Gemälde, die Tizian oder Veronese (mal so mal so – wahrscheinlich ist es aber die Werkstadt von Veronese) zugeschrieben werden.

Die kleine Kirche war innen sehr voll, wir standen mehr auf der Schwelle der Kirche (Foto 2), und konnten nur kurze Blicke zwischen die gedrängten Menschen werfen. Dieser, aber auch die anderen Altäre der besuchten Kirchen, waren sehr aufwendig und kunstvoll mit Blumenschmuck dekoriert.

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[Wehrkirche Sv. Maria am Abend; noch menschenleer.]

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[Erste Prozessionsstation: Die Wehrkirche wird umrundet.]

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[Das mit schwarzem Flor verhüllte Kreuz wird vorgetragen.]

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[Von Unterwegs nach Jelsa, der dritten, großen Station der Prozession.]

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[In Jelsa angekommen. Für uns endete hier die Prozession. Weiter haben wir es an diesem Abend nicht mehr geschafft.]

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So sieht der gesamte Prozessionsweg in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag aus:

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Später, erst am Ostersonntag, als wir also die letzten Tage nur so von einer Veranstaltung in die nächste ahnungslos gestolpert sind, hat uns ein Einheimischer (ein sehr netter Mitarbeiter der Marina vor Ort) über die Hintergründe der Prozession von Vrboska aufgeklärt.

Hier in kürze die Hintergründe:

Die große Prozession in der Nacht von Gründonnerstag ist eine “Volksprozession”. Der Kreuzträger – bei uns ein junger Mann mit modischer schwarzer Hornbrille der 60er Jahre – lädt die Ortsbewohner, Familie und Freunde ein, ihn auf diesen 20 km langen Weg zu begleiten… und sie folgten dieser Einladung. Für den jungen Mann ist es eine große Auszeichnung, das Kreuz vorzutragen. Er trägt so zu sagen stellvertretend das Kreuz für Christus. Und er muß auf jeden Fall Kondition haben, dieses Gewicht (wörtlich wie übertragen) auf dieser Streckenlänge und das auch noch die ganze Nacht zu tragen! Die Eingeladenen leisten ihm ‘Gesellschaft’ und Beistand im auf sich genommenen symbolischen Leid. Die Eltern verabschieden sich vom Sohn vor der Kirche – eine ergreifende Sitte! – und wünschen ihm alles Gute auf dem folgenden “Leidensweg Christi”. An anderen Orten (siehe Karte) machen das andere Kreuzträger und seine “Gäste” genauso. Die Prozessionen dürfen sich nicht begegnen bzw. überholen – das brächte Unglück!

Dies ist also ein volkstümlicher sakraler Ritus, in dem sich ein wenig Aberglaube mischt. Die Ursprünge sind mir nicht klar, vielleicht gab es vor der Christianisierung bereits Umzüge zum Frühlingsanfang.

Wir fanden den Anfang der Prozession sehr schön, im Laufe des Weges Richtung Jelsa gestaltet sich die Prozession immer mehr in Richtung Volksauflauf mit abendlicher Freizeitgestaltung. Es wurde sehr viel gequatscht, getrunken und gegessen (wenn auch kein Alkohol). Unerträglich lachende und quatschende Paare liefen neben uns (wir hatten wahrscheinlich wie immer Pech damit). Da haben wir uns mehrfach gefragt, warum diese Leute nicht besser in der Kneipe blieben… Nun, mit den neuen Informationen des Einheimischen, können wir uns das besser erklären.

Der “Marinero” hat uns für unsere gute Beobachtung gelobt – auch er machte deutlich einen Unterschied zwischen dieser Prozession und der am folgenden Abend/Karfreitag, die er als feierlich und dem Anlaß angemessener fand. Wahrscheinlich ist die volkstümmliche Prozession mit der Zeit etwas aus den Fugen geraten, da die Menschen nicht mehr von sich zu dem sakralen Gegenstand Bezug haben. Auch fehlte, so fand ich, der Respekt – wenn nicht vor dem Ritus und Glauben (einiger Anwesender), so doch vor der Anstrengung des Kreuzträgers, der mir leid tat (so wahrlich ganz alleine in dieser Horde). Andererseits entspricht das wohl eher der ursprünglichen Kreuztragung auf dem Golgataberg.

Karfreitagsprozession

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Leider stand Marcel an diesem Abend sehr unglücklich hinter der kleinen Kirche, so daß die Fotos aus der dritten Reihe sind. Ich hatte wiederum das Glück, direkt vor der Kirche zu stehen und konnte dem sehr getragenen und von zwei hohen Würdenträgern geleiteten Ritus sehr gut folgen. Unter einem Baldachin wurde die Hostienreliquie getragen, natürlich mit verhüllten Händen, das Kreuz (der gleiche Kreuzträger) war bereits enthüllt und gewissermaßen gedoppelt, denn es gab noch ein zweites, das symmetrisch auf der anderen Seite des Baldachins getragen wurde. Jugendliche beweihräucherten die Reliquie und einer machte auf einem “Raspel-Gerät” von Zeit zu Zeit ziemlichen Lärm (Sinn und Hintergründe davon uns unbekannt).

Die Gruppe, die dieser Prozession folgte, war klein (vor allem nur Frauen), sehr ruhig und sang schöne traurige Lieder. Kinder trugen Lichter und quatschten weniger. Alles in allem eine schöne nächtliche Erscheinung – denn wir haben davon nichts gewußt und sind nur zufällig zur selben Zeit an der Kirche gewesen.

Was am Samstagabend für eine Prozession bzw. Grabwache war und wie sie gestaltet wurde, können wir nicht berichten: Wir waren an diesem Tag wandern. Ein Gewaltmarsch von ca. 20 Km in die Berge und zerschlagen sind wir dann um 23:00 oder später in die Koje gefallen.