Wandern auf Nissyros: Von Mandráki in die Caldera und in den Vulkan
Joanna, 28. 03. 2010

[Für ruhige Schau der Fotos bitte auf die re. Ecke klicken und dann auf „Album“]

Nachdem Marcel uns mit dem Moped an eine Kreuzung gebracht hat, von der wir nur ungefähr wußten, daß sie möglicherweise eine Tourabkürzung sein könnte, ging erst die Suche nach dem „Eingang“ in die eigentliche Wanderroute.

Diese Karte haben wir leider viel zu spät im Netz gefunden. Schade! Ich kann sie an dieser Stelle anderen empfehlen.

Wanderkarte

 

~~> siehe auch hier

Das Wanderpaar Beate und Jürgen Franke haben ihre Wanderungen mit einigen Fotos dokumentiert: www.bjfranke.privat.t-online.de/nisyros/photo/fotos.htm Bitte beachtet diese widerliche Spinne! Wie gut, daß ich diese Fotos nicht vor meiner Wanderung gesehen habe.

 

ETAPPE 1

Wie immer war es uns lange Zeit nicht klar, ob wir auf dem richtigen Weg waren.

Für diejenigen, die nach Nissyros kommen wollen – was ich nur empfehlen kann – muß an dieser Stelle angemerkt werden: Die Insel hat recht viele mit einem roten Punkt markierte ‚offizielle‘ Wanderwege. Das ist sehr schön und löblich, aber in unserem Fall kollidierte das mit der Route des Wanderbuches von Herrn Graf, den ich nicht mehr so loben kann, wie anfänglich. Schwierig sind seine Routen insofern er als Standard zwei Seiten für die jeweilige Beschreibung nimmt; bei einer langen und schwierigen Route ist es ungenügend. Und so war es denn auch bei unserer als „Tanz auf dem Vulkan“ betitelten Wanderung.

Allein der Anfang, man möge den Wanderweg verkürzen und ein Taxi (!) zur ersten Zwischenstation, dem Kloster Agios Evangelistra nehmen, mutet seltsam an. Dort aber tatsächlich mit der Wanderwegbeschreibung anzufangen ist eigentlich unverzeihlich.

Der Weg dorthin – immer vorausgesetzt, wir haben auch den richtigen gefunden – ist nämlich sehr schön. Blühende hängende Gärten und Wiesen, grüne Abhänge und knospende Bäume wohin man blickt und das azzuro-glänzende Meer am Horizont. Bei guter Sicht – und wir hatten sie – sieht man überall kleine und größere Inseln im Meer schwimmen, die Entfernungen kaum zu schätzen. Der Wanderweg entsprach in der ersten Stecke bis zum Kloster aus alten Hohlwegen zwischen den felderbegrenzenden Steinmauern. Die meisten dieser Hohlwege sind mit Steinen ausgelegt, was einen sehr schönen Eindruck macht und auch gut zu gehen ist, allerdings solange man die Mäuerchen nicht einstürzen läßt. Überall blühen die Blumen, Kräutersträucher und Lavendel duften, Ziegen (teilweise verwilderte, um die sich keiner mehr kümmert) und vereinzelt Kühe (s. Fotos) kreuzen unsere Wege oder vielmehr wir ihre.

Verfallen diese steingepflasterten Hohlwege, so ist das Gehen mühselig, denn dann eiert man auf zum Teil zugewachsenen Steinhaufen und verschwendet den Blick für die Bodenbeschaffenheit statt ihn auf die schöne Landschaft und das allgegenwärtige Meer und die gleichermaßen allgegenwärtigen Kirchen, Kapellen, Ruinen etc. zu richten. Daß die Wege nicht gepflegt werden – das heißt aber die die Terrassen stützenden Mauern, um die es sich dabei handelt – hat wiederum mit dem Tourismus zu tun. Wie unserer englischsprachiger ‚Bauer’ vom letzten Mal es erklärte, wollen die Touristen sich nicht die Mühe machen, ihre kulturellen oder landschaftlichen Ziele per pedes zu erkunden, sondern lieber gleich als eine Busladung oder mit dem gemieteten Moped oder Auto schnell und ‚gezielt’ dahin gebracht werden, was als „besonders sehenswert“ dem Reiseführer gilt. Und viel Zeit haben sie nicht, denn sie sind auf Inselhopping oder auf der Stippvisite von der touristisch noch besser ausgebauten Insel (in diesem Fall ist es Kos) hier herüber gekommen, denn man langweilt sich ja doch auf Dauer auf dem heißen Strand.

Und die Einheimischen stellen sich natürlich darauf ein. Was zur Folge hat, daß nicht mehr Landwirtschaft und Viehzucht sondern die Touristenwirtschaft betrieben wird. Der Nachteil liegt natürlich nicht nur in dem Ausbau von Schnellstraßen, Hotelbunkern, Zerstörung der Landschaft und der Vernachlässigung von eben solchen schönen (Wander-) Wegen, sondern auch in der Abhängigkeit von ebenjenem, wie wir wissen launischen Touristen, der mal dieses mal jenes „toll“ findet und am Ende unweigerlich weiterzieht und nicht wiederkommt, weil nun die Insel „versaut“ und nicht mehr „in“ ist. Darüber hinaus sind die Insulaner nicht mehr Selbstversorger, sie kaufen ihre eigenen Nahrungsmitteln vom Festland und natürlich viel teurer ein. Die Landwirtschaft ist ja „soo mühselig“ und es reicht ja sowieso nicht mehr für so viele… Und so zerfallen die schönen ‚Mauerwege’, auf denen wir noch einigermaßen gehen können…

Zurück zur Strecke:

Am Kloster angekommen wurden wir erneut von einem sehr freundlichen Ziegenhirten (natürlich motorisierten) aufgeklärt, wie wir zum Vulkan kommen. Obwohl ausnahmsweise viele große Schilder den Weg wiesen. Freundlich sind die Griechen wirklich – vielleicht  auch nur außerhalb der Saison.

Das Kloster ist verlassen aber von außen gut gepflegt. Und auch sonst dürfen wir uns kein Klostergebäude wie bei uns nördlich der Alpen mit vielen Zellen, Kreuzgang, mächtiger Kirche und weitläufigen Wirtschaftsarealen vorstellen. Die Klöster, die wir hier auf den Inseln bisher gesehen haben, sind sehr bescheiden: klein und kompakt, eindeutig auf weniger ‚Personal’ ausgerichtet, so daß sie mehr einem Bauernhof gleichen als dem was wir „Kloster“ nennen. Auf dieser Wanderung werden uns noch andere Klöster dieser Art begegnen, auch wenn ich schon an dieser Stelle anmerken darf (um das Interesse wach zu halten): sie sind nicht eingeplant gewesen!

Der große Baum, der zum Verweilen an heißen Tagen gen Mittag einlädt, ist übrigens ein Terebinthen-Baum . Im alten Ägypten hat man die Bäume und damit auch seine Galleigenschaften dazu verwendet, die Sarkophage und damit die Mumien haltbarer zu machen. Im 19. Jh. hingegen hat man den Gallstoff zur Terpentingewinnung eingesetzt.

Um diesen Baum herum führten die Schilder, die auf die Wanderung Richtung Caldera aufmerksam machten. Im Nachhinein können wir nur vermuten, daß sie noch auf vieles andere hinwiesen, denn kurzes Stück weiter fanden wir einige rot markierte Steine, die allerdings in unterschiedliche Richtungen führten… Unserer Wanderführer von Herrn Graf versagte an dieser Stelle eindeutig, was wir uns leider viel zu spät eingestanden haben.


ETAPPE 2

Nach ca. einer Stunde stetiges und eigentlich schon alpines Bergauf mußten wir zugeben, daß wir weder hinunter in die Caldera blickten, noch am angeblichen Ende dieser Etappe angekommen sind. Wir waren ganz offensichtlich dabei – und zwar meinerseits ganz eindeutig in Wut über die mangelhafte Streckenbeschreibung und die blinde Wortgläubigkeit des Wanderers –, den Gipfel mit der Kapelle des Propheten Elias zu erstürmen. Blind wird man in solchen Fällen auch für die Landschaft, die herausragend, um nicht zu sagen: atemberaubend ist. Kurz vor dem Gipfel erreichten wir eine Hochebene, wo sich eine vage Möglichkeit eines zweiten Wegs „hinunter“ – wo hinunter auch immer – ergab. Kurzentschlossen nahmen wir diese Abzweigung auch auf die Gefahr hin, daß nur Ziegen sie benutzten. Besonders aufmunternd wäre diese Möglichkeit allerdings nicht, denn wir haben bis dato ca. vier bis fünf tote Ziegen mitten auf unserem Weg gesehen. In unterschiedlichen Stadien der Verwesung, von ganz frisch bis schon etwas älter. Dieses Mal habe ich davon Abstand genommen, sie zu photographieren. Sie waren offenbar alle etwas unaufmerksam in dem Gelände und sind abgestürzt. Dringlichere Warnzeichen hätte sich das Fremdenverkehrsamt nicht ausdenken können, um die Individualtouristen doch auf den sicheren Pfad des Bustransfers ausdenken können.



Wir sind jedoch weiter gegangen und wurden dafür mit einem versteckten Kloster belohnt, das uns teil unterirdisch vorkam, teils in Felsen geschlagen wurde und damit mehr an eine Hirtenbehausung aus vorchristlicher Zeit erinnerte als an eine orthodoxe Stätte. Mönche gab es dort schon lange nicht mehr, und Hirten haben die Anlage sicherlich einer Zeitlang (vielleicht immer noch) benutzt. Weiß getüncht ist die Kirche jedoch gewesen, uns schien es sogar erst vor kurzem, vielleicht wegen Ostern.



Der Zugang war durch eine winzige niedrige und enge Tür möglich und der kleine Raum dahinter hatte einige von der Feuchtigkeit aufgesprungene und fleckige Ikonenreproduktionen, einen kleinen Tisch mit den üblichen Weihrauchutensilien und natürlich Kerzen. Ein seltsam wirkender Ort, den man nicht ganz aufgeben mochte… die von mir angezündete Kerze verstärkte diese Stimmung. Ich hoffte, daß sie uns den Weg in die Caldera ‚leuchtet’, was sie dann tatsächlich auch tat. Wie der Zufall es so wollte, hatte ich nämlich von der Einsiedelei namens Nifios, die in den Bergen der Caldera sein sollte, gelesen. Und nun lag sie also vor uns. Eine Abzweigung zu dem verpassten Weg unserer Wanderungsroute nach Herrn Graf, den wir unvorhergesehen zwei Stunden später wieder aufnahmen, gab es auch.



 

ETAPPE 3

Was später folgte, war ein asphaltierter Weg mitten durch fruchtbare Ebene am Boden der Caldera. Weit und breit waren wir die einzigen Menschen – von halb verwilderten Schweinen und Ziegen umgeben.

 

Seltsamerweise ‚erinnerte’ mich dieser Weg und das – geschlossene – Café am Rande des Vulkankraters an Mexiko… wo ich noch nie war. Das heißt also, die ‚Erinnerung’ kann nur eine Neukombination aus Film- und Romanszenen gewesen sein. Sie hält sich aber hartnäckig bis heute.


Der Schwefelgeruch traf uns bereits in den Bergen. Hier in der Ebene wurde er intensiver bis er schließlich alles durchsetzte: die Wiesen, die Tiere, die Bäume und uns selbst. Ich gestehe, daß ich den Geruch irgendwie mag – er gehört für mich zu den heißen Quellen (in Bulgarien) und zur Entspannung pur. Wieder einmal ein Beispiel dafür, wie unseres Gehirn und das Erinnerungsvermögen funktioniert.

 

Und dann endlich der Krater … und nach ein paar Schritten weiter dann endlich der Blick in die Tiefe: Das Insistieren auf diese Wanderung hat sich gelohnt!

 

 

Und Nissyros bleibt meine absolute Lieblingsinsel.

Nachtrag:

Ich suchte nach dem Film „Volcano„, dessen Plakat, sauber eingerahmt, die Taverne am Kraterrand ziert.

 

Es handelt sich um einen Kurzfilm des Regisseurs ARIS FATOUROS, der in Lefkada 1962 geboren wurde und in Athen aufgewachsen ist. Studiert hat er Physik und arbeitete als Lehrer. Der Film selbst, anders als das „professionelle“ Plakat es vermuten läßt, ist nur 13 Min. lang: VOLCANO, 2003, fiction, S-16mm, colour, 13´ Participation at Drama, Belgrade, Lama, Palma de Mallorca, Metz FIFAM, Rome, international short film festivals.

Die Suche war vergeblich. Doch habe ich diesen hier gefunden (Schnulze, aber die Orte kennen wir und so ist es ein Stück Erinnerung):

 

 

~~> Für mehr Fotos bitte hier














Der große Baum, der zum Verweilen an heißen Tagen gen Mittag einlädt, ist übrigens ein Terebinthen-Baum . Im alten Ägypten hat man die Bäume und damit auch seine Galleigenschaften dazu verwendet, die Sarkophage und damit die Mumien haltbarer zu machen. Im 19. Jh. hingegen hat man den Gallstoff zur Terpentingewinnung eingesetzt.

Um diesen Baum herum führten die Schilder, die auf die Wanderung Richtung Caldera aufmerksam machten. Im Nachhinein können wir nur vermuten, daß sie noch auf vieles andere hinwiesen, denn kurzes Stück weiter fanden wir einige rot markierte Steine, die allerdings in unterschiedliche Richtungen führten… Unserer Wanderführer von Herrn Graf versagte an dieser Stelle eindeutig, was wir uns leider viel zu spät eingestanden haben.