Shengjin – Handelshafen, Fischereihafen, Fährhafen, Hotelburgen
Marcel, 25. 08. 2010

Der Badeort Shengjin hat eindeutig die Bausünden von Durres wiederholt. Handelshafen, Fischereihafen, Fährhafen, Hotelburgen. Wir liegen eingekeilt zwischen Feuerwehrboot und Großschifffahrt. Ohrenbetäubender Lärm vom Verladen und Betanken der Frachter über die ganze Nacht. Schleimhautreizender Gestank der direkt aus der Hölle kommt verströmt die neben uns liegende Fischereiflotte. Man hilft uns freundlich neugierig beim Anlegen. Der Hafenkapitän, der perfekt Englisch spricht, ist äußerst zuvorkommend. Wofür man hier jedoch 40€ berappen muss bleibt schleierhaft, zumal wir keine Quittung bekommen haben. Wahrscheinlich spart der Offizielle für seinen nächsten Urlaub in Italien. Der Zollpolizist spricht nur Albanisch und notiert sich unsere Schiffsdaten auf einem handgeschriebenen Formular. Die Pässe interessieren hier niemanden. Noch kommen wohl nicht so viele Sportboote zum Ein- und Ausklarieren hierher. Man ist nicht darauf eingerichtet. Die meisten Yachten machen einen Bogen um albanische Gewässer und fahren über Italien die Adria hinauf und hinunter.

Im gesamten Ort herrscht Stromausfall. Auch der Hafen liegt in den meisten Teilen im dunkeln, die nicht von den Flutlichtern der Verladekräne ausgeleuchtet werden. Da im Ort überall infernalisch lärmende Generatoren laufen, handelt es sich vermutlich um eine normale Situation. In den Geschäften ist es größtenteils finster, Kerzenschein beleuchtet einzelne Waren. Rinder laufen unbeaufsichtigt die Hauptstraße und den Strand hinauf, was jedenfalls für die Rinder ganz normal zu sein scheint, sie trotten in einer Engelsgeduld gegen den Strom der schnellfahrenden Autos. In einer mit Kerzen erleuchteten Bäckerei erstehen wir noch ein paar Fladenbrote. Die im Reiseführer empfohlenen Restaurants vom Typ “Tresen, Neonröhre, Plastikstühle” – der hier vorherrschende Stil – machen einen wenig einladenden Eindruck. An der ‘Strandpromenade’, einem verstaubten Fahrweg, den Hotelburgen vor- und dem an eine Müllhalde mit Sonnenschirmen ermahnenden Strand nachgelagert, finden wir ein annehmbares Restaurant mit freundlich zurückhaltender Bedienung (spricht kein Englisch). Das Essen ist erfreulicherweise gar nicht so schlecht. Gegrillter Fisch (“Is it white Fisch? No, green or grey!” Er meint die Farbe der Schuppen!), Tintenfisch in Tomatensauce und guter Hartkäse. Wir kosten einen fruchtig herben albanischen Wein und später kommt ein Englisch sprechender Kellner dazu, der neugierig fragt, ob er sich am nächsten Tag unser Schiff anschauen könnte. Wir geben großzügig die restlichen Leks Trinkgeld und laden ihn auf einen Kaffee vor dem Ausklarieren und Ablegen ein.

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Klein Chulugi vom weißen Hai verschlungen!

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Sicht aus unserer Kabinenluke: Die Fischereiflotte von Shengjin.

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Ich photographiere heimlich die heimische Flotte, die alles erdenkliche, zumal aber alles stinkende einfach über Bord befördert. Der Geruch ist bei angehenden 37 Grad mehr als nur gewöhnungsbedürftig. Darüber hinaus trägt der normale Hafenarbeiter (Zuschauer) hier bauchfrei.

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Der nette und englischsprechende Kellner Klodjan von gestern Abend kommt tatsächlich – wie ausgemacht – um 1030 zu uns ans Boot (ganz links im Bild, rechts wiedermal der strahlende Eigner). Das Betreten der Jacht hat die Hafenpolizei ihm zuerst verboten! Wir stehen also zunächst in der brütenden Hitze (es werden langsam 37 Grad) und im Hafenlärm an der Pier und versuchen zu plaudern. Dann überredet er doch noch den Zollbeamten, der unweit der Yacht alles beobachtet, und der junge Mann darf wenigstens ans Deck. Ihn interessiert vor allem der Preis des Bootes – Marcel bleibt eisern und hüllt sich diesbezüglich in Schweigen – naja und ein wenig auch das Lenkrad, das er nicht losläßt. Ich serviere Kaffee und Wasser, danach tauschen wir unsere Mails – er bedauert etwas, das er kein Facebook Acc. hat (wir finden das nicht schlimm) – und dann verabschieden wir uns und legen ab.

Das Ablegemanöver ist fast perfekt.

Wir haben in Shengjin ausklariert und befinden uns nun auf dem Weg nach Montenegro. Natürlich wiedermal ohne Wind und unter laufendem Diesel…