Wanderung zur “Franz Josef Brücke”/Most “Franje Josipa I.”
Joanna, 06. 02. 2011

Unsere geplante Route Milna – Sveti Martin – Bobovišća – Ložišće – Most „Franje Josipa“ – Sutivan (und mit dem Bus zurück nach Milna). Die tatsächliche Route wurde dann doch etwas anders…

Wie immer brauchen wir gefühlte 2 Stunden, um den richtigen Wanderweg aus dem Ort herauszufinden. Dieses Mal ist es tatsächlich nicht einfach, weil unsere Wanderkarten es mit der Realität nicht so genau nehmen. Nach mehreren Fehlschlägen und beginnender schlechter Laune (bei mir, weil ich das nie so gut ertragen kann, wenn das Vorhaben nicht klappt – „unflexibel“ nennt man es) finden wir einen Weg, der sich tatsächlich als der richtige entpuppt. Was allerdings uns selbst am meisten überrascht.

Obwohl diese Fotos trügerisch sind: das Land ist sogar recht saftig-grün, nur haben wir jetzt noch „Winter“ und außerdem muß es hier einige Waldbrände gegeben haben. Die verdorrt-verkohlten Bäume sind überall zu sehen. Meistens sind diese Brände mit Absicht (welcher auch immer) gelegt…

Das Etappenziel heißt „Sveti Martin“ und soll eine vorromanische Kirche sein. Da hat sich wohl jemand verschrieben, denke ich mir. Vielleicht war „romantisch“ gemeint. Oder aber dieses Kirchlein ist nicht das gemeinte Sv. Martin, was auch sein kann, denn wie schon geschrieben, man weiß nicht so genau, wo man sich in der geographischen Landschaft befindet. Jedenfalls ist diese Kapelle höchstens frühmittelalterlich, und auch das würde ich nur aus Kulanz sagen.  Was aber ihre Schönheit in keinster Weise mindert! Ruhe und Würde strahlt dieser Ort aus.

Draußen hinter der Absis ist ein großes „M“ in einen Baumstumpf geschlagen worden, was ich als einen Hinweis auf den Kirchpatronen Martin deute. Und auch das Steinrelief (Sandstein?) im Kirchinneren als Altarretabel platziert, zeigt eine Szene, die ich als die typische Aktion des Ritters Martin ansehe: Einer sitzt zu Pferde und nestelt mit einem großen Schwert an seinem Umhang, ein anderer steht neben dem Pferd und greift nach dem Mantelzipfel. Hier ist die Szene noch um eine Muttergottes mit Christuskind (linkes Bildfeld) erweitert. Es überrascht auch, daß der Almosenempfänger einen Heiligenschein trägt… Vielleicht ein Mißverständnis, wobei Künstler samt Auftraggeber nicht wußten, daß der Bettler ein nackter Mann war, der im Winter vor den Toren der Stadt Amiens um etwas Mitleid und Kleidung bettelte? Meines Wissens ist der Bettler nicht heiliggesprochen worden. Eine Kopfbedeckung, die einen Heiligenschein ähnlich aussähe, ist zwar möglich, aber ein Bettler mit einer solchen aufwendigen Haube?  Vielleicht ein Heiliger als „Assistenzfigur“? Streng genommen könnte es auch ‚verkleideter‘ Christus sein, denn dieser ist Martin in seinem Traum erschienen als eben jener Bettler ‚verkleidet‘. Diese Deutung würde aber das absolute Gegenteil von einem unkündigen Künstler erforderlich machen.



Und so sieht jemand ohne Kondition aus…


Marcel hat schon unseres Wanderpicknick vorbereitet. Ich schleppe mich gerade hoch, habe aber bereits wieder den Blick für die Ästhetik (und Muße für Fotos) frei.

Ach ja, der „kleine Glockenturm“ (wie es bei Lore Marr-Bieger in „Kroatische Inseln“ im M.Müller Verlag heißt) soll aus dem 14. Jh. stammen. Hmm… mir ist es schleierhaft, wie man darauf kommt. Auch hier von einem „Turm“ zu sprechen ist schon verwirrend genug. Wahrscheinlich ist die Kirche ursprünglich aus dem 15. bis 16. Jh., wobei sie gut und gerne auf viel älteren Fundamenten stehen kann. Das Altarretabel ist wahrscheinlich auf Mitte/Ende des 16. Jh.s zu datieren. Und noch eine Ungereimtheit: Angeblich sollte dieses Kirchlein im 17. Jh. eine Pfarrkirche für zwei Orte – Milna und Bobovišća – werden. Ein kurzer Blick in den winzigen Innenraum führt diese Idee ad absurdum. Auch wenn man sie ausgebaut hätte: Der sonntägliche Weg zu dieser Kirche für beide Gemeinden wäre eine ordentliche Anstrengung in praller Sonne. All das sind Gründe, die eher dafür sprechen, daß man „die Kirche im Dorf“ lassen sollte.

DSC_4902

DSC_4903 DSC_4977 Ein kleiner Esel hinter Bobovišća, seine „Eltern“ waren sehr ruppig und traurig an der Straße an kurzen Stricken angebunden – so als ob es sonst Mangel an besserem Weideland gäbe.

Wir nähern uns dem Weiler Bobovišća. Der Namen hat mit dicken Bohnen zu tun, denn bob heißen auf Kroatisch eben jene Hülsenfrüchte. Also ein „Bohnenort“. Eigentlich entstand der Ort aber aus einer Ansiedlung der Schäfer und Hirten, die ihre Tiere vom Landesinneren an die Küsten zum Weideland trieben und hier Wasserstellen entdeckten und sich dann gleich ansiedelten, denn Trinkwasser ist auf Brač rar! Kaum natürliche Quellen – ich glaube, es ist sogar nur eine! Heutzutage wird der enorme (touristische) Wasserverbrauch durch das Wasser vom Festland geregelt. Man muß sich das also so vorstellen: Hirten kommen mit ihren Tieren an und zwar so im 16. Jh. (also ähnliche Entstehungszeit wie Milna). Sehen das es hier Wasser gibt, tränken und mästen die Tiere, schlachten sie und weil sie keine Tiere mehr haben, bauen sie Bohnen an, da das Wasser dafür auch vorhanden ist und die Arbeit mit ihnen einfacher als mit den Tieren. Dicke Bohnen werden ein echter Verkaufsschlager, der die Bewohner der Ortes immens reich macht! So oder so ähnlich wird sich das dann um 1900 abgespielt haben. Man kann sich das gar nicht anders denken, denn der Ort zeugt tatsächlich von einem gewissen Wohlstand. Dieser ist im frühen 20. Jh. gekommen, Seinen Bewohnern scheint er jedenfalls nicht mehr ausgereicht zu haben: Sie haben zwei weitere Ableger davon gegründet – Bobovišća na Moru („Bohnenort am Meer“) und Lozišća (dazu kommen wir noch).

Sv. Juraj ist eine schön gelegene Kirche, die klassizistisch anmutet. Erbaut am Anfang des 20. Jh.s auf den Fundamenten einer 1696 erbauten Kirche. Im Hintergrund sieht man ein herrschaftliches Haus mit einer sehr schönen doppelläufigen Treppe. Leider alles verlassen und verfallen.

Exkurs:
Bobovišća na Moru (am Meer) haben wir nicht besucht – war uns zu anstrengend. Dabei hat der Ort historisch schon was zu bieten: griechische wie römische archäologische Funde zeugen von einer frühen Besiedlung. Und der berühmte kroatische Dichter Vladimir Nazor, dessen Heimat die Insel Brač ist, ist nach dem Zweiten Weltkrieg in sein Heimatort Bobovišća na Moru zurückgekehrt, hat sich dort ein Schlößchen gebaut und dort Inspirationen für seine schönsten Werke (wahrscheinlich) gefunden.

DSC_4979 Einen Hügel weiter liegt vor uns und von der Abendsonne beschienen die nächste Etappe unserer Wanderung: Der Weiler Lozišća, eine Siedlung der Bobovišća Gemeinde, die offenbar ihre eigene prächtige Kirche bauen wollte. Der Ort ist angeblich eine Gründung des 17. Jh.s – ich sage angeblich, denn sollte es sich hierbei tatsächlich um einen Ableger der Bobovišća Bewohner handeln, dann können die Orte nicht zeitgleich von Hirten etc. gebaut worden sein. Die Bobovišćaer können sich erweitert haben in Zeiten des Wohlstands, also eher im 19. Jh. Oder aber diese Orte sind parallel entstanden, dann aber eben unabhängig von einander. (Die Informationen zu dieser Gegend sind widersprüchlich oder zumindest ungenau, wahrscheinlich liegt es daran, daß die Autoren wiedermal angefangen haben, voneinander abzuschreiben, statt es selbst zu recherchieren.)

Der Ort ist sehr pittoresk – zumal wie jetzt im Winter (keine Autos) und in der Abendsonne – mit seiner großen Kirche und dem dominanten Kirchturm, den am Hang klebenden Steinhäusern und schmalen Gärten und der tiefen Schlucht, in der Gemüse und Obstbäume gedeihen. Die Kirche war natürlich geschlossen, aber der Platz davor sehr schön. Die Kirche, den Sveti Ivan und Pavl geweiht, ist 1820 im neoromanischen Stil (als Baukörper) gebaut worden, aber mit dezenten Ornamenten aus Neorenaissance und Neorokoko geschmückt. Den auffälligen Kirchturm baute (oder entwarf) der berühmte kroatische Bildhauer Ivan Rendić (s. auch Milna) in der zweiten Hälfte des 19.Jh.s.

So hübsch beide Orte auch sind – ein Manko haben sie beide, wofür sie aber kaum verantwortlich zu machen sind:
Beide sind durch eine ehemals wahrscheinlich ruhige Dorfstraße miteinander verbunden, was sicher früher sehr nützlich war, die jetzt in Zeiten der Autolavinen eine unglaubliche Belastung für alle darstellt. Ich war schon mal hier im Sommer (an dieser Stelle Grüße an Martina und Nils und Sirka) 2007 (oder…) und zwar leider mit dem Auto. Es war fürchterlich! Laut, stinkig, Auto an Auto, dazwischen versuchten einige Menschen „spazieren zu gehen“… Jetzt sollte es auch nicht wundern, daß die Menschen diese Orte, so schön sie auch gelegen und gebaut sind, verlassen. Vielleicht sollten die Buchautoren neben der Konstatierung, daß die Orte verlassen sind, auch den Zusammenhang erwähnen. Hier wird nämlich der Tourismus keinen Wohlstand bringen, sondern nur ‚durchfließen‘.

Ein paar Sträßchen (alle nicht für Autos entworfen) weiter öffnete sich uns die Kulturlandschaft in milder Abendsonne. Wir hatten uns also zu beeilen…

DSC_5008 DSC_5000 Durch Olivenhaine , vorbei an einigen netten oder auch skurrilen Behausungen ging es dann weiter unserem nächsten Etappenziel entgegen: Der Brücke (=Most) „Franje Josip“. Wir fanden sie problemlos und auch eine kleine Gruppe Wanderer (?) hat sich dort eingefunden plus einen Schäfer (?), der etwas murmelte und schnellen Schrittes davon eilte. Es war also enorm viel los, dafür daß wir auf dieser ganzen Strecke nur einzelne Personen und diese auch nur in den Orten getroffen haben.

Zu der Brücke ist erstaunlich wenig im Internet zu finden. Außer daß sie nach dem österreichischen Kaiser Franz Josef benannt wurde, weiß ich nicht zu berichten. Dafür ist sie wirklich sehr schön, was das Foto schon alleine daher nicht wiederzugeben vermag, weil die Landschaft, die diese Brücke überspannt, wesentlich zu dem Eindruck dazu gehört! Nachdem wir uns (wieder einmal) gestärkt haben, denn man soll immer an schönen Orten genußvoll verweilen, wollten wir unseres Endziel, den Ort Sutivan, ansteuern. Was wir auch taten… nur leider endete unserer Weg nach einer Stunde anstrengendem Sich-durch-den-Busch-Schlagen in einer Sackgasse! Maulend mußten wir einsehen, daß wir nicht die Zeit haben, um noch weiter zu experimentieren. Das hieß aber auch: Den ganzen Weg zurück nach Bobovišća, wo Marcel wohlweislich nach einem Busfahrplan geschaut hat und uns den letzten Bus für die Rückfahrt ausgesucht hat.

DSC_5022 Die Orte dann in der Dämmerung auf dem ungeplanten Rückweg. Ich vergaß zu erwähnen, daß wir die anstrengende letzte Strecke durch die Felder in Rekordzeit zurückgelegt haben! (Laut „Rother-Zeiten“ wäre es aber auch nur „normal“.)

DSC_5039 Wir warteten über zwei (2!) Stunden auf dem angeblich letzten Bus. Bis wir dann doch eine ältere Dame, die mit ihrer Katze auf dem Nachhausewege war, erst auf Englisch dann in einem gebrochenen Kroatisch (eigentlich „kroatisiertem“ Polnisch) nach eben diesem Bus fragten. Wir erfuhren soviel: Der Bus fährt nicht mehr. Dann wurden wir sehr wortreich bedauert und die gute Dame überlegte, wen sie fragen könnte, damit er uns in den nächsten Ort fährt. Sie habe ja kein Auto, sonst hätte sie uns hingebracht! Die Katze schnurrte und rieb sich um unsere Beine. So viel Nettigkeit! Die Katze & Dame wohnten übrigens direkt an der Kurve der viel befahrenen Straße. An dieser Stelle ein Nachtrag zu Lore Marr-Bieger (in „Kroatische Inseln“, S. 377), die über die Bewohne von B. schreibt: „Heute leben hier nur ein paar alte Leute, die Klöppelarbeiten aus dem 18. Jh. aufbewahren.“ Erst einmal: Diese Leute haben sicherlich mehr zu bieten, als ’nur‘ das. Und zweitens: Mist! Wir habe es versäumt, uns wenigstens die Klöppelarbeiten zeigen zu lassen! Aber wie wir wohl das Wort auf Polnisch oder gar Kroatisch heißen?! Irgendwann konnten wir uns von der ‚Klöppeldame‘ loseisen und stapften den Weg zurück diesmal auf der Straße, die wir von Zeit zu Zeit mit Handydisplay und einer Funzel von Taschenlampe beleuchteten. Denn auf diesen Inseln (im Winter) ist Finsternis noch finster. Wir haben diesen Weg wiedermal in Rekordzeit geschafft.