Stari Grad, Hvar
Marcel, 02. 10. 2010

In einem Reiseführer von 1967 heißt es über Hvar, dass das Klima so mild wäre, dass die Hoteliers für einen Wintertag mit Nebel, Schnee oder Temperaturen um den Gefrierpunkt keine Bezahlung nehmen würden. Auch an Tagen, an denen es zwischen sieben und siebzehn Uhr mehr als drei Stunden regnete, soll man 50% Ermäßigung erhalten haben. Sie sind damit angeblich kein Risiko eingegangen. Uns empfängt die Stadt Stari Grad (Alte Stadt) mit bewölktem Himmel und mit dem Duft von Pinien, als wir in die mehr als 3 Seemeilen tiefe Bucht einfahren, an deren Ende sich die Stadt, gut geschützt vor nahezu allen Winden, in die fruchtbare Ebene schmiegt. Wir legen uns an eine der zu dieser Jahreszeit zahlreichen freien Mooringbojen gegenüber der Hafenpromenade. Es ist Freitag Abend. Die Charter-Flotten sind brav in ihre Heimathäfen zurückgekehrt, da samstags die Übergaben stattfinden. Ausser in den großen Marinas am Festland hat man von freitags und samstags meistens seine Ruhe. Gerade einmal drei Schiffe liegen ausser uns im Hafen der Alten Stadt. Im Auftrage der Stadtverwaltung knöpft man uns schon leicht angetrunken und mit Schlickauf 100 Kuna (Keine Kröten, sondern Marder. Die Bezeichnung stammt von der mittelalterlichen Verwendung von Marderfellen zum Tausch und zur Bezahlung von Waren und Abgaben.) ab. An den beiden Folgetagen kommt dann aber niemand mehr zu uns hinüber – vermutlich übersteigt reine Faulheit die hier übliche Geldgier, die sich zum Beispiel dadurch äußert, dass man von Ankerliegern Geld kassiert. Ausser in Kroatien ist diese Unsitte meines Wissens nirgends sonst auf unseren Meeren üblich.

Da wir keinen Stadtplan in unseren Reiseführern finden, begeben wir uns zur Touristeninformation. Der Mitarbeiter dort sieht aus wie der Anführer der hiesigen Hells Angels oder Bandidos, gibt aber freundlich Auskunft über die Museen, Restaurants und Sehenswürdigkeiten der Stadt.

Und – es gibt auffällig viele alte VW Käfer in Stari Grad. In jeder Parkreihe findet man mindestens zwei Modelle in knallig bunten Farben. Auch Cabrios mit nachträglich angeschweißten Überrollbügeln gibt es als Mietwagen.

Stari Grad ist der einstige Hauptort der Insel Hvar und hieß früher Faros. Die Stadt war Handels- und Schifffahrtszentrum und Bischofssitz von Hvar bis sie von der Stadt Hvar abgelöst wurde. Heute ist der Ort ein Treffpunkt für Künstler und Archäologen – es gibt eine Sommerschule für Archäologiestudenten – und gibt sich entspannt und unaufgeregt. Der mittelalterliche Ortskern um den Hafen herum ist Autofrei, die schmalen Gassen mit Naturstein und leichtem Gefälle zu den Seiten gepflastert. Es gibt einige Renaissance- und Barockkirchen und -paläste, sowie das Wohn- und Wehrschloss des Dichterfürsten Petar Hektorović1 aus dem 16. Jahrhundert. Seit 2008 ist die Stadt und die Felder südlich der Stadt, die sogenannten Ager-Felder (s. Extraartikel unter „Wandern“), in die UNESCO Weltkulturerbe-Liste aufgenommen.

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1 — Petar Hektorović (* 1487 in Stari Grad auf Hvar; † 13. März 1572 ebenda), ein Poet und Universalgelehrter der Kroatischen Renaissance, der sein Heimatort und seine Wohnburg (heute zu besichtigen) direkt am Hafen gelegen, nie verließ. Außer für eine dreitägige Reise auf einem Fischerboot, so wird berichtet. Auf der Basis seiner quasi-ethnographischen Beobachtungen entstand 1568 sein wichtigstes Werk, Ribanje i ribarsko prigovaranje (dt. „Fischerei und die Dialoge von Fischern“), in dem versucht wird, die Dialoge von Fischern in ihrer Alltagssprache darzustellen. Dieses Hauptwerk kann man als hybrides Genre bezeichnen, denn es ist gleichwohl ein Reisebericht, eine Abhandlung über das Fischen, ein Poem und poetische Epistel für seinen Freund Jeronim Bartučević. „It is a treasure of Croatian maritime and zoological terminology, which has become incorporated in Croatian standard language“, schreibt ein Autor in Wikipedia Englisch. Auch Hektorović Sprachstil ist hybrid wie sein Werk, indem er sich neben des lokalen Dialekts (Čakavian) auch des Schreibstil/dialekts (Štokavian) der in Dubrovnik tätigen Lyriker, mit denen Hektorović im dauerhaften Kontakt stand, bedient und beide miteinander amalgamiert.

Sein Palast in Stari Grad ist mit Sinnsprüchen und Gedichten ‚vollgeschrieben‘ – und es macht Spaß, seine in Latein und Kroatisch verfaßten Verse überall auf Treppenstufen, Gesimsen, Torbögen und Mauerwerk zu entdecken!

Literaturhinweis: Ante Kadić: Croatian Renaissance, in: Studies in the Renaissance. 6, 1959, S. 28-35, S. 34.
http://www.jstor.org/pss/2857180